Schwäbische Maultaschen

Ursprünglich war die schwäbische Maultasche ein regionales Arme-Leute-Essen, das in den weniger ertragreichen Gegenden des Schwabenlandes entstand. Heute gilt die gefüllte Nudeltasche als Delikatesse, die sich in Deutschland und auf der ganzen Welt großer Beliebtheit erfreut. Ihren Namen verdankt die Maultasche nicht dem Kloster Maulbronn, vielmehr stammt er vom schwäbischen Wort für Ohrfeige: Tatschen bzw. tätschen bedeutet „schlagen“, mit einer Tasche hat es nichts zu tun. Vielleicht erinnerte die Form der Maultasche an die Schwellung, die sich nach einer Ohrfeige im Gesicht bildet. Typische Maultaschen bestehen aus Nudelteig, der mit einem feinen Brät aus Fleisch, Zwiebeln, eingeweichtem Weißbrot und manchmal auch Spinat gefüllt wird. Vegetarische Varianten ersetzen das Fleisch in der Maultasche durch Spinat und Käse, vegane Varianten setzen oft auf Pilze, Hülsenfrüchte oder Tofu. Die Maultaschen werden entweder in siedendem Salzwasser oder Brühe gegart und danach entweder mit Brühe genossen, mit in Butter gerösteten Zwiebeln garniert oder aufgeschnitten und gebraten. Maultaschen sind küchenfertig im Handel erhältlich, es ist aber gar nicht schwer, sie selber herzustellen. Mancherorts werden Maultaschen auch „Herrgottsbscheißerle“ genannt oder, wenn sie mit Spinat gefüllt wurden, „Laubfrösche“.

Maultaschen oder schwäbische Maultaschen?

Junge, Junge. Es ist schon gut und richtig, dass die EU im Jahr 2009 endgültig entschieden und endlich Klarheit geschaffen hat. Anscheinend fanden dermaßen viele Leute den Begriff „Maultasche“ so schick, dass alle möglichen Produkte diesen Namen trugen: Ein deutsch-italienisches Wörterbuch aus dem 18. Jahrhundert übersetzte Ravioli mit Maultasche, in Schlesien wurde ein bestimmtes Gebäck so genannt, in Leipzig waren mit Maultaschen diverse Süßspeisen gemeint und in Darmstadt war eine Maultasche eine süße Backware. Bayern dagegen wartet mit seinen Kartoffelmaultaschen oder auch Grammlmaultaschen auf, bei denen ein Kartoffelteig mit süßem Obst gefüllt und dann im Ofen ausgebacken wird. Kein Wunder, dass man da leicht die Übersicht verlieren konnte. 

Was genau ist eine schwäbische Maultasche?

Seit 2009 kann man aber nun unmissverständlich in einem Amtsblatt, das die EU herausgegeben hat, nachlesen, was genau eine schwäbische Maultasche ist: 
„Eine Teigtasche mit einer Füllung aus Fleischbrät bzw. Gemüsebrät. Viereckige oder gerollte Form der Teigtasche; als Frischware oder in der Verpackung; wird zum Verzehr gebrüht oder geröstet.“ Als Zutaten sind angegeben: Hartweizengrieß und/oder Mehl, Vollei, Wasser und Salz für den Teig. Schweinefleisch, Rindfleisch, eventuell geräucherter Bauch, Spinat, Petersilie, Zwiebeln, Eier, Gewürze, Brot und Lauch für die Füllung.

Verschiedene Qualitätskriterien sind gefordert:
Farbe/Aussehen: Teigmantel hellgelb bis hellgrau, Füllung locker gemischt mit noch erkennbarer Struktur
Form: rechteckig oder gerollt
Abmessungen: Standardmaultasche Länge 5,5–10, Breite 5–9, Höhe 1,5–2,5 cm; Suppenmaultasche Länge 1–5,5, Breite 1–5, Höhe 0,5–2 cm
Konsistenz/Textur: Teigmantel bissfest und nicht verklebend, Füllung weich, Emulsion noch erhalten
Eigengewicht: Standardmaultasche 40–150 g, Suppenmaultasche 10–40 g
Proteingehalt bei fleischhaltigen Maultaschen und Suppenmaultaschen: BEFFE-Gehalt Fleischbrät mindestens 7 % (BEFFE: bindegewebseiweißfreies Fleischeiweiß)
Frischeigehalt: Vollei der Güteklasse A, Trockenmassegehalt mindestens 23 %
Fleischgehalt am Gesamtgewicht: mindestens 8 %

Wie schon gesagt: Junge, Junge.

Auf jeden Fall fällt die schwäbische Maultasche in die Klasse „geschützte geografische Angabe“, was bedeutet, dass mindestens eine der Produktionsstufen – Erzeugung, Verarbeitung oder Herstellung – im Herkunftsgebiet durchlaufen werden muss. Damit sind hier Baden-Württemberg und der bayerische Regierungsbezirk Schwaben gemeint, weil es das Bundesland Schwaben ja leider nicht gibt.

Woher die Maultasche ihren Namen hat

Im Grunde benötigt ein solch geniales Gericht wie die Maultasche ja keine besondere Werbung und auch entsprechendes Marketing ist an und für sich überflüssig. Trotzdem tauchten so etwa in den 1970er-Jahren verschiedene Geschichten auf, die vor allem auf die Herkunft der gefüllten Teigtaschen abzielten. Das Kloster Maulbronn, das natürlich in Schwaben liegt, will uns zum Beispiel weismachen, dass ein Laienbruder der im Kloster Maulbronn ansässigen Zisterziensermönche in der Fastenzeit das Fleisch vor dem Herrgott habe verstecken, ihn so also „bescheißen“ wollen. Im Volksmund habe dies zum Beinamen „Herrgottsbscheißerle“ geführt. Der Begriff selbst erschien dem Kloster dann aber wohl doch etwas zu explizit, weswegen man trocken verkündete, das Wort Maultasche sei eine Verkürzung der Bezeichnung Maulbronner Nudeltasche. Was natürlich völlig falsch ist.

Sehr viel wahrscheinlicher ist, dass schon im 16. Jahrhundert der Sinnbegriff „Ohrfeige“ benutzt wurde (manchmal hört man ja auch heute noch das Wort Maulschelle für Ohrfeige). Ob der Schlag nun ganz genau aufs Maul oder etwas weiter hinten aufs Ohr ging, ist jetzt mal ein bisschen egal, interessanter ist die Sache mit der „Tasche“: Das Wort geht in diesem Zusammenhang nämlich auf „tatschen“ bzw. „tätschen“ im Sinne von „schlagen“ zurück und in keinster Weise auf Form oder Funktion irgendeiner Tasche. Das kluge etymologische Wörterbuch vermutet dementsprechend einen Zusammenhang mit der geschwollenen Form der Maultasche, die an den Zustand einer Wange nach einer gut platzierten und kräftig ausgeführten Ohrfeige erinnert. 

Übrigens sehen viele Rezepte – vegetarische und nicht vegetarische – auch die Verwendung von Spinat vor, weswegen die grünen Varianten ganz offiziell als „Laubfrösche“ bezeichnet werden. Einer Legende nach wurde der Herrgott gleich zweimal „beschissen“: Zum einen versteckte man das Fleisch hinter dem Nudelteig und mischte dann auch noch Spinat in die Füllung, weil man davon ausging, dass der Herrgott nicht durch Nudeln UND durch Spinat gucken konnte. Da muss man auch erst einmal drauf kommen…

Maultasche ist nicht gleich Maultasche

Die regionale Küche der historischen Landschaft in Südwestdeutschland, genauer: in Schwaben, kennt relativ viele Variationen der Füllung für eine Maultasche, und diese gehen sehr deutlich auf die jeweiligen damaligen Möglichkeiten der landwirtschaftlichen Nutzung zurück. Über Jahrhunderte erlaubte etwa der karge und steinige Boden auf der Schwäbischen Alb außer der Schafzucht kaum Viehzucht in größerem Umfang. Fleisch konnten sich dort nur sehr wenige leisten; es galt als „Herrenessen“, während sich das Volk hauptsächlich mit Innereien und einfachen Mehlspeisen begnügen und entsprechend einfallsreich kochen musste. Richtung Oberschwaben dagegen (also in der Gegend südlich der Alb bis etwa zum Bodensee) wird die Küche im Vergleich zur Alb deutlich vielseitiger. Dank einer erheblich ertragreicheren Viehwirtschaft standen dort dauerhaft und zuverlässig Milch, Rahm und Käse zur Verfügung.

Typisch für eine Maultasche ist also zwar das Brät, woraus genau es aber bestand bzw. besteht, ist eher regional definiert, weil in den ehemals armen Gegenden mehr Innereien und in den reicheren mehr Fleisch bzw. Fett verarbeitet wurden.

Kostenbewusst und einfallsreich waren sie also schon vor sehr langer Zeit, die Schwaben, die alles können außer Hochdeutsch, und darauf geht auch dieses wunderbare Sprichwort zurück: 
„Bei de Reiche lärnd ma’s schbara, bei de Arme ’s kocha“ (bei den Reichen lernt man das Sparen, bei den Armen das Kochen).

Wie macht man eigentlich Maultaschen?

Originale Maultaschen bestehen aus Nudelteig mit einer Grundfüllung aus Brät, Zwiebeln und eingeweichten Brötchen oder – vegetarisch – aus einer mit Käse und Spinat oder – vegan – mit Champignons, Kartoffeln, Lauch, Tofu oder auch Erbsen. In vielen Familien (und Regionen) gibt es spezielle Rezepte, die weitere Zutaten wie gekochten Schinken, Spinat, Mangold, Bärlauch, geräucherte Schinkenwurst, Hackfleisch oder Bratenreste vorsehen.

Die Zutaten für die Füllung werden nach Rezept vorbereitet und vermengt, sodass sich eine glatte Masse, das Brät, bildet. Die Masse wird auf den Nudelteig gegeben und gleichmäßig verteilt. Je nach Vorliebe und Tradition können Maultaschen gefaltet oder gerollt werden (das erlaubt sogar die EU). Bei der Falt-Methode wird das Brät auf die eine Seite des Teigs gelegt und mit der anderen bedeckt, dann werden mit einem Kochlöffelstiel einzelne Maultaschen abgeteilt und anschließend abgeschnitten. Rollt man lieber, streicht man das Brät gleichmäßig und vollflächig auf, rollt dann alles zu einer großen Teigwurst und schneidet diese anschließend in gefällige Scheiben. Gegart werden Maultaschen in siedendem Salzwasser oder in Brühe. 

Der Unterschied ist klar: Die gefalteten Maultaschen sind komplett geschlossen und beim Sieden kann entsprechend keine Füllung verloren gehen. Andererseits geben die gerollten und geschnittenen Varianten reichlich Geschmack an die Brühe ab, was besonders dann eine gute Sache ist, wenn man sie zusammen mit der Brühe genießen will.

Auch als Beilage in diversen Suppen machen Maultaschen eine gute Figur, sehr gerne werden sie auch geschmälzt genossen: Nach dem Sieden werden sie mit in gebräunter Butter angebratenen Zwiebeln übergossen (seltsamerweise essen die Schwaben furchtbar gerne Kartoffelsalat dazu). Auch geröstet sind sie sehr gut: Hierfür werden die Maultaschen nach dem Garen in Streifen geschnitten und anschließend in der Pfanne gebraten, sehr gerne auch mit Zwiebeln und/oder Ei.

In Elsass-Lothringen findet man übrigens die sogenannten Fleischschnacka (Fleischschnecken), bei denen die Füllung zunächst mit Nudelteig zu einer langen Rolle aufgewickelt wird. Die Rollen werden in Stücke geschnitten, die man dann wie Maultaschen anbraten oder anderweitig abschließend zubereiten kann. Wer da wohl wen beklaut hat?

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