Was es schon mal nicht ist
Man kann es gar nicht oft genug sagen: Ein Reh ist weder die Frau noch das Kind vom Hirsch. Egal, was uns Walt Disney via „Bambi“ weiszumachen suchte, das alles ist falsch. Wenn Sie das nächste Mal also mit Ihren Kindern im Wildpark sind: Vorsicht! Keinen Unsinn erzählen!
Rehe gehören zwar irgendwie zur Familie der Hirsche, aber damit hat sich das Ganze auch schon. Allein der Name der Unterfamilie „Trughirsche“ sagt da schon alles. Das zierliche Reh ist – wunderbare Schöpfung – sogar näher mit dem Elch und dem Damwild verwandt als mit unserem Rothirsch.
Und so klein es auch ist, es steckt voller Überraschungen und zum Glück gibt es rund ums Reh eine Menge an wunderbaren Wortschöpfungen, denen wir im Verlauf dieses Textes noch begegnen werden. Zumindest teilweise, alle bringen wir wirklich nicht unter.
Was man sowieso wissen sollte
Fangen wir mit ein paar Grundlagen an: Männliche, geschlechtsreife Rehe heißen „Bock“, weibliche „Ricke“ oder „Geiß“ und der noch nicht geschlechtsreife Nachwuchs wird als „Kitz“ bezeichnet („Bockkitze“ und „Rickenkitze“). Nur der Bock entwickelt jedes Jahr ein neues Geweih, das pünktlich zur Brunftzeit fertig wird, damit er sich dann mit anderen Böcken um das allgemeine Recht zur Begattung der umherstehenden Damen kloppen kann.
Je kälter es in einem Habitat werden kann, umso schwerer werden die Tiere. In Südspanien (Rehe kommen in ganz Europa vor) werden sie kaum schwerer als 15 bis 17 Kilo, in Norwegen knacken sie locker die 30-Kilo-Marke. Mit ihrer Länge von höchstens 1,40 Metern und 0,85 Meter Schulterhöhe sind sie nicht besonders groß, was ihrem natürlichen Lebensraum, dem möglichst dichten Wald, entspricht.
Was es besonders gut kann
Darüber hinaus sind sie vorn auch noch „tiefergelegt“, was bedeutet, dass ihr Hinterteil („Kruppe“) höhersteht als die Schulter („Widerrist“). Gleichzeitig wird das Geweih der männlichen Tiere niemals länger als 20 Zentimeter und bildet auch nicht mehr als drei Spitzen („Enden“) pro Seite aus. Ihre Anatomie ermöglicht es den Tieren, möglichst geräuschlos im Gebüsch zu verschwinden, um sich bei Gefahr zu verstecken. Diese Eigenschaften haben dazu geführt, dass Rehe dem „Schlüpfertypus“ zugezählt werden – und das ist doch wirklich mal ein toller Begriff.
Rehe verfügen über einen ausgezeichneten Geruchssinn, Feinde können sie – wenn der Wind richtig steht – über eine Distanz von 300 Metern riechen. Korrekt bezeichnet man die Rehnase als „Windfang“, das Schnuppern wird „winden“ genannt. Und nur weil wir gerade dabei sind: Die Augen heißen „Lichter“. Schön!
Viel interessanter als alles, das ist das Fell der Tiere. Nicht weil es über die Lebenszeit und das Jahr immer mal wieder die Farbe wechselt, sondern weil das Winterfell eine wirklich interessante Eigenschaft aufweist: Jedes einzelne Haar des Winterfells ist innen hohl, was natürlich in den kalten Monaten einen besonders guten Wärmeschutz erzeugt. Diese glücklichen Rehe.
Was die lange Pause soll
Aber da geht noch mehr: Sie müssen wissen, dass die Brunftzeit der Rehe relativ früh im Jahr liegt, so zwischen Mitte Juli und Mitte August. Davor müssen sich vor allem die Böcke enorme Kraftreserven anfuttern, weil sie während der Paarungszeit („Blattzeit“, das weibliche Geschlechtsteil heißt „Blatt“, weil sein Fell kleeblattförmig ist) sehr viel Energie verbrauchen – und danach benötigen sie einiges an frischen Kilos, um über den Winter zu kommen (ein ausgewachsenes Tier frisst zwischen zwei und vier Kilo Grünzeug am Tag).
Weil nun aber die Brunft so früh stattfindet, würden die Kitze mitten im tiefsten Winter zur Welt kommen, was keine wirklich gute Idee ist. Darum greift das Reh ganz tief in die Trickkiste und setzt die sogenannte „Keimruhe“ ein: Das befruchtete Ei legt sich erst mal schlafen, bis es dann erst im Dezember anfängt zu wachsen, damit im Mai oder Juni die Kitze geboren werden. Insgesamt dauert die Trächtigkeit beim Reh also länger als die Schwangerschaft beim Menschen.
Nach der nervenaufreibenden Blattzeit schließen sich die Ricken zu testosteronfreien und bocklosen Verbänden zusammen, die man – falls Sie das wissen möchten – „Sprünge“ nennt.
Was sonst noch wichtig ist
Allein in Deutschland gibt es mehr als 2,5 Millionen Rehe, sie sind also keineswegs selten oder vom Aussterben bedroht. Leider sterben jedes Jahr um die 200.000 Tiere allein durch Autounfälle. Nehmen wir alle doch bitte die „Wildwechsel“-Schilder ein bisschen ernster!
Reh in der Küche
Einkauf & Aufbewahrung
Da die Jagdsaison für Rehe von Mai bis Januar dauert, können Sie nur in dieser Zeit frisches Rehfleisch erhalten. Dieses kann zwei bis drei Tage im Kühlschrank aufbewahrt werden. Lassen Sie sich das Fleisch vom Metzger vakuumieren, was sehr oft angeboten wird, verlängert sich die Haltbarkeit im Kühlschrank auf bis zu zwei Wochen. Tiefgefroren hält sich Rehfleisch ca. 12 Monate.
Verwendung
Rehfleisch ist recht mager und zart und steckt voller Vitamine und Mineralstoffe. Sie können das kurzfaserige, rötlich braune Fleisch vielseitig verwenden, da es vergleichsweise mild im Geschmack ist. Das Fleisch von Rehen, die älter als zwei Jahre sind, kann fester sein und wird daher bevorzugt zum Schmoren und Marinieren genutzt. Jüngere Tiere haben zarteres Fleisch, das man für alle Zubereitungsarten gut verwenden kann. Hier sollten Sie aber auf das Marinieren verzichten, da man den feinen Wild-Geschmack schnell überdecken kann.