Die Ahnungslosen
Schwer zu sagen, ob die britischen Siedler in Australien, Neuseeland und auch Tasmanien zu gelangweilt, zu hochnäsig oder zu blauäugig waren oder ob sie einfach nur Heimweh hatten. Auf jeden Fall waren sie überhaupt nicht einverstanden mit der Flora und Fauna, die sie Anfang des 19. Jahrhunderts dort vorfanden: Sie hielten sie vorwiegend für „armselig“ und „falsch“. 1830 beklagte sich ein gewisser J. Martin in einem Brief, den er in die geliebte Heimat schrieb: „Die Bäume behalten im Winter ihr Laub und werfen stattdessen ihre Rinde ab, die Schwäne sind schwarz, die Adler weiß, die Bienen haben keinen Stachel und es gibt Säugetiere mit Taschen für den Nachwuchs, während andere Eier legen.“
Auf jeden Fall beschlossen die Herrschaften so gegen 1850, dass es doch ganz nett wäre, ein paar Tiere und Pflanzen aus der Alten Welt zu importieren, einfach, damit es ein bisschen heimeliger wird in der Fremde. Von „Ökosystemen“ hatte man schließlich noch niemals gehört.
Die Ambitionierten
Sogar eine entsprechende (natürlich britische) Gesellschaft wurde gegründet, die „Acclimatisation Society“, die weltweit tätig war, in Australien aber offiziell erst 1861 ihren Dienst aufnahm. Und natürlich konnte nicht jeder einfach mal eben so Mitglied werden – er musste schon ordentlich etwas vorzuweisen haben in Sachen „Implementation“. Ein wohlhabender Gentleman, der aus dem englischen Somerset zugereist war, teilte voller Stolz mit, er habe bisher Amseln, Drosseln, Rebhühner und Hasen recht erfolgreich nach Südaustralien importiert und ausgewildert. Mr Thomas Austin wurde ob dieser Leistungen 1861 natürlich sofort in den Club aufgenommen, was als große Ehre galt.
Sie hätten nicht falscher liegen können, die Gentlemen, die die Aufnahme damals abnickten. 1859 nämlich hatte Mister Austin einen Fehler wahrhaft gigantischen Ausmaßes gemacht. Und sich überhaupt nichts dabei gedacht. Und der fing auch ganz klein an: So zum Zeitvertreib und weil er mehr als genug Land besaß, dachte er sich, dass eine kleine Kaninchenjagd von Zeit zu Zeit doch eine nette Sache wäre. Flugs besorgte er sich 24 europäische Wildkaninchen (Oryctolagus cuniculus) und ließ sie leise lächelnd auf einer schönen, großen Wiese in der Nähe des heutigen Melbourne frei. Mal sehen, wann man wieder auf welche stoßen würde – vielleicht schon bei der nächsten Jagd?
Die Apokalyptischen
Der Rest ist Geschichte. Innerhalb von ungefähr 50 Jahren wuchs die Population von 24 Tieren auf geschätzte (Achtung!) 500.000.000 an. Fünfhundert Millionen Kaninchen hoppelten, mümmelten, rammelten und buddelten sich begeistert durch den gesamten Kontinent. In ihren Löchern und Gräben brachen sich zunächst nur Mensch und Pferd die Beine, später überschlugen sich Flugzeuge bei der Landung und zahllose Autounfälle passierten.
Leckeres, frisch gesprießtes Getreide und Baumtriebe fraßen sie in Windeseile auf und auch älteren Pflanzen machten sie den Garaus, indem sie deren köstliche Rinde rundum abnagten. Kein Mensch weiß heute, wie viele australische Pflanzenarten das Kaninchen auf dem Gewissen hat, aber es sind ganz sicher beängstigende Zahlen. Und wo die Pflanzen gehen, geht der Boden meist gleich mit. Die Erosion der australischen Böden sucht weltweit ihresgleichen. Das Kaninchen war eine ökologische Katastrophe, die in Australien einfach nur die „Pest“ genannt wird. Und sie ist keineswegs vorbei.
Die Anatomischen
„Die vermehren sich wie die Karnickel“ sagt der Volksmund und er könnte es gar nicht trefflicher ausdrücken. Haus- und auch Wildkaninchen sind, wenn ausreichend Platz und Nahrung vorhanden sind, wahre Reproduktionskünstler: Weibliche Tiere sind im Alter von drei bis spätestens zwölf Monaten geschlechtsreif. Sie sind jederzeit empfangsbereit und ihr Eisprung wird dadurch ausgelöst, dass der Rammler aufspringt, was unfassbar effektiv ist (Fachbegriff: kopulationsinduzierte Ovulation). Nach nur 31 Tagen Tragzeit bringen sie zwischen vier und zwölf Nachkommen zur Welt. Und dann haben sie noch einen Trick drauf, der einem schier die Sprache verschlägt.
Weibliche Kaninchen (die man übrigens „Häsinnen“ nennt) verfügen über einen sogenannten Uterus duplex, was nichts anderes bedeutet, als dass sie quasi zwei Gebärmütter besitzen, die mehr oder weniger unabhängig voneinander Embryonen ausreifen können. Es ist leicht möglich, dass eine Häsin eine Woche vor der Niederkunft aus Gebärmutter Nummer eins für Gebärmutter Nummer zwei gedeckt werden kann. Und was bei einem solchen Prinzip herauskommen kann – das sieht man sehr gut in Australien.
Kaninchen in der Küche
Auch wenn Kaninchen zum Wild zählen, erinnert ihr Fleisch eher an Geflügel. Es ist sehr mager, zart und hell. Das Fleisch von Wildkaninchen ist dabei kräftiger im Geschmack und etwas dunkler als das von Zuchtkaninchen, die mittlerweile den Großteil der Kaninchen ausmachen, die man kaufen kann.
Einkauf & Aufbewahrung
Kaninchen kann man im Ganzen mit oder ohne Innereien kaufen oder Teilstücke davon, wie zum Beispiel Keulen oder Filet. Frisches Kaninchen können Sie gut abgedeckt bis zu zwei Tage im Kühlschrank aufbewahren. Tiefgekühlt hält es sich bis zu drei Monate.
Verwendung
Kaninchen sind sehr aktive Tier und haben daher sehr mageres Fleisch, das – bei falscher Zubereitung – schnell trocken werden kann. Damit dies nicht passiert, haben wir die passenden Zubereitungstipps für Sie.
Kaninchen eignen sich sehr gut zum Schmoren. Bei dieser Methode bleibt das Fleisch schön zart und saftig. Wenn Sie noch Gemüse und Gewürze hinzugeben, erhalten Sie ein wunderbar wohlschmeckendes Schmorgericht, denn Kaninchenfleisch nimmt sehr gut den Geschmack der weiteren Zutaten an.
Da zu starkes Anbraten dem Fleisch Flüssigkeit entziehen kann, raten wir Ihnen bei Kaninchen davon ab. Wenn Sie trotzdem nicht auf die Röstaromen verzichten wollen, dann können Sie das Fleisch in Speck oder Schinken einwickeln und bei mittlerer Hitze vorsichtig anbraten, bevor Sie es zu Ende schmoren. Der Speck oder Schinken wird hierbei aber nicht verzehrt, sondern vor dem Essen entfernt.