Viele kleine, feine Sachen
Das vielleicht Allerschönste an Tapas ist die schier unglaubliche Vielfalt, in der sie gemacht, gebracht und genossen werden. Dieser Reichtum rückt sie zunächst einmal in die unmittelbare Nähe von Antipasti und Mezze, allerdings gibt es bei den Tapas einen kleinen, aber wichtigen Unterschied: Antipasti dienen eigentlich „nur“ als Vorspeise bei Menüs und der Genuss alkoholischer Getränke spielt bei den Mezze – wenn überhaupt – nur eine recht untergeordnete Rolle (mehr zur Familie der Tapas, Antipasti und Mezze finden Sie hier). Bei Tapas aber gilt: Wer es richtig macht, benötigt keinen Hauptgang mehr, und ohne alkoholhaltige Getränke braucht man eigentlich gar nicht erst anzufangen.
Entweder – oder? Von wegen …
Es ist ein bisschen wie die Sache mit dem Huhn und dem Ei: Sind nun die Weine, Biere und Spirituosen die Begleiter der Speisen, oder helfen die Speisen dem geneigten Genießer dabei, möglichst unbeschadet durch einen Abend zu kommen, bei dem die trinkbaren Genüsse im Vordergrund stehen? Schwer zu sagen, allerdings steht unumstößlich fest, dass die überaus gesellige Kombination aus kleinen herzhaften Köstlichkeiten und dem einen oder anderen schönen Kaltgetränk kaum zu schlagen ist.
In manchen Regionen vor allem in Spanien ist es durchaus üblich, kleine Snacks zu servieren, wenn Wein oder andere alkoholische Getränke geordert werden, und diese Tapas überhaupt nicht auf die Rechnung zu setzen. So gesehen liegt der Gedanke nahe, dass Tapas zum Wein gehören und nicht andersherum. Doch wer sich einmal den Spaß gegönnt hat, entspannt mit Freunden einen ganzen langen Abend von einer Tapas-Bar zur nächsten zu ziehen und dabei die alkoholartigen Getränke gemeinsam mit den essbaren Gaumenfreude zu genießen, der weiß, dass das eine ohne das andere eigentlich gar nicht vorstellbar ist.
Sehr zum Wohl
Wir befassen uns an dieser Stelle damit, wie sich das Gesamtkunstwerk „Tapas-Abend“ auf die Beine stellen lässt, weswegen wir uns nicht mit der Theorie, sondern mit der Praxis befassen wollen.
Genauso wichtig wie eine schöne große Auswahl an einzelnen Kleinspeisen ist ganz sicher die Vielfalt der Weine und Getränke, die angeboten werden sollen. Mit nur einem roten Wein, einem weißen Wein oder einer Sorte Bier werden Sie dem Tapas-Grundgedanken nicht wirklich gerecht, denn auch bei den Getränken geht es um möglichst viele Eindrücke und Geschmackserlebnisse. Betrachten Sie einen Tapas-Abend einfach als kulinarisch erweiterte Weinprobe und Sie kommen der Sache schon ziemlich nah.
Sehr praktisch ist es, wenn Sie Ihre Gäste im Vorfeld dazu ermuntern, ein paar Flaschen (verschiedener) Weine (oder Spirituosen) auszusuchen und mitzubringen, die Sie später dann in größerer Runde gemeinsam verkosten und genießen. Ähnliches gilt natürlich auch für den Fall, dass Sie Kinder oder Menschen, die keinen Alkohol trinken, zu Tisch bitten – in diesem Fall sind möglichst viele verschiedene Säfte, selbst gemachte Limonaden oder Wässer eine schöne Sache.
Weniger ist mehr
Wenn Sie es bei den Getränken ganz genau nehmen wollen und penibel darauf achten, dass alles nur in den richtigen Gläsern serviert wird, dann sollten Sie sich auf eine ziemliche „Materialschlacht“ einstellen, schließlich wird Sekt in anderen Gefäßen kredenzt als Rotwein, Weißwein, Port, Sherry, Bier oder auch Spirituosen. Das kann bei einer ausgiebigen Verkostung schnell ein bisschen zu viel der Guten werden. Tipp: Machen Sie einen Kompromiss und bieten Sie neutrale Gläser an, die sich mit möglichst vielen Getränken vertragen. Der Hinweis darauf, dass Tapas insgesamt ja eine recht rustikale Angelegenheit sind, hilft Ihnen und Ihren Gästen bestimmt an dieser Stelle weiter.
Ganz ähnlich sieht es mit den Esstellern aus. Grundsätzlich bieten sich eher die kleineren an und vielleicht noch ein weiterer pro Gast für Brot, Öl, Butter oder Ähnliches. Tun Sie sich den Gefallen und decken Sie nicht nach jeder Runde den Tisch neu ein.
Weil wir bei Tapas über viele einzelne, mundgerechte Imbiss-Happen reden, ist der Einsatz eines kompletten Satzes Besteck eigentlich überflüssig, Gabeln und kleine (!) Löffel reichen schon aus. Und ganz unverzichtbar sind natürlich Zahnstocher oder kleinere Holzspieße, mit denen Kenner und Könner höchst vergnügt und fast schon beiläufig ihre Speisehäppchen zum Mund führen (im Baskischen heißen Tapas „Pintxos“, was man mit „Aufgespießten“ übersetzen könnte).
Genug ist genug
Vielfalt geht deutlich über die Menge der jeweiligen Einzelportion. Rechnen Sie ganz pauschal pro Person zwei verschiedene Tapas, was bei fünf Gästen zwar zehn verschiedene Tapas-Gedecke bedeutet, diese werden allerdings mit allen anderen Gästen brüder- und schwesterlich geteilt. Natürlich bekommt nicht jeder Gast nur ein einziges Fleischbällchen, wenn Sie Albóndigas machen, oder eine Sardelle bei Boquerones fritos oder nur eine einzige Dátile con Bacon. Denken Sie einfach in Portionsgrößen und kochen Sie nicht so, dass eine Person von einer einzigen Tapa satt werden müsste.
Nur die Ruhe
Mindestens ebenso wichtig wie eine schöne Auswahl flüssiger Genüsse ist also die Bandbreite der verschiedenen Tapas selbst. In professionellen Tapas-Bars ist das Ganze keine große Sache, weil hier größere Mengen vor- und zubereitet und dann portionsweise ausgegeben werden. In der heimischen Küche sieht es aber meist anders aus, denn wer sechs Gäste einlädt und auch nur zehn verschiedene Tapas servieren möchte, der kann ganz schön ins Rotieren kommen. Wenn Ihre Gäste aber Freude daran haben, dann delegieren Sie ein paar Gänge und bitten Sie sie darum, bestimmte Tapas zu Hause vorzubereiten und zum gemeinsamen Genuss mitzubringen. Bei Ihnen müssen die Gerichte dann nur noch servierfähig auf entsprechende Schalen oder Teller verteilt werden.
Vorbereitung ist ein gutes Stichwort, denn wenn Sie eine Sache nicht wollen, dann ist das, alle drei Minuten von der Tafel aufzustehen, um sich in der Küche um die nächste Runde Tapas zu kümmern. Der ganz große Vorteil von Tapas ist allerdings, dass es sie kalt, lauwarm, heiß oder auch gegrillt gibt – ganz nach Wunsch der Gäste bzw. danach, was Sie als Gastgeber zu welchem Zeitpunkt auf den Tisch stellen möchten.
Klar, Sie KÖNNTEN auch alles auf einmal servieren, aber erstens wird Warmes dann schnell kalt und Kaltes warm, zweitens geht alles viel zu schnell und ist dann nur noch ein schnödes spanisch inspiriertes Abendessen (das in Spanien „Ración“, also „Ration“ heißt und eigentlich kein echter Tapas-Abend mehr ist) und drittens leidet auch der Überraschungseffekt unter der gleichzeitigen Opulenz, weil ja sozusagen schon von Anfang an alle „Karten“ auf dem Tisch liegen.
Immer schön der Reihe nach
Fangen Sie also mit kalten oder nach der Zubereitung wieder erkalteten Tapas an. Stellen Sie diese – sehr gutes Brot, gutes Olivenöl, Salz, Oliven und Käsewürfel in Schälchen gehören über den gesamten Abend hinweg übrigens unbedingt zur freien Verfügung auf den Tisch – schon zur Begrüßung bereit und stoßen Sie mit einem schönen Weißwein oder einem kleinen Sherry an.
Der Backofen ist Ihr bester Freund, weil sehr viele Tapas warm, aber nicht heiß serviert werden. Bereiten Sie die verschiedenen Tapas also in aller Ruhe vor und stellen Sie sie im Ofen warm, bis ihre Stunde gekommen ist und sie auf schönem Serviergeschirr ihren großen Auftritt haben. Alternativ können Sie gleich zu Anfang mehrere kalte und wenige warme Tapas kombinieren.
Übrigens werden auch heiß gebratene, gegrillte, gebackene oder frittierte Tapas nicht glühend heiß serviert, sondern ebenfalls eher warm – allerdings sollten sie nach dem Garprozess nicht allzu lange liegen, weil sie sonst ganz schön an Frische einbüßen. Sie sind in der Küchenlogistik also die letzten, die Sie machen, und mit die ersten, die Sie servieren.
Raus mit Ihnen
Sehr witzig, besonders bei milden Außentemperaturen höchst angenehm – und für den jeweiligen Gastgeber besonders entspannt – ist es, wenn Sie tatsächlich umherziehen und an bestimmten Destinationen bestimmte Spezialitäten genießen. Organisieren Sie einfach einen Tapas-Abend, an dem Sie der Reihe nach bei Ihren Freunden zu Hause „einkehren“ und dort jeweils nur ein paar wenige Tapas und ein paar kleine Gläser trinken: eintreffen, aufessen, leertrinken, weiterziehen. Neben dem reinen Spaß an der Sache verteilt sich die Küchenvorbereitung so auf mehrere Schultern, das Ambiente ist abwechslungsreich und ein bisschen frische Luft zwischendurch ist bestimmt auch keine schlechte Idee. Und falls Ihnen nach frisch Gegrilltem ist: Bei der letzten Station könnte man den Abend ja gut gelaunt am offenen Feuer ausklingen lassen ...