Spinat

Bei genauer Betrachtung könnte man die Form eines Spinatblattes durchaus für die maritime Überschrift hernehmen, schließlich sieht das wirklich ein bisschen wie ein Segel aus. Wir machen das aber anders und befassen uns mit dem vielleicht berühmtesten Matrosen aller Zeiten. Und das ist nicht Jack Sparrow, der ja immerhin Captain war, sondern ein lustiger Kerl mit gewaltigen Unterarmen …

Kann ja mal vorkommen

Irren ist menschlich: Eigentlich ist das keine besonders gute Ausrede, denn gerade den Wissenschaftlern sollte man schließlich glauben und vertrauen können. Aber tatsächlich sind die ja auch nur Menschen und deshalb ist – ganz logisch – sogar die Wissenschaft nie ganz ohne Fehler …

Und so kommt es dann immer wieder mal zu – manchmal belustigenden, manchmal dramatischen – Fehlannahmen, Missverständnissen, Fehlkalkulationen und natürlich: Mess- und Schreibfehlern. Wie gesagt sind einige dieser wissenschaftlichen „Blooper“ einfach nur lustig, andere gefährlich und wiederum andere bescheren uns Dinge, die wir sonst so vielleicht gar nicht gehabt hätten. Dazu aber weiter unten mehr. Zunächst einmal wollen wir an dieser Stelle unbedingt ein paar dieser inhaltlichen Kapriolen mit Ihnen teilen, nicht zuletzt, weil Schadenfreude ja nun mal eine der schöneren Freuden ist.

Die Brückenbauer

Begeben wir uns also zuerst nach Laufenburg im äußersten Süden Deutschlands, in ein Städtchen, das sowohl deutsch als auch schweizerisch ist. Um den Straßenverkehr zwischen den beiden Ländern zu erleichtern, sollte dort 2003 eine neue, zusätzliche Verkehrsbrücke über den Rhein entstehen, was zunächst einmal eine ganz ausgezeichnete Idee war. Ein Schweizer Ingenieurbüro wurde beauftragt, die Planung für das neue Bauwerk zu übernehmen und schon kurz darauf stieß man auf ein erstes wirklich ernstes Problem, nämlich den unterschiedlichen Höhenbezug auf beiden Seiten des Flusses und somit der Landesgrenzen: Die deutsche Seite der Brückenbaustelle benutzte als Referenz nämlich den „Amsterdamer Pegel“, also Meter über Normalnull, während sich die Schweiz anhand des „Repère Pierre du Niton“ bei Genf auf Meter über Meer bezog. (Uns Laien will natürlich zwar so gar nicht in den Kopf, dass es mehrere verschiedene Höhen über Normalnull geben soll, aber nun gut …) 

Auf jeden Fall ergab sich aus dieser Kuriosität, dass die Brücke von der deutschen Seite kommend schlussendlich einen Höhenunterschied von plus 27 Zentimetern haben würde, der – und die Idee war gar nicht so dumm – durch eine planmäßige Erhöhung des Widerlagers um 27 Zentimeter auf schweizerischer Seite ausgeglichen werden sollte.

Tja, und dann ist irgendjemandem zu allem Unglück noch ein Vorzeichenfehler unterlaufen (also Minus statt Plus), der dazu führte, dass die Differenz nicht auf null gesenkt wurde, sondern sich – ganz im Gegenteil – auf 54 Zentimeter vergrößerte. Nun gut, Papier ist geduldig und immerhin haben die Bauleute den ganzen Käse im letzten Moment noch gerade rechtzeitig bemerkt und ein paar korrekte Baupläne verfasst. Aber knapp war das schon.

Die Schiffsbauer

Und dann war da die „Vasa“. Die Vasa, das prachtvolle, brandneue Flagg- und Kriegsschiff und der ganze Stolz der schwedischen Flotte, stach 1628 zum allerersten Mal in See – und sank knapp 1.300 Meter (ja, Meter, nicht Kilometer) später auf den Grund des Hafenbeckens. Insgesamt hatte ihre Jungfernfahrt keine 20 Minuten gedauert.

Dabei war vorher schon, bei den ersten Proben sozusagen, aufgefallen, dass das Schiff alles andere als stabil im Wasser lag. Klas Fleming, seines Zeichens Vizeadmiral und der Chef der Flotte, ließ zum Beispiel einmal 30 Mann Besatzung von einer Seite des Schiffes zur anderen laufen, um ebendiese Stabilität zu testen. Dabei kam die Vasa dermaßen ins Schwanken, dass man entschied, den Versuch besser abzubrechen, damit kein Unglück passierte. 

Tja … obwohl die Topplastigkeit (oben viel zu schwer und unten entschieden zu leicht) des Schiffes wohlbekannt war, stach sie schließlich am 10. August zu ihrer Jungfernfahrt in See bzw. in Hafen. Der Rest ist Geschichte, die man heute in einem wirklich empfehlenswerten Museum in Stockholm bestaunen kann.

Nur: Wie genau war es jetzt eigentlich zu diesem Unglück gekommen? So ganz sicher kann man wohl keinen einzelnen Schuldigen dingfest machen, aber sowohl die Topplastigkeit als auch ihre viel zu geringe Breite haben zum Untergang der Vasa beigetragen. Und dann – und das ist wirklich lächerlich – wird heute vermutet, dass beim Bau vor allem des Rumpfes uneinheitliche Maße und Maßwerkzeuge zum Einsatz gekommen waren. Archäologen fanden insgesamt vier von den Schiffsbauern benutzte Lineale, die allesamt nach unterschiedlichen Maßen kalibriert waren – unter anderem nach schwedischem Fuß mit einer Länge von zwölf Zoll und nach Amsterdamer Fuß, der blöderweise elf Zoll entsprach …

Ahoi!

Und so kommen wir schließlich zu Popeye, dem möglicherweise bekanntesten Matrosen der Welt. Ohne ihn hätten wir den Verzehr von Unmengen Spinat als Kinder vielleicht nur halb so gut verkraftet – immerhin bestand ja eine zumindest theoretische Aussicht darauf, unfassbar stark, gesund und mutig zu werden. Alles dank des Spinats, dieses unglaublich eisenhaltigen Gemüses.

Och, nööö!

Das Gerücht um den sensationell hohen Eisengehalt von Spinat hat sich wirklich lange wirklich hartnäckig gehalten. Und eigentlich war es gar kein Gerücht, sondern ein ganz einfacher Schreibfehler, der dazu führte, dass Spinat zum wahrscheinlich ersten Superfood erkoren und in rauen Mengen in wehrlose Kindermünder geschaufelt wurde. Erich von Wolf, deutscher Chemiker, untersuchte 1870 den Eisengehalt diverser grüner Gemüsesorten. Beim Übertragen der Zahlen unterlief ihm aber leider ein Dezimalstellen-Fehler – anstatt der 3,5 mg pro 100 g wurden so 35 mg pro 100 g daraus, und als die Zahlen publiziert wurden, wurde der Eisengehalt des Spinats praktisch über Nacht legendär.

Jetzt aber schnell …

Erst 1937 (immerhin 67 Jahre später) wurde der Fehler ganz offiziell korrigiert, aber bis dahin hatte sich die Fehlinformation dermaßen im kollektiven Gedächtnis verankert, dass ihr irgendwie nicht beizukommen war. Das renommierte „British Medical Journal“ sah sich 1981 (nun schon 111 Jahre später) dazu genötigt, einen offiziellen Artikel herauszugeben, um den Tippfehler zu korrigieren und den falschen Annahmen bezüglich des Spinats endgültig ein Ende zu setzen.

Lecker und trotzdem gesund

Viel Eisen, wenig Eisen – ist eigentlich egal, denn auch ohne Superhelden-Eigenschaften ist Spinat ein leckeres und wirklich gesundes Gemüse. Er stammt ursprünglich aus Persien, gehört zur Familie der Fuchsschwanzgewächse und ist somit sowohl mit Rüben als auch mit Quinoa verwandt.

Er ist reich an Vitaminen und Antioxidantien, insbesondere finden sich gute Konzentrationen an Vitamin A, C und K. Einen relativ hohen Eisengehalt hat er übrigens schon – zum Beispiel fast doppelt so viel wie ein Rindfleischburger bei gleichem Gewicht –, allerdings blocken sogenannte Oxalate im Spinat die Absorption des Eisens in unserem Körper und machen es vollkommen wirkungslos.

Ha!

Es gibt aber auch eine sehr gute Nachricht in Sachen Spinat und die hat ganz und gar nichts mit Eisen zu tun: 2019 fanden Forscher der Freien Universität Berlin heraus, dass Spinat reich an Ecdysteron ist, einem pflanzlichen Steroid. Es wirkt auf Muskelzellen ein und ist in der Lage, die athletische Leistung von Sportlern beeindruckend und deutlich messbar positiv zu beeinflussen (wenn man denn so um die vier Kilo Spinat pro Tag isst). 

Also gut: Lang lebe Popeye!

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