Schwarzer Holunder

Dass der Schwarze Holunder eine sehr gesunde Pflanze mit erstaunlichen Heilkräften ist, wissen die meisten von uns – und sei es nur, weil das schon die Oma immer gesagt hat. Allerdings gibt es noch viel mehr zu entdecken, wenn man sich genauer mit dem wohlriechenden Gewächs beschäftigt. Wir treffen die römische Venus, haben eine Verabredung mit Frau Holle und verstehen endgültig, woher unser Freitag seinen Namen hat.

Drei Göttinnen, ein Strauch: Schwarzer Holunder

Das muss schon eine ziemlich besondere Pflanze sein, die es schafft, gleich drei hochrangige nordische Göttinnen für sich zu gewinnen. Bei Holla, die uns als Frau Holle besser bekannt ist, liegt das Ganze recht nahe, weil schon die Namen einander so ähnlich sind. Die Waldfee Holla galt in der nordischen Mythologie als Wächterin der Quellen und Brunnen und wenn sich früher ein Landwirt Sorgen um die Ernte des kommenden Jahres machte, dann begab er sich zu einem Hollerbusch, also zu einem Holunderbusch, und bat die sich gerade darin befindende Herrin um Fruchtbarkeit für die Felder. Und wenn man schon mal da war, dann warf man besser auch gleich noch einen Blick auf die Blütenstände, die Dolden des Holunders, weil man an ihnen zuverlässig ablesen konnte, wie die kommende Ernte im Allgemeinen wohl ausfallen würde.

Überhaupt scheint der Holunder – und wenn wir den Begriff verwenden, dann ist damit immer der Schwarze Holunder gemeint, der der häufigste Vertreter seiner Art in Mittel- und Nordeuropa ist – die Fantasie der Altvorderen beflügelt zu haben, was Fruchtbarkeit, Leben, Mutterschaft, Liebe und Ehe anbelangt. Schon die Griechen und Römer waren davon überzeugt, dass im Holunder die guten Geister wohnen, weswegen sie sich sehr gerne einen in den Garten pflanzten: Sicher ist schließlich sicher. 

Aber zurück in den Norden, weil uns ja noch zwei holunderaffine Göttinnen fehlen. Da ist zunächst einmal Freya, die bei den Nordleuten in etwa den Rang der Venus der Römer bzw. der Aphrodite bei den Griechen innehatte: Sie war also für Lust und Laune zuständig – und zu allem Überfluss auch noch für die Ehe, also für Haus und Hof. In der nordischen Mythologie ist ihr ständiger Wohnsitz ein Holunder, von dem sie sich nur zur persönlichen Zerstreuung oder aus dienstlichen Gründen wegbewegte.

Nummer drei: Frigg ist die Gattin vom Chef, also mit Odin verheiratet, was sie zur wichtigsten weiblichen Gottheit in diesen Erzählungen macht und ihr jede Menge Sonderaufgaben auferlegte. Frigg war gleichzeitig Schutzgöttin der Ehe, des Lebens und der Mutterschaft, Himmelskönigin, Hüterin des Herdfeuers und des Haushaltes. Ein bisschen überschneiden sich ihre Aufgaben also mit denen von Freya, aber weil es wohl ordentlich viel zu tun gab, war eine gewisse Arbeitsteilung bestimmt keine schlechte Sache. Und Friggs ausdrückliche Lieblingspflanze war natürlich – der Holunder. 

Übrigens ist Frigg auch diejenige, der wir unseren Freitag zu verdanken haben: Eigentlich ist dieser Tag zwar Venus, der Liebesgöttin, also so gesehen Freya, gewidmet, sprachlich allerdings ist es dann auf einigen Umwegen tatsächlich Frigg, auf die der Freitag zurückgeht. Seltsam, dass sich die beiden hohen Damen nie darüber gestritten zu haben scheinen …

Der Holunder und der Hut

Insgesamt also galt der Holunder grundsätzlich als Sitz guter Geister und hatte so einige Schutzfunktionen zu bieten (er sollte zum Beispiel auch vor Mückenstichen und Schlangenbissen, Feuer und Blitzeinschlag schützen), weswegen der Volksmund sagte, dass man unbedingt seinen Hut zu ziehen habe, wenn man an einem Holunderbusch vorbeikam. 
Und wenn Sie das auch noch interessiert: Der Holunder gilt als sogenannte Zeigerpflanze des phänologischen Kalenders. Wenn seine Beeren reif werden, beginnt der Herbst. Und das ist auch gar nicht so falsch, weil der Schwarze Holunder im langjährigen Jahresmittel um den 1. September reift, dem Datum für den meteorologischen Herbstbeginn.

Der Schwarze Holunder und das Jahr

Die ihr zugeschriebenen positiven Eigenschaften haben gewiss sehr viel damit zu tun, dass die Pflanze als ausgesprochen robust und winterhart gilt, dass der Duft ihrer Blüten so betörend ist (Holunder zählt zur Familie der Moschuskrautgewächse), dass ein Holunderstrauch gut und gerne 100 Jahre alt werden kann und leicht und locker sieben bis zehn Meter hoch wird. Auch dass sich seine Blätter sehr früh im Jahr zeigen, im März oder April, und ziemlich lange vor den Blüten auftreten, kann hier mitspielen. Die Blütezeit selbst erstreckt sich von Mai bis in den Juli und die unzähligen Beeren werden im August und September reif. Der Holunder war und ist im Grunde nichts anderes als ein über das Jahr sehr lange präsenter Lebensbaum.

Schwarzer Holunder und Aberglaube 

Allerdings versprach man sich von einem solch kraftvollen Gewächs nicht nur Gutes: Im Holunderholz konnten auch böse Hexen wohnen (weswegen man keine Holunderbüsche abholzte, es könnte ja Hexenblut austreten und Unglück oder Tod bringen, den hauseigenen Lebensbaum zu verstümmeln). Hexen konnten sich in Holunder verwandeln (weswegen man Holunderholz nicht zum Bau von Möbeln verwendete, weil man sich ansonsten die Hexe ins Haus geholt hätte). Und der Holler wurde auch „Baum des Teufels“ genannt, weil sich der Legende nach ein gewisser Judas Iskariot nach dem Verrat von Jesus Christus an einem Holunder erhängt haben soll (was auch als Grund dafür gesehen wurde, dass das abgefallene Laub einen besonders unangenehmen Geruch entfaltet).

Bedenkt man all dies, ist es übrigens absolut logisch, dass der Zauberstab von Harry Potters Professor Dumbledore, der Elderstab, aus Holunderholz bestand – und der galt immerhin als der mächtigste Zauberstab der ganzen Welt ...

Heilsamer Holunder

Gut, jetzt wird es Zeit, sich von den alten Kamellen zu verabschieden. Sehen wir uns doch mal an, was der Holunder ganz konkret zu bieten hat. Seine Auszeichnung als Heilpflanze des Jahres 2024 ist nicht weiter überraschend, immerhin hatte er bereits vor Hunderten von Jahren in der Volksmedizin seinen festen Stellenwert als probates Mittel gegen Zahn- und Halsschmerzen sowie auch als Schleimlöser und Fiebersenker.
Heute gelten seine Blüten bzw. der Tee aus ihnen als schweißtreibend, die Bronchialsekretion vermehrend, schleimlösend, immunstimulierend, entzündungshemmend, harntreibend und antioxidativ. Sie sind also ein wirklich wunderbares Mittel bei Erkältungen, wenn sie als heiß aufgebrühter Tee verabreicht werden.
 

Die Holunderbeeren wirken ebenfalls schweißtreibend, antiviral, immunstärkend und entzündungshemmend, außerdem besitzen sie einen hohen Gehalt an Vitamin C. Darüber hinaus zählen Holunderbeeren zu den anthocyanreichsten Lebensmitteln überhaupt, was deshalb gut ist, weil die antioxidativ wirkenden Anthocyane die Zellmembranen vor Veränderungen durch freie Radikale schützen und so den Alterungsprozess der Zellen verlangsamen. Zusätzlich sollen sie einen entzündungshemmenden und dadurch schmerzlindernden und fiebersenkenden Effekt haben. Auch hier gilt also: Erkältung? Holunder!

Schwarzer Holunder in der Küche

Sagen wir mal so: Über die Giftigkeit der Beeren des Schwarzen Holunders muss man sich keine weiteren Gedanken machen, wenn man sie vor dem Verzehr ausreichend erhitzt. Die enthaltenen cyanogenen Glycoside (Entschuldigung, aber so heißen die nun mal), die sich sehr unschön auf unseren Verdauungsapparat auswirken können, zerfallen durch Erhitzung zuverlässig und richten keinen weiteren Schaden an. Essen Sie also lieber keine ungekochten Beeren (oder wenn, dann wirklich nur ein paar). Die köstlichen Blüten muss man nicht erhitzen, weil sie keine nennenswerten Mengen an Giftstoffen enthalten; sie schmecken aber deutlich besser, wenn man sie vorher brät, röstet oder frittiert.

Die Idee, Holunderblüten erst zu braten und dann zu essen, ist übrigens uralt und stammt aus der Volksmedizin (die man gerne auch Volksmagie nennen darf): Danach war man für ein ganzes Jahr vor Fieber sicher, wenn man in Butter gebratene Holunderdolden zu sich nahm. Allerdings hatte man hierzu nur eine einzige Chance: Der Trick funktionierte ausschließlich am 24. Juni, also am Johannistag, um 12 Uhr mittags und auch nur, wenn man zu diesem Zweck seinen Kopf in den Rauchfang des Kamins hielt, in dem üblicherweise die Hausgeister ihren Wohnsitz hatten.
Heute genießen wir Hollerküchel, Holunderpfannekuchen, Holunderküchle, Hollerkiachal oder Hollerschöberl als saisonales, mit Puderzucker bestäubtes Schmalzgebäck. Darüber hinaus werden die Blüten gerne als geschmacksgebende bzw. parfümierende Komponente für Getränke verwendet, zum Beispiel für Holunderlimonade, -sirup oder -sekt.

Die Holunderbeeren müssen, wie wir schon wissen, grundsätzlich vor ihrer Verarbeitung zu Gelee, Mus, Sirup, Direktsaft oder Obstwein erhitzt werden. Danach kann man so ziemlich alles mit ihnen anstellen: Mit Verdickungsmittel, Gewürzen und Zucker wird eine schöne Fruchtsuppe daraus (in Norddeutschland auch als Fliederbeersuppe bekannt). Holunderbeeren werden zum Backen verwendet und kommen als Zutat in roter Grütze vor. In Norddeutschland ist auch die Verwendung von eingedicktem Holunderbeersaft in Grog nicht unüblich, also mit heißem Wasser und Rum gemischt). Aus Holunderbeeren kann Wein und Obstbrand hergestellt werden. Dazu werden die reifen und zuvor erhitzten Beeren verwendet, die vor dem Maischen von den Dolden entfernt werden.

Holunderbeeren lassen sich problemlos einfrieren – allerdings sollten sie da noch frisch und nicht erhitzt worden sein, das kann dann besser nach dem Auftauen und direkt vor der Weiterverarbeitung erfolgen. 
Der Saft gepresster Holunderbeeren ist zwar sehr aromatisch, aber recht säurearm und kaum süß, weswegen er oft mit Apfel-, Birnen- oder anderen süßen Fruchtsäften gemischt genossen wird.

Über Flieder und Holunder

Noch schnell ein kleiner Gruß nach Norddeutschland: Bei Ihnen im Norden nennen Sie den Schwarzen Holunder ja gerne auch Flieder. Das können Sie selbstverständlich so machen, aber wundern Sie sich dann bitte nicht, wenn der eine oder andere Zugereiste Sie mit hochgezogener Augenbraue darüber in Kenntnis setzt, dass Flieder und Holunder praktisch nichts miteinander gemein haben, außer dass sie beide ziemlich betörend duften: Flieder ist ein Ölbaum- und der Holunder ein Moschuskrautgewächs, wie wir ja schon geschrieben hatten. Also nichts für ungut.

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