Nutzung von Soja
Ganz ruhig bleiben
Heavy Metal, Blutwurst, Spinnen, Motorradfahrer, Veganismus: Wir kennen jede Menge Beispiele, bei denen bereits die Erwähnung des Begriffs reflexhafte Schnappatmung, innerliche Erregung und gerne auch enorme Pauschalisierungen auslöst. Auch das Thema „Soja“ gehört in diese Gruppe; auch hier kommen viele Argumente oft mit einer gehörigen Portion (un)gesundem Halbwissen und mit einem schönen Anteil unmittelbarer Verteufelung. Sehen wir uns die Sache mit den Kraftbohnen also mal etwas genauer an und schauen wir, was sich da machen und lernen lässt.
Was denn nun?
Ein ziemlich beliebter Partystreit ist ja derjenige, dass Vegetariern und Veganern von den Fleisch essenden Leuten gerne vorgeworfen wird, der Regenwald Brasiliens falle ihrem enormen Bedarf an Tofu, Sojamilch oder auch Sprossen zum Opfer, worauf die fleischlos lebenden Personen dann gerne antworten, dass ganz im Gegenteil Soja schließlich als Futter für diejenigen Tiere angebaut werde, die dann später auf den Tellern der Fleischesser landen. Und jetzt? Na ja, da haben wohl beide nicht so richtig recht, denn was wir heute ganz allgemein und auf Partys im Besonderen unter Sojanutzung verstehen, entspricht nicht unbedingt den Tatsachen.
Echt jetzt?
Erstens liegen die Wurzeln der Soja in Asien, wo die Hülsenfrüchte bereits seit mindestens 9.000 Jahren genutzt und seit mindestens 5.000 Jahren gezielt gezüchtet und kultiviert werden. In Brasilien kamen sie – zweitens – erst in den 1970er-Jahren an. Damit bilden sie dort ein ziemliches Schlusslicht, weil zum Beispiel die USA zu diesem Zeitpunkt schon längst (also ungefähr seit 1925) riesige Mengen angebaut hatten. Lassen wir die erzeugten Mengen an Sojasoße, -milch und Tofu für den asiatischen Markt mal kurz weg (das können wir ruhigen Gewissens an dieser Stelle machen, weil hierfür nur ein sehr geringer Anteil des Sojaanbaus erforderlich ist) und staunen wir lieber ein bisschen darüber, dass Soja sich zunächst einmal gar nicht unbedingt als Lebensmittel anbot, sondern als Ölquelle.
Nie im Leben
Und mit dem Öl ist nicht einmal das auch heute noch in den USA besonders beliebte Sojaöl (oder auch die Margarine) gemeint, also das Lebensmittel. Die Ursprünge des kommerzialisierten Großanbaus lagen im Hunger der chemischen Industrie und hier ganz besonders bei Unternehmen, die sich auf die Herstellung von Farben, Firnissen oder auch Spachtelmassen spezialisiert hatten – noch heute werden um die 75 % aller Tageszeitungen in Nordamerika mit Druckfarben auf Sojabasis gedruckt. Und Henry Ford nahm sich des bei der Pressung als Abfall anfallenden Sojamehls an und machte es zu einer Art Plastik, das er mit Begeisterung in seinen Autos verbaute. Später kam dann die Raffinierung zu Biodiesel ins Spiel und auch die Kosmetikindustrie lernte das Sojaöl sehr zu schätzen.
Man sollte sich also vor Augen halten, dass der Anbau von Soja als Lebens- oder Nahrungsmittel im großen Stil erst einmal eine wirklich untergeordnete Rolle spielte: Erstens sind die Hülsenfrüchte in rohem Zustand giftig und zweitens rochen die ersten gewonnenen Öle stark und verdarben schnell, solange man nicht besonders ausgefuchste chemische Verfahren fand.
Abfallwirtschaft
Das Öl also: Einer der großen Vorteile der Sojabohne ist ihr von Natur aus enormer Gehalt an Fetten, hier bringen es die Samen auf stattliche 20 % (beim Protein sieht es noch besser aus, hier reden wir von um die 35 %). Dazu kommt, dass seine Gewinnung denkbar einfach ist, weil man die reifen Früchte schlichtweg in aller Ruhe auspressen kann. Die sind übrigens, wie auch Erbsen, steinhart und können mit denselben Mähdreschern geerntet werden, die auch den Weizen von den Feldern holen. Danach bleibt man zwar auf gewaltigen Mengen an Soja-Presskuchen sitzen, aber eigentlich ist auch das keine schlechte Sache, denn wenn man den dann abkocht, um die bereits erwähnten Giftstoffe loszuwerden, ist dieser „Abfall“ ein hochwertiges und relativ günstiges Futtermittel.
Sie merken es, oder? Soja wird gar nicht als Futterpflanze angebaut, sondern die Abfälle aus der Ölproduktion nur für Tierfutter verwendet. Es stimmt zwar, dass 80 % der weltweiten Ernte als Futtermittel zum Einsatz kommen, aber dazu sollte man wissen, dass diese Menge ziemlich genau derjenigen entspricht, die nach der Ölgewinnung von den Früchten noch übrig bleibt. Für den direkten Verzehr durch Menschen fallen gerade einmal 2 % bis allerhöchstens 5 % der Ernte an. Die Vegetarier und Liebhaber der asiatischen Küchen unter uns haben also mit dem globalen Sojaproblem rein gar nichts zu tun.
Soja in der Küche
Guten Appetit!
Die bedeutenden Anteile von Fetten und Proteinen prädestinieren Soja als hochwertiges Nahrungsmittel – die Qualität des Sojaproteins ist mit der von tierischem Eiweiß vergleichbar, was die Sojabohne merklich von anderen Pflanzen abhebt. Allerdings muss alles, was später verzehrt werden soll, sei es nun von Mensch oder Tier, unbedingt für mindestens 20 Minuten gekocht werden, um die Giftstoffe loszuwerden. Das macht den Einsatz in der Küche ein bisschen umständlich und hat letzten Endes dazu geführt, dass man weniger die Bohnen selbst (Stichwort Edamame), sondern eher das Öl, die Milch oder den klassischen Tofu genießt, die aus Soja gewonnen werden.
In fermentierter Form sind besonders Miso, Tempeh, Nattō oder Yuba und dessen Variante Bambus verbreitet und zu einem sehr geringen Anteil wird Sojamehl auch in Form von texturiertem Soja als Fleischersatz verwendet („Sojafleisch“, „Sojaschnetzel“, Fachbegriff: Textured Vegetable Protein, TVP).
Auch das noch
Das, was wir mit unserem schon erwähnten gesunden Halbwissen übrigens so gerne Sojasprossen oder Sojasprossen-Keimlinge nennen, hat mit Soja absolut gar nichts zu tun. Die entsprechenden Sprossen stammen von der Mungbohne (und übrigens auch nicht von einer Mungobohne – Mungos sind kleine Raubtiere mit langem, schlankem Körper und kurzen Gliedmaßen).
Und wenn wir schon dabei sind – aber das ist bitte nicht als Rechtfertigung zu verstehen, sondern soll nur der Horizonterweiterung dienen: Das von Brasilien exportierte Soja (um die 100 Millionen Tonnen im Jahr) geht fast zu 100 % nach China, das mit seinen mickrigen 16 Millionen Tonnen Eigenertrag schon auf Platz vier der Weltrangliste steht.