Süßigkeiten

Logisch: ohne Zucker keine Süßwaren, keine Bonbons, keine Schokolade. Vor allem weil die Erfindung des Rübenzuckers so lang auf sich warten ließ, kamen die süßen Versuchungen, die wir auch heute noch kennen und lieben, erst gegen Mitte des 19. Jahrhunderts auf. Hier ist also eine typische Erfolgsgeschichte und eine behördliche Zuordnung, die auch wir nicht ganz verstehen …

Wie süüüß!

Machen wir uns das Leben leicht und fangen wir einfach am Anfang an: Süßwaren oder auch Süßigkeiten sind keine Süßspeisen! Süßspeisen entstehen beim Koch, beim (Küchen)konditor oder beim Patissier, wohingegen die Süßwaren durch die fachkundigen Hände eines Zuckerbäckers oder Chocolatiers gehen.

Witzigerweise – und schon wird es ein bisschen unübersichtlich – zählen zu den üblichen Verdächtigen wie Bonbons, Gummibärchen, Schokolade, Kekse, Eis, Pralinen und Kaugummi auch Produkte, die alles andere als süß schmecken, nämlich der ganze Knabberkram von Chips über Flips und Salzgebäck bis hin zu Erdnüssen und Edelnüssen. Warum das so ist? Verraten Sie es uns, wir verstehen das auch nicht so ganz.

Ohne Zucker läuft hier gar nichts

Egal! Soll uns nicht weiter stören, wir stürzen uns jetzt voller Zuversicht auf die wichtigsten Süßigkeiten und verstehen nach anfänglichem Staunen, warum ihr weltweiter Siegeszug erst relativ spät eingesetzt hat: Es gab einfach keinen Zucker! Die einzige Pflanze, die natürlicherweise ausreichend Zucker enthielt, sodass sich seine Raffinierung gelohnt hätte, war sehr, sehr lange das Zuckerrohr, und selbst der aus ihm gewonnene kristalline Zucker war dermaßen teuer, dass er nur für extrem reiche Personen aus dem Adel oder aus dem Handel erschwinglich war. Auch Apotheker setzten ihn manchmal ein – aber nur, um den teils fürchterlichen Eigengeschmack ihrer Tinkturen und Rezepturen ein bisschen zu überdecken –, dazu etwas weiter unten mehr.

So richtig durchstarten konnten die Süßigkeiten erst nach der Erfindung der industriellen Raffinierung von Zuckerrüben Anfang des 19. Jahrhunderts, wodurch die Zuckerpreise fielen, die Mengen stiegen und Zucker zum leicht verfügbaren „Spielzeug“ der Köche und Bäcker wurde.

Natürlich mochten die Menschen schon immer den süßen Geschmack und wussten sich einigermaßen zu behelfen, nur der Zucker selbst war einfach nicht zur Hand, sodass die Römer Obststücke in Honig tauchten oder auf Dörrobst und Fruchtsirup setzten. Erst um 700 n. Chr. kam dann in Arabien das „Fanid Chsai“ auf, ein Vorläufer des Bonbons, der aus Zucker und Fruchtsaft bestand.

Wenn Sie mehr über die Geschichte des Zuckers wissen möchten, dann empfehlen wir Ihnen unsere Rubrik „Wissenswert“.

Bon! BON!

Bleiben wir kurz beim Bonbon, also dem französischen „Doppeltgut“, denn dessen Geschichte ist nicht nur spannend, sondern bringt uns auch beim Thema Schokolade weiter. Köln, 1839: Nach einigen Lehr- und Wanderjahren, die ihn unter anderem nach Paris geführt hatten, ließ sich ein junger Konditor im schönen Köln nieder und eröffnete eine Mürbebäckerei, die allerdings weniger Kekse, sondern vor allem Konfekt, Christbaumbehang, Marzipan und Schokolade herstellte und verkaufte.

Es lief auch wirklich alles nicht schlecht, allerdings war Köln schon damals eine Großstadt mit teils erheblichen gesundheitlichen Belastungen, viel Regen und durch die Nähe zum Rhein auch immer wieder mit reichlich kühler, feuchter Luft. Im Ergebnis litten viele Kölner unter Husten und sonstigen Atemwegsinfekten, gegen die nur von den Apothekern hergestellten Kräuterpräparate, Arzneien und Heilmittel halfen.

Gesundheit!

Schlau, wie unser Mürbebäcker war – er hieß übrigens Franz Stollwerck –, und mit dem Wissen, das er aus Paris mitgebracht hatte, experimentierte er ein bisschen mit Rübenzucker, Menthol, Pfefferminze und Eukalyptus herum, kam auf ein bombiges Rezept und produzierte ab 1841 Hustenbonbons, die „Stollwerck’schen Brustbonbons“. Und zwar im ganz großen Stil. Er war sogar dermaßen erfolgreich – und seine Zucker-Kräuterbonbons so hilfreich, dass er ein bisschen später von den Apothekern verklagt wurde: Seine Bonbons machten den Apothekern das Geschäft kaputt. Er gewann den Streit, stieg sehr schnell zum deutschen Bonbon-Baron auf und wurde wahnsinnig wohlhabend und unglaublich erfolgreich. 1855 zum Beispiel – davor war er allerdings schon mal kurz in die Insolvenz gerasselt, aber wieder herausgekommen – war er auf der Weltausstellung in Paris der einzige deutsche Teilnehmer überhaupt, der eine Medaille erhielt: für seine Hustenbonbons …

Plötzlich in aller Munde

Natürlich legte er nicht alle Eier in einen Korb und war über all die Zeit auch seiner Schokolade, seinem Konfekt und seinem Marzipan treu geblieben, sodass er ziemlich gut aufgestellt war. 1866 schließlich stiegen drei seiner Söhne (er hatte immerhin 13 Kinder) in das Unternehmen ein, von denen uns an dieser Stelle vor allem Heinrich zu interessieren hat. Heinrich war nämlich Maschinenbauer und meldete 1873 das Patent für eine ganz bemerkenswerte Maschine an, die die Schokoladenherstellung revolutionieren sollte.

Ein ganz entscheidender Schritt bei der Erzeugung von Schokolade ist nämlich das Mahlen und Vermischen der Einzelzutaten Kakao, Zucker, Michprodukte und gegebenenfalls Kakaobutter. Ziel ist es dabei, eine Masse zu erhalten, deren größte Partikel allerhöchstens 20 Mikrometer (10 sind besser) aufweisen – nur so kann die Schokolade später so richtig schön im Mund schmelzen und quasi komplett flüssig werden, ohne dass die Zunge auf irgendwelche festen Bestandteile stoßen würde. Unser Ingenieur Heinz Stollwerck hatte eine Walzvorrichtung gebaut, die das tatsächlich schaffte. Und damit nicht genug, konnte sein „Fünfwalzenwerk“ die doppelte bis vierfache Menge in derselben Zeit schaffen und war damit allen Konkurrenten um Lichtjahre voraus.

Gigantisch

Jetzt wurde die massenhaft hergestellte Schokolade zum Verkaufsschlager, das Unternehmen durfte sich fortan „Kaiserlich-Königliche Hof-Chocoladen-Fabrik Gebr. Stollwerck“ nennen, 1912 hatte Stollwerck über 5.600 Mitarbeiter und beanspruchte für sich, „die größte Schokoladen-, Kakao- und Zuckerwaren-Firma der Welt“ zu sein. Dann kamen die großen Kriege, der Zucker wurde knapp und die Blütezeit neigte sich erst einmal ihrem Ende zu.

Sollten Sie aber mal in Köln sein, dann statten Sie ruhig dem wunderschön am Rhein gelegenen Schokoladenmuseum einen Besuch ab – es ist das würdige Erbe der Stollwercks und des späteren legendären Schokoladen-Königs Hans Imhoff …

Süßkram zum Angeben

So, schnell noch ein paar Zahlen und Fakten zu all dem Süßkram: Die deutschen Männer schaffen um die 55 Gramm pro Tag und die Frauen – gar nicht so weit abgeschlagen – immerhin 48. Pro Jahr produziert Deutschland um die vier Millionen Tonnen Süßwaren und setzt etwa zwölf Milliarden Euro damit um.

Und ob Sie es nun glauben oder nicht: Tatsächlich ist Deutschland der weltweit größte Exporteur von Schokolade. Selbst Belgien schafft es nur auf Platz zwei und die Schweiz? Zehnter! Ein bisschen anders sieht es allerdings beim Pro-Kopf-Verzehr aus: Hier liegt die Schweiz mit fast zehn Kilo pro Jahr auf dem ersten Platz, Deutschland schafft es mit knapp neun Kilo auf Platz zwei und Bronze geht – wer hätte das jetzt wieder gedacht? – an Estland.

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