Hohe Verluste
1861 bis 1865 waren äußerst harte Jahre für die in diesem Zeitraum ja noch vergleichsweise jungen Vereinigten Staaten von Amerika. Und sehr verlustreiche: Der Bürgerkrieg (der eigentlich eher fast so etwas wie ein Bruderkrieg war), der innerhalb dieser vierjährigen Periode wütete, würde am Ende so um die 750.000 amerikanische und sonstige Leben gefordert haben. Aber das erst mal nur am Rande – merken Sie sich einfach die Zahl.
Hohes Risiko
Denn so schlimm (und risikoreich) es auch gewesen sein mag, zu dieser Zeit US-Bürger oder ‑Bewohner zu sein, viel ungesünder war es, damals den Beruf des Matrosen, des Entdeckers, des Weltreisenden, des Eroberers oder auch des Korsaren, Piraten oder Freibeuters auszuüben. Zumindest auf den großen Meeren oder auf den extralangen Strecken.
Während des Zeitalters der Entdeckungen, das grob gesagt so in die Zeit zwischen dem 15. und 18. Jahrhundert fällt, hatte man nämlich zum Beispiel als Seemann äußerst gute Chancen, an einem von gleich mehreren Nährstoffmängeln zu leiden und – mit recht hoher Wahrscheinlichkeit – schließlich auch daran zu versterben. Blöd.
Die Entdeckerreisen brachten zwar Reichtum, Ruhm, Waren und Wissen nach Europa – zumindest für die Auftraggeber –, aber diese Errungenschaften forderten einen hohen Tribut: Der berühmte Seefahrer Vasco da Gama etwa kehrte 1499 mit 170 weniger Matrosen in den heimatlichen Hafen zurück, als er bei seiner Abreise an Bord hatte. Und 1520 endete Magellans Weltumsegelung mit 18 (!) von ursprünglich 230 (!) Besatzungsmitgliedern.
Hohe Ausfälle
Skorbut – und in kleinerem Maßstab auch Beriberi und Pellagra – dezimierte nicht nur die zur See fahrende Bevölkerung, sondern auch die Staatskassen in ziemlich großem Stil und es musste schnellstmöglich irgendeine Lösung her. So konnte das schließlich nicht weitergehen: Wo kommen wir denn da hin, wenn das schönste Handelsschiff – vollgepackt mit den tollsten Stoffen und Gewürzen – nicht heimkehrt, bloß weil unterwegs die ganze Mannschaft verreckt ist?!
Na gut. Das Problem war eben nur, dass niemand so genau wusste, weshalb die Männer innerhalb von ca. sechs Wochen erkrankten, dahinsiechten, um am Ende vom Tod erlöst zu werden – und das war eine Erlösung, das können Sie uns schon glauben. Die Krankheit war bereits lange bekannt: Hippokrates sprach davon und die Ägypter hatten auch schon reichlich Erfahrungen mit einer mysteriösen Erkrankung gemacht, die vorzugsweise bei langen Überlandreisen zuschlug, auf denen es keine frische Kost gab.
Aber zurück zu den Entdeckern: Was folgte, waren jahrzehntelange Mutmaßungen darüber, was der Auslöser für diese schreckliche Maladie sein könne. Manche Vermutungen waren richtiger als andere (frisches Obst und Gemüse als Behandlung zeigten zum Beispiel deutlich mehr Erfolg als Schwefelsäure und Meerwasser – wen wundert’s?). Expeditionen, die mit Obst oder Gemüse ausgestattet wurden, kehrten im Großen und Ganzen unbeschadet zurück – zumindest, was ihre Zähne, ihr Immunsystem und ihren Verstand anging ….
Hohe Admiralität
Erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts schien man der Sache auf den Grund gekommen zu sein. Den aktuellsten wissenschaftlichen Empfehlungen folgend, packte James Cook Brunnenkresse-Samen und ein bisschen Blumenerde mit ein und seine Expedition litt kaum an Skorbut-Erkrankungen. Und die HMS Suffolk wurde 1794, quasi offiziell, zum Versuchslabor: Auf ihrer 23-wöchigen Reise nach Indien wurden auf Anweisung der Admiralität sämtliche Matrosen mit einem täglichen Schluck Zitronensaft versorgt. Und obwohl dieses bisschen nur ganz knapp den Tagesbedarf an Vitamin C deckte, verzeichnete die Suffolk auf ihrer Nonstop-Reise keinen einzigen ernsten Fall von Skorbut. Heureka! Im darauffolgenden Jahr erließ die britische Admiralität den Befehl, fortan alle Seeleute mit einem täglichen Schlückchen Zitronensaft zu versorgen. Punktum!
So weit, so gut. Man hätte eigentlich ab sofort annehmen dürfen, dass dieses ja doch relativ einfach zu behebende Problem nun definitiv und unmittelbar der Vergangenheit angehören würde. Denn obwohl es immer noch unterschiedliche Meinungen zur Entstehung von Skorbut gab, war man sich doch im Allgemeinen relativ einig, dass Zitrusfrüchte in ihrer ganzen Vielfalt auf jeden Fall ein vernünftiger Ernährungsbestandteil für Seereisende seien.
Hohe Erträge
Wie immer darauf bedacht, die Staatskassen zu schützen und aus möglichst wenig Einsatz möglichst hohe Erlöse zu erwirtschaften, hatten die Briten sofort einen Geistesblitz: Anstelle der teuren Zitronen und Orangen, die man zum Marktwert einkaufen musste, konnte man als Eins-a-Kolonialbesatzer ja eigentlich auch einfach auf die – im Dutzend billiger verfügbaren – Limetten aus den hauseigenen karibischen Kolonien zurückgreifen. Und wenn man sie dann auch noch in Kupferkesseln kochte, um den Saft zu konzentrieren und so reichlich Platz auf den Schiffen zu sparen, hatte man damit gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Pfiffig! Oder vielleicht doch nicht so ganz?
Dummerweise (na ja, es konnte niemand wissen – zumindest nicht zu diesem Zeitpunkt) hatte und hat die karibische Limette von Natur aus einen deutlich geringeren Vitamin-C-Gehalt und das Kochen in Kupferkesseln reduzierte dieses bisschen auf praktisch null – genau wie die Wirkung bei den armen Seemännern: Kaum kam der billige Limettensud auf die Schiffe, war der Skorbut – zack! – wieder da.
Hohes Tempo
Glücklicherweise stand mittlerweile das Zeitalter der Dampfschiffe kurz bevor und mit ihm (in den meisten Fällen) das Ende von Seereisen, die länger als sechs Wochen dauerten. Skorbut geriet also erst mal wieder in Vergessenheit – einfach weil sich die Reisezeiten so dramatisch verkürzten. Zumindest, bis die großen Polarexpeditionen in See stachen. Sowohl Scott und Franklin als auch Stefánsson erlitten schwere Verluste und das wohlbekannte und gut dokumentierte tragische Scheitern der Franklin-Expedition ist, zumindest in Teilen, auf Skorbut zurückzuführen.
Es dauerte tatsächlich noch eine ganze Weile, bis 1928 der ungarische Biochemiker Szent-Györgyi dann endlich sowohl dem Auslöser als auch der Heilung von Skorbut auf die Spur kam (er erhielt übrigens 1937 den Nobelpreis für Medizin). Endgültig und abschließend wurde die Wirkung von Ascorbinsäure erst 1932 bewiesen.
Hohes Alter
Die Zitrone also. Diese kleine gelbe, saftig-saure Kugel, die wir irgendwie alle mit Sonne, Süden und Sommer in Verbindung bringen. Kaum eine andere Frucht ist so vielfältig einsetzbar wie die Zitrone – sie funktioniert in süßen wie auch herzhaften Speisen, als Dessert, als Drink und zu Fisch natürlich sowieso.
Und sie ist wirklich alt. Die DNA unserer modernen Zitrone haben Wissenschaftler bis zum Ursprung der Zitrusfrucht ins Miozän zurückverfolgen können.
Vor etwa vier Millionen Jahren, als das Klima wärmer und trockener wurde, breiteten sich die Zitrusbäume vom Fuß des Himalajas in andere Gebiete aus und wir haben sie dann bei der ersten sich bietenden Gelegenheit fleißig kultiviert (das war dann allerdings eine ganze Weile später – sehr, sehr viel später). Die uns heute bekannte Zitrone ist ein natürlicher Hybrid aus den wild vorkommenden Zitruspflanzen Zitronatzitrone (was für ein Wort …), Bitterorange und Pampelmuse.