Die verschiedenen Lebensmittelkonsumenten
Das kulinarische Sixpack
Da sind zunächst die sogenannten Core Food Culturists, die sich als Pioniere einer neuen Konsumentenmacht sehen. Sie interessieren sich sehr für Lebensmittel, ihre Herstellung und alle möglichen (und unmöglichen) Zubereitungstechniken und kochen sehr gerne selbst. Sie scheuen bei ihrer Jagd nach hervorragenden Produkten kaum Kosten, Zeit und Mühe – und vor allem ist es ihnen wichtig, ihre Erkenntnisse möglichst anspruchsvoll und teilweise ganz schön manieriert online zu veröffentlichen. Core Food Culturists sind schon sehr nah am Lifestyle anzusiedeln.
Die kommen uns schon eher bekannt vor: Classical Gourmets haben großes Interesse an edlen Produkten und guten Restaurants und gehen lieber essen, statt selbst zu kochen. Essen und Trinken sind für sie immer auch Statussymbol, daher darf es auch etwas (oder richtig viel) mehr kosten. Der Guide Michelin oder Hochglanz-Magazine wie „Falstaff“ sind ihre ständigen Begleiter. Kulinarische Kriterien spielen auch bei der Reise- und Urlaubsplanung der Gourmets eine große Rolle. Ihr unbestrittener Genuss- und Geltungsdrang drückt sich eher im Restaurant und im Freundes- und Bekanntenkreis aus.
Foodies dagegen gehen es etwas gelassener an und stellen eher die Qualität ihrer Zutaten in den Mittelpunkt des Interesses als die jeweilige Kapazität ihrer Kreditkarten. Ein bisschen wie die Core-Food-Leute schätzen sie die Konsumentenmacht in ihrem Alltag und kochen gerne und oft. Hierbei sind ihnen möglichst frische, unverarbeitete und/oder biologische Lebensmittel besonders wichtig. Foodies verstehen zu genießen, ohne Unsummen hierfür auszugeben und wochenlang an einer bestimmten Speisenfolge oder an einem Rezept zu tüfteln. Im Gegensatz zu Core Food Culturists verfassen sie keine großen Food-Blogs – sie lesen sie eher.
Sensitive Eaters: Ihr besonderes Interesse an Lebensmitteln ist nicht in erster Linie kulinarisch motiviert, bei ihnen ist eher das Problembewusstsein in Bezug auf ihre Ernährung ausgeprägt. Sie teilen Lebensmittel oft in „gut“ und „böse“ ein und wählen ihr Essen danach aus, ob es ihrer Gesundheit (oder der des Planeten) dient oder nicht. Hierbei spielen objektive (Allergien) und/oder subjektive und moralische Kriterien (Tierwohl, Ökologie) eine wichtige Rolle.
Die Convenience Eaters nehmen eine gewisse Zwischenposition ein: Einerseits essen sie sehr gerne gut, andererseits sind sie der Meinung, dass die Zubereitung von Speisen möglichst schnell und unkompliziert vonstattengehen soll. Sie reiben gerne einen sehr guten Parmesan frisch über ihre erstklassige Pasta, das Pesto dazu darf aber auch aus dem Glas kommen. Auch TK-Gemüse, fertig geschnittene Zwiebeln oder Knoblauch aus der Tiefkühlung stellen sie vor keine großen kulinarischen Probleme. Frischfleisch ist okay, der Fisch dagegen darf ruhig aus der Truhe sein.
Über die Eat Their Fillers gibt es nicht viel zu berichten, außer dass ihre Ernährungsweise wahrscheinlich nicht die gesündeste ist. Bei ihnen gilt: Hauptsache, satt. Sie wollen vor allem viel, schnell und billig essen – darüber hinaus spielen das Essen, seine Herkunft, die Zubereitung oder sein Nährwert kaum eine Rolle für sie.
Soft-Health-Esser
Ganz ruhig bleiben!
So. Jetzt haben wir die sechs Gruppen kennengelernt und können uns endlich den Soft-Health-Essern zuwenden, die ja den inhaltlichen Schwerpunkt dieses Textes bilden. Sie sind – gerade wenn man sich ihre Kollegen von weiter oben ansieht – nämlich eine ganz erstaunliche Spezies: Erstens unterlassen sie zunächst einmal ziemlich konsequent die Grenzziehung zwischen richtig und falsch, gut und böse, gesund und ungesund und angesagt und nicht angesagt. Dementsprechend undogmatisch gehen Soft Healther an die Sache heran: Fleisch und Fisch sind keineswegs tabu, wenn die Tiere möglichst regional und naturnah aufgezogen wurden. Sie würden auch keine Pommes ablehnen, wenn die Kartoffeln vom Feld um die Ecke kommen und das Frittierfett von guter Qualität ist (und wenn es sie nicht dreimal die Woche gibt).
Ihre „ideologischen Wurzeln“ liegen beim Health Food, was nichts anderes bedeutet als gesundes Essen: Der richtige Nahrungsmittelmix versorgt den Körper ganz automatisch und auf ausgewogene Weise mit den richtigen Nährstoffen – Kohlenhydraten, Fetten, Proteinen, Vitaminen, Ballaststoffen, Spurenelementen und Mineralien. Allerdings sollte man schon wissen, was in welchen Mengen gut für einen ist und welche Zutat wieviel wovon enthält. Und das kann ganz schön in Arbeit ausarten.
Entspannt euch!
Dazu kommt, dass das Thema gesunde Ernährung oft mit Verboten und strikten nährstoff- und kalorienbezogenen Regeln verbunden wird – was ja alles andere als ein beglückendes, sinnliches Erlebnis verspricht. Das Credo der Soft-Health-Freunde geht darum in der Sache einen kleinen, aber entscheidenden Schritt weiter (denn auch Astronautennahrung aus der Quetschtüte ist schließlich ausgesprochen gesund) und postuliert „Gesund: ja, aber bitte mit Genuss“. Ihnen geht es vor allem eben nicht um Tabellen, Verbote, Dogmen, Diätvorschriften, Kalorienzählen oder eine besonders vitamin- und ballaststoffreiche Ernährung. Gesund bedeutet für sie: Frische, Ausgewogenheit und Vielfalt, wenig Fleisch, viel Obst, Gemüse und Getreideprodukte – und das Ganze in Form möglichst einfach nachzukochender Gerichte.
Sich gesund zu ernähren funktioniert nach Ansicht der Soft-Health-Freunde also völlig entspannt und unverkrampft – Essen soll und kann Spaß machen, vor allem, wenn man vielfältige, natürliche und am besten regional produzierte Lebensmittel der Saison reichlich in seine Ernährung einbezieht: Gemüse, Hülsenfrüchte, Rüben, Obst, Getreide, Milchprodukte, Öle und Proteinquellen – je bunter, je vielfältiger, desto besser.
Anders gesagt lautet der Leitsatz der Soft Healther: Unsere saisonal und regional verfügbaren Nahrungsmittel enthalten alles, was wir für eine gesunde, ausgewogene, vielfältige und auch sehr leckere Ernährung brauchen – zumindest, wenn sie gut erzeugt und angebaut werden. Wir brauchen sie einfach nur in entsprechender Bandbreite und Menge zu essen, damit wir nicht andauernd irgendetwas ausrechnen oder abwiegen müssen.
Geht doch!
Und wenn Ihnen das Ganze jetzt irgendwie bekannt vorkommen sollte: Sie haben vollkommen recht! Unsere Altvorderen haben sich – vorausgesetzt, sie hatten Zugriff auf die Produkte – genau so ernährt. Viele verschiedene Suppen, Eintöpfe, reichlich gekochtes, gegrilltes, gebratenes Gemüse, gutes Brot, Haferflocken, Kartoffeln, Nudeln, Milch, Butter, Käse, Sahne, Joghurt, im Sommer und Herbst viel Obst, ein bisschen Wurst und Speck hier und da, vielleicht ein Ei von Zeit zu Zeit, regional, saisonal, frisch, bunt, vielfältig. Und Fleisch, Fisch, Geflügel? Kam höchstens einmal die Woche auf den Tisch: Omas Küche eben.
So gesehen gehen die Soft-Health-Esser eigentlich nur mit einer neuen Bezeichnung wieder zurück auf Anfang. Auch nicht schlecht.