Sie wollen es genauer wissen?
Die jüngere Geschichte Vietnams ist nicht nur ziemlich bewegt und durchaus interessant, sie spiegelt sich – ebenso wie die besondere geografische Lage – auch sehr stark in der entsprechenden Landesküche wider. In unserem Artikel zum Thema Bánh Mì befassen wir uns vor allem mit der französischen Kolonialzeit in Vietnam bzw. in Indochina; wenn Sie also noch etwas tiefer in die Materie eintauchen möchten – gerade auch im Hinblick auf die Kulinarik des Landes –, dann erfahren Sie dort mehr zum Thema.
Reich und schön und gut
Auf jeden Fall gilt die vietnamesische Küche als ausgesprochen vielfältig, interessant und nicht zuletzt auch ziemlich gesund, was unter anderem sicher auch daran liegt, dass hier sehr viel Gemüse und Reis und vergleichsweise wenig Fleisch zubereitet wird.
Ganz grundsätzlich kann man vielleicht sagen, dass Gerichte aus dem Süden des Landes eher scharf und besonders würzig kommen (und auch mit recht vielen verschiedenen Gewürzen aufwarten – Indien lässt grüßen!) und dass es im Norden eher nicht so feurig wird, was der geschmacklichen Vielfalt allerdings keinen Abbruch tut. Klar, dass das Warenangebot in und rund um die großen Metropolen Hanoi im Norden und Ho-Chi-Minh-Stadt im Süden deutlich größer ausfällt als in den eher abgelegenen ländlichen Gebieten, wo sie nun mal mit dem zurechtzukommen haben, was die Natur vor Ort so hergibt (was im Übrigen zu einer ganz besonderen Küche geführt hat, weil hier schlicht das gegessen wird, was als protein- und fetthaltig gilt, wozu auch Insekten, Reptilien, alle möglichen Säugetiere, Wirbellose und ausgefallenste Meeresfrüchte zählen).
Ausgesprochen gesund
Allem voran gibt es in der vietnamesischen Küche aber das landestypische „Dreigestirn“ der Ernährung, nämlich Reis, Gemüse und die unverzichtbare und von kaum einem Gericht wegzudenkende „Nuoc Nam“, also die vietnamesische Fischsoße, die noch deutlich häufiger zum Einsatz kommt als die ansonsten ebenfalls sehr populäre Sojasoße.
Rind und Schwein wird in Vietnam zwar gerne gegessen, aber keineswegs in den rauen Mengen, wie wir das in Europa tun – vielmehr ist Fleisch eher als eine herrlich gewürzte und überaus köstliche Beilage zu Reis, verschiedenen Dips und eben Gemüse zu verstehen. Geflügel und Meeresfrüchte werden zwar in größeren Mengen zubereitet und verzehrt (zumindest da, wo das Meer nah ist), aber auch hier ist es immer eher der Reis, der sättigt.
Rind? Höchstens mal als Brühe …
Rindfleisch zum Beispiel ist überhaupt kein Original-Bestandteil der typischen vietnamesischen Küche. Klar, wenn ein Wasserbüffel endgültig zu alt war, um noch in irgendeiner Weise für landwirtschaftliche Arbeiten herangezogen zu werden, dann wurde er schon geschlachtet und aufgegessen – als sozusagen alltägliche Proteinquelle kam Rind aber überhaupt nicht infrage, weil es dazu einfach viel zu wertvoll war.
Das änderte sich erst mit den französischen Kolonialherren, die nicht auf ihr Rindfleisch verzichten wollten und gegen Ende des 19. Jahrhunderts jede Woche ein paar Hundert Kühe aus Kambodscha importierten. War das Fleisch dann schließlich in Pfanne oder Kochtopf gelandet, blieben nur die Knochen und Fleischabfälle übrig, die zu Schleuderpreisen abverkauft wurden und die die historisch verbriefte Grundlage dafür bildeten, dass die weltberühmte „Phở“, eine klare Rindersuppe auf Basis von Knochen und Restfleisch mit Reisnudeln, irgendwann zu einem der Nationalgerichte Vietnams avancierte.
Green is beautiful
Koriandergrün, Lauch, Basilikum, Dill, Kresse, Schnittlauch, Minze, Gurke, Pak Choi, Spinat, Spargel, Limetten, grüne Chilis: Die berühmten „Green Vegetables“ sind nicht nur in Asien allgemein, sondern in Vietnam ganz besonders angesagt. Natürlich erfreuen sich auch Ingwer, Knoblauch, Karotten, Paprikas, Kokos und Chilis ganz allgemein großer Beliebtheit, aber ohne die „Great Greens“ geht hier so gut wie nichts. Übrigens sind auch Artischocken und Tomaten recht beliebt – ein weiteres Erbe der französischen Kolonialisten …
Ohne Reis geht gar nichts
Reis, gebrochener Reis, Reisnudeln, Reiskekse, Reismehl, Reispapier – ohne Reis geht nichts in Vietnam. Nehmen wir deshalb schnell mal die berühmten Röllchen aus Reispapier ins Visier, die so typisch für die Landesküche und wirklich vielfältig einsetzbar sind:
Die kalten Rollen mit rohen Zutaten werden Glücksrollen oder Sommerrollen genannt (eine beliebte Variation mit rohen Zutaten ist eine Mischung aus frischen Möhrenstiften, Reisnudeln, Mango, Minze, Limette und Sesamöl, abgeschmeckt mit Nuoc Nam – mit Shrimps oder Garnelen nennt man das Goi Cuón Tôm Thit oder auch Nem Cuón Tôm). Mit gedämpften Zutaten gefüllt lautet ihr Name Mandarinrollen und im Ganzen frittiert ergeben die Zutaten mit dem Reispapier die klassischen Frühlingsrollen, die im Norden „Nem Ran“ und im Süden „Cha Gio“ heißen.
Auf der Straße bekommt man die Rollen mehr oder weniger fertig auf die Hand, wenn man sich aber zum gemeinsamen Essen hinsetzt, dann steht die Tafel voller verschiedener Schälchen, in denen sich alle möglichen Zutaten befinden. Erst bei Tisch baut sich jeder Gast seine persönlichen Favoriten zusammen und umwickelt sie zum Abschluss mit dem Reispapier. Diese hübsche Tradition betont ausdrücklich den Stellenwert von Essen, das sehr stark auch als gesellschaftliches Geschehen verstanden wird (und zu verstehen ist).