Ernährungsformen sind auch Ansichtssache
Seit jeher gibt es diese Fragen, an denen sich die Geister scheiden, die endlose Diskussionen auslösen und an denen schon so manche Freundschaft zerbrochen ist. Berge oder Meer? Connery oder Craig? Sommer- oder Winterspiele? Beatles oder Stones? Wohin gehören die besseren Reifen – nach vorne oder nach hinten? Sie wissen schon, was wir meinen.
Fast allen diesen Disputen liegen ganz persönliche Anschauungen und Vorlieben zugrunde. So richtig rational sind sie kaum zu fassen und trotzdem erscheinen sie von solch entscheidender Bedeutung, dass wir plötzlich eine Leidenschaft für sie entwickeln, über die man eigentlich nur staunen kann.
Die Art und Weise, wie wir uns am besten ernähren sollten, macht da keine Ausnahme, und so mancher Anhänger der einen oder anderen Lehre legt gar ein missionarisch-heiliges Sendungsbewusstsein an den Tag, das das Zeug dazu haben kann, übers Ziel hinauszuschießen und im sozialen Umfeld durchaus ernst zu nehmende Nebenwirkungen zu entwickeln. Zumindest, wenn es um eher weltanschauliche Aspekte geht, unter denen sich nun einmal nicht alle Menschen des Planeten zuverlässig versammeln lassen.
Vegetarismus kennt viele Gründe
Bei Ambrosius war die Sachlage einigermaßen klar: Sein Weg zum Fleischverzicht hatte medizinisch-therapeutische Gründe. Andere Menschen dachten schon seit Tausenden Jahren darüber nach, wie richtig es wohl sei, harmlose Tiere zu töten, nur um sie zu verspeisen, wo es doch so viele Pflanzen gab, die sich eigentlich genauso gut für die Ernährung eigneten. Es gab religiöse Überlegungen, asketische, moralische, propagandistische, philosophische, gesellschaftlich-kulturelle und später dann natürlich noch ethische zum Tierrecht, zum Wert von Leben, zur Umweltbilanz und so weiter und so fort. Alle mit ihrer jeweiligen Berechtigung, alle mit ihrer jeweiligen Auslegung und alle auch mit größerer oder eben auch nicht ganz so großer Strenge.
Also kein Stress: Wenn Sie sich gerne mal wieder die Köpfe heißreden möchten – Sie sind ganz sicher nicht die Ersten und werden bestimmt nicht die Letzten sein!
Als sicher erwiesen gelten heute allerdings zwei Aspekte: Physiologisch ist der menschliche Körper als „omnivor“ ausgelegt, also als Allesfresser, und zweitens gibt es weltweit, soweit wir das wissen, kein einziges indigenes Volk, das aus kognitiv-kulturellen Erwägungen heraus freiwillig auf den Konsum von Fleisch oder Fisch oder tierischen Proteinen jedweder Quelle verzichtet. Diese beiden Streitthemen können Sie sich also schon mal schenken.
Vegetarismus ist eine persönliche Entscheidung
Natürlich ist es vollkommen klar, dass eine ausgewogene Ernährung die beste ist, also eine aus ziemlich wenig Fleisch und sehr viel Obst, Gemüse und Getreide, aber wer ein bisschen darauf achtet, was er zu sich nimmt, kann sich sehr gut – und aus jedem Grund, der ihm relevant erscheint – eben auch ohne tierische Zutaten ernähren.
Wie schon gesagt sind die weltanschaulich-ethischen Aspekte, die zur Entscheidungsgrundlage werden, ebenso persönlich wie nicht verallgemeinerbar – und das ist gut. Wer es schon einmal versucht haben sollte: Sie werden keinen Steakliebhaber, der sich ein- oder zweimal im Monat ein hochwertiges Rib Eye gönnt, mit Worten oder Taten dazu bewegen können, hiervon abzulassen – ebenso, wie es der Fleischfan kaum schaffen wird.
Welche fleischlosen Ernährungsformen es gibt?
Alle Formen vegetarischer Ernährung basieren auf pflanzlichen Lebensmitteln, wobei auch Pilze und Produkte aus Bakterienkulturen akzeptiert werden. Insgesamt unterscheiden wir zwischen vier grundsätzlichen Varianten:
- Die ovolaktovegetarische Kost bezieht Vogeleier, Eiprodukte, Milch und Milchprodukte von Säugetieren ein.
- Die laktovegetarische Kost schließt nur Milch und Milchprodukte von Säugetieren ein.
- Die ovovegetarische Kost wird lediglich durch den Konsum von Vogeleiern und Eiprodukten ergänzt.
- Die vegane Kost meidet alle Lebensmittel tierischen Ursprungs. Zusätzlich vermeidet strikter Veganismus tierische Produkte nicht nur in der Nahrung, sondern in sämtlichen Lebensbereichen, zum Beispiel Kleidung oder Produkte aus Leder, Pelz, Seide oder Wolle, tierische Organtransplantate oder Hormone. Er kann sogar die Haustierhaltung und die Verwendung von Reit- oder Arbeitstieren ablehnen.
Etwas weniger verbreitet sind die folgenden Varianten:
- Frutarier streben eine Ernährung mit ausschließlich pflanzlichen Produkten an, die nicht die Beschädigung der Pflanze selbst zur Folge haben (Äpfel und Nüsse sind in Ordnung, Karotten oder Kartoffeln zum Beispiel nicht).
- Pescetarier verzichten auf Fleisch, verzehren jedoch Fisch oder Meeresfrüchte. In manchen Quellen gelten sie als Vegetarier, in manchen nicht – wieder so eine Frage der Strenge der Auslegung.
- Puddingvegetarier ist eine Bezeichnung für Vegetarier, die zwar Fleisch und Fisch in ihrer Ernährung meiden, dafür jedoch übermäßig Fertigprodukte und Süßigkeiten zu sich nehmen, was wirklich keine besonders gute Idee ist.
- Last, but not least: die Flexitarier. Sie legen Wert auf eine ausgewogene Ernährung, genießen Fleisch oder Fisch allerdings nur in Maßen und auch nicht besonders oft. Hier spielen – neben der Lust am Genuss – oft auch tierethische und ökologische Aspekte eine große Rolle.
Berühmte Vegetarier
Ambrosius Hilzl war ganz sicher nicht der bekannteste Vegetarier der Welt und auch unser Doktor Bircher-Benner brachte es aus anderen Gründen zu Berühmtheit. Wenn Sie aber bei der nächsten Gelegenheit mit ein paar großen Namen glänzen wollen, dann bitte sehr:
Pythagoras, Leonardo DiCaprio, Plutarch, Leonardo da Vinci, George Bernard Shaw, Leo Tolstoi, Alexander von Humboldt, Kate Winslet, Johann Wolfgang von Goethe, Nadja Auermann, Friedrich Nietzsche, Richard Wagner, Franz Kafka, Dunja Hayali, Albert Schweitzer, Albert Einstein, Brigitte Bardot, Nikola Tesla, Paul McCartney, Mahatma Gandhi, Uma Thurman, Pink.
Unnötig zu erwähnen, dass jede und jeder Einzelne aus dieser kleinen und keineswegs vollständigen oder repräsentativen Liste eigene Gründe für den Vegetarismus gefunden hat. Könnten sie alle heute zusammensitzen und über das Thema diskutieren, würde man gerne mal Mäuschen sein …