Schaumwein, Sekt, Champagner & Co

Böse Zungen bezeichnen Champagner als „Wein des Teufels“ – natürlich vollkommen zu Unrecht. Wie kam das edle Getränk an diesen schrecklichen Namen? Was haben Engländer, Deutsche, Mönche, Frauenpower und empfindliche Pariser zu seinem Siegeszug beigetragen? Was genau ist eigentlich der Unterschied zu Sekt, Crémant, Prosecco & Co? Und: Worauf sollte ich beim Einkauf achten?

Ohne Champagner kein Sekt

Perlwein, Schaumwein, Sekt, Cava, Crémant, Spumante, Winzersekt, Prosecco, Frizzante, Champagner – wo fangen wir da bloß an? Na gut: Weil die Hauptkriterien für die prickelnde Köstlichkeit immer Rohwein, Gärung, Hefe, Zucker, Zeit und Kohlendioxid sind, müssen wir tatsächlich zuerst einmal nach Frankreich – auch wenn das, was dabei ans Tageslicht kommen wird, den nationalbewussten Franzosen nicht unbedingt gefallen dürfte.

Gehen wir also in eine Gegend, die in einer Schenkungsurkunde von 1114 einmal als „grande charte champenoise“ bezeichnet wurde, was nichts anderes heißt als „Gegend mit landwirtschaftlich weitgehend nutzlosem Land“ (champ = Feld, Fläche) – besonders mondän war der Beginn des Champagners also nicht gerade. Allerdings war der Wein, der seit den Römern hier produziert wurde, bei den Herrschaften im nicht weit entfernten Paris und später dann auch in London einigermaßen beliebt, sodass die Nachfrage kontinuierlich anstieg – vor allem seine „Frische“ kam gut an.

Ohne England kein Champagner

„Frischer geht’s nicht“ müssen sich die entsprechenden Winzer irgendwann um 1670 gedacht haben und füllten den Rebensaft jetzt nicht mehr wie sonst üblich in Holzfässer zum Versand ab, sondern gleich vor Ort in Flaschen. Was sie nicht ahnen konnten, war, dass der Wein auch in der Flasche fröhlich weitergärte und reichlich Kohlensäure entwickelte, die zuverlässig dafür sorgte, dass jede Menge des Transportguts noch unterwegs mit schöner Regelmäßigkeit in die Luft ging.

Das kam in Paris überhaupt nicht gut an und fast wäre deswegen die Flaschenabfüllung wieder in der Versenkung verschwunden, hätten nicht ausgerechnet die Engländer diesen schaumig-perlenden Spezialtropfen – so er denn die Reise einigermaßen unbeschadet überstand – nicht über alle Maßen geschätzt und immer stärker danach verlangt. Transportverluste hin oder her …

(Übrigens trugen die Kellermeister, deren Bestimmung es war, mit Flaschenabfüllungen zu hantieren, eine Gesichts-Schutzmaske aus Eisen, die sie aussehen ließ wie mittelalterliche Folterknechte – der Spottname „Wein des Teufels“ für den frühen Champagner kam also nicht von ungefähr.)

Ohne Mönche kein Champagner

Dass die Beherrschung und Steuerung der Gärung irgendwie mit Zucker und Druck zu tun haben musste, war zwar einigermaßen bekannt, aber insgesamt blieb der Vorgang über lange Zeit eine einzige Raterei. Bis im Jahr 1668 ein 30-jähriger Benediktinermönch zum Verantwortlichen für die wirtschaftliche Versorgung der Abtei Hautvillers ernannt wurde, deren Haupteinnahmequelle die Weinproduktion war.

Nach vielen Versuchen kam er auf die Idee, die Korken zusätzlich mit Kordeln zu sichern, Flaschen aus besonders dickem Glas zu verwenden und dem Wein jede Menge Zeit zu geben, bis die Gärung in der Flasche auch wirklich beendet war. Sein bürgerlicher Name lautete Pierre Pérignon, allerdings nannten ihn alle Dom. Dom Pérignon gilt bis heute als maßgeblicher Entwickler der „Méthode champenoise“ – kein Wunder, dass sie irgendwann einen Spitzensekt nach ihm benannt haben.

Ohne Deutsche kein Champagner

Heidsieck, Bollinger, Mumm, Krug, Müller – so richtig französisch klingen die Namen ja eigentlich nicht. Und es stimmt auch: Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wanderten eine ganze Reihe deutscher Unternehmer – die meisten davon waren schon vorher in der Weinwirtschaft aktiv – nach Frankreich aus und gründeten ihre Champagnerhäuser, die sich vor allem durch erstklassige Vermarktung und die stetige Verbesserung ihrer Produkte auszeichneten.

Zeitgenössischen Einschätzungen zufolge kamen ihnen hierbei besonders ihre Sprachkenntnisse zugute: Deutsch und Französisch konnten sie sowieso schon gut, weil sie aber schon lange auch im internationalen Handel tätig waren, sprachen sie zumeist auch fließend Englisch, was ihnen auf so ziemlich jedem Absatzmarkt riesige Vorteile gegenüber den nur Französisch sprechenden Kollegen verschaffte.

1867 stellte Robert Tomes, amerikanischer Konsul in Reims, lakonisch fest: „Es gibt tatsächlich keinen Weinbetrieb in der Champagne, der nicht mehr oder weniger von einem gebürtigen Deutschen kontrolliert wird. Steht an der Spitze nominell zufällig ein Franzose, so hat er sicher einen Partner oder Geschäftsführer aus Deutschland. Es gab jedoch ein Champagnerhaus, das ausschließlich von Franzosen geleitet wurde. Während meiner Zeit in Reims ging es bankrott, und es wurde allgemein festgestellt, dass es zugrunde ging, weil ein Deutscher fehlte.“

Ohne Frauen kein Champagner

Louise Pommery zum Beispiel: Sie war nicht nur die erste Frau der Welt, die ein Champagnerhaus führte und leitete, sie galt auch als hervorragende Geschäftsfrau, vor allem, was den englischen Markt anging – sie machte „Pommery und Greno“ zur bekanntesten Champagnermarke zum Ende des 19. Jahrhunderts. Allerdings hatte sie auch jede Menge Ahnung von der Herstellung selbst: Als Erste verstand sie die hervorragenden Lager- und Reifungsbedingungen der von römischen Soldaten dereinst in die Kreidefelsen getriebenen Gänge, und sie war es auch, die einen besonders trockenen Champagner speziell für den englischen Markt entwickelte, aus dem später die Bezeichnung „Brut“ hervorging.

Noch berühmter (und vielleicht noch ein bisschen bedeutender) war Madame Barbe-Nicole Clicquot, die 1806 (!), zusammen mit ihrem deutschstämmigen Kellermeister Anton von Müller, das Kunststück fertigbrachte, den ansonsten immer hefetrüben Champagner von seinen Schwebstoffen zu befreien, ohne ihn filtern zu müssen (was ja logischerweise immer auf Kosten der Perligkeit ging): Madame Clicquot erfand das Prinzip des Rüttelns und Degorgierens (dazu weiter unten mehr). Ein entsprechendes Denkmal wurde ihr in der Marke „Veuve Clicquot“ gesetzt.

Ohne Heimweh kein Erfolg

Dann kam die Rückwärtsbewegung: Nach einigen äußerst erfolgreichen Jahren als Geschäftsleiter bei Veuve Clicquot machte sich zum Beispiel ein gewisser Georg Christian von Kessler 1826 wieder zurück auf den Weg in die Heimat und gründete kurz darauf – klar, bei all dem Fachwissen, das er mittlerweile gehabt haben dürfte – in Esslingen die C.G. Kessler & Cie, die bis heute die älteste Sektkellerei Deutschlands ist.

So gesehen war der Korken nun von der Flasche und ein wahrer Champagnerboom setzte in Deutschland – und nicht nur hier – ein (der Begriff „Champagner“ wurde mit Blick auf die Ursprungsregion erst 1936 geschützt). Matheus Müller machte es sich besonders einfach und nannte sein Produkt 1838 schlicht „MM“, gefolgt von Deinhard 1843, Kupferberg 1850, Kloss & Foerster (heute Rotkäppchen) 1856, Henkell ebenfalls 1856 und schließlich Söhnlein 1864, um nur einige der bekannteren Marken zu nennen.

Und wenn wir schon von dem Korken sprechen, der seine Flasche verlassen hat: Sowohl der Prosecco als auch der Spumante als auch der Cava als auch all die anderen perligen Köstlichkeiten im südlichen Teil Europas sind deutlich nach dem ersten Champagner und dem Sekt aus deutschen Landen entstanden – die Wiege für all diese Schaumweine liegt unbestreitbar in Frankreich und Deutschland.

Auch wenn die Sache mit dem frischen Wein in Flaschen am Anfang erst einmal wie ein ganz schön heftiger Fehlversuch wirkte: Wenn das kein internationaler Siegeszug ist, dann wissen wir auch nicht weiter …

Also?!

Auch wenn die Produkte später in Sekt umgetauft wurden – in der Herstellung unterscheidet sich Sekt im Grunde kaum von Champagner:

Zunächst muss ein sogenannter „Sektgrundwein“ bereitet werden, der, wie der Name schon sagt, die Grundlage für alles ist, was später zum gewünschten Ergebnis führt. Im Gegensatz zum Trinkwein wird bei Ernte und Rebe des Grundweins besonderes Augenmerk auf dessen Säure gelegt und nicht auf den enthaltenen Zucker – auch das ist ein Grund dafür, dass die Trauben noch unreif und oft auch per Hand geerntet werden, um mögliche Fäulnis in gequetschten Beeren nach Kräften auszuschließen. Hier geht es zunächst darum, einen sehr trockenen Wein durch Gärung im Fass zu erhalten, daher rührt auch der Begriff der „ersten Gärung“. Bei dieser Ausbaustufe werden vor allem Alkohol und eine extrem frische Note gewonnen.

Im zweiten Schritt wird dem Grundwein die sogenannte Fülldosage, die Tirage, zugesetzt, die aus einer Mischung aus Zucker und Hefe besteht. Bei der Flaschengärung wird das Gemisch in Flaschen gefüllt, die schlicht mit einem Kronkorken fest verschlossen werden und für mindestens sechs (Sekt) bis neun Monate („traditionelle Flaschengärung“, „méthode champenoise“, „méthode traditionelle“) zur Reifung eingelagert werden. Jetzt entstehen die feinen Perlen und durch die spätere Zersetzung der Hefe das besondere, fein-reife, typische Sektaroma.

Nach Abschluss der Reifephase beginnt die Vorbereitung zur finalen Verkorkung, die „Remuage“, also der (berühmte) Rüttelprozess: Hierbei werden die Flaschen, die zu Beginn flach lagern, über Wochen hinweg jeden Tag ein bisschen gedreht und dabei ein bisschen weiter aufgerichtet, bis sie schließlich aufrecht (auf dem Kopf) stehen. Hierbei sinken die Heferückstände nach unten und sammeln sich in aller Ruhe am Verschluss, ohne dass sie den Sekt eintrüben.

Ist dieser Prozess beendet, muss die Hefe raus aus der Flasche. Ohne sie aufzuwirbeln und ohne dabei die wertvolle Kohlensäure zu verlieren. Der Trick: Der Flaschenhals wird so stark abgekühlt (auf –20 Grad Celsius), dass die sich darin befindende Hefe gefriert. Danach wird der Kronkorken mit einem schnellen Ruck geöffnet und die Kohlensäure drückt den Hefepfropf zuverlässig aus der Flasche. Hierbei entsteht natürlich ein gewisser Volumenverlust, der aber ausgeglichen wird, und zwar durch die sogenannte „Versanddosage“.

Und ob Sie es nun glauben wollen oder nicht: Die Rezeptur dieser Dosage, die aus Süßweinen, der Süßreserve aus dem Vorjahr, Zucker oder auch aus „Esprit de Cognac“ besteht, ist das bestgehütete Geheimnis der jeweiligen Häuser und wohl auch der wichtigste Grund für die teils enormen Qualitäten, die bei der klassischen Herstellung erreicht werden können. Am Ende all der Mühen muss nur die richtige Menge vom richtigen Süßungsmittel rein – und das macht dann den entscheidenden Unterschied …

Gut genug?

So. Klettert man die Qualitätsleiter einmal von oben nach unten, dann geht es um Kohlensäure, Reifezeiten und das Loswerden der Trübstoffe.

Beim Champagner – und bei hochwertigen Sekten, beim Crémant, beim Cava, beim Qualitätsschaumwein und bei den meisten Winzersekten auch – wird ausschließlich diejenige Kohlensäure verwendet, die natürlicherweise durch die zweite alkoholische Gärung entsteht.

Ein gewichtiger Unterschied kann hierbei allerdings sein, wo die zweite Gärung erfolgt: Bei Qualitätssekt und beim Champagner/Crémant findet sie bereits in der jeweiligen Flasche statt, wohingegen zum Beispiel der Cava kein Problem damit hat, die zweite Gärung in Tanks zu erleben, um dann nach mindestens sechs Monaten Reifezeit unter hohem Gegendruck gefiltert und schließlich in Flaschen abgefüllt zu werden. Hierbei bleibt die natürlich entstandene Kohlensäure erhalten, industriell verwendetes Kohlenstoffdioxid dient nur der Druckregulierung und gelangt nicht ins Produkt.

Beim Asti Spumante gönnt man dem Wein keine doppelte Gärung, sondern beginnt sie im Tank und zieht den Wein, noch bevor er durchgegoren ist, mit noch recht hoher Süße auf Flaschen, wo er seine erste Gärung beendet. Bezeichnung: „Aromatischer Qualitätsschaumwein“, auch der Prosecco fällt zumeist in diese Kategorie.

Von der dritten Methode sollten Sie sich vielleicht eher fernhalten, weil ihr Ergebnis eigentlich nichts mehr mit Sekt zu tun hat: Hier wird industrielle Kohlensäure unter Druck und bei Kälte in den Wein gepresst (imprägniert). Diese Produkte heißen „Schaumwein mit zugesetzter Kohlensäure“, „Frizzante“, Perlwein.

Zum Abschluss noch ein heißer Tipp: Wenn Sie beim Sekteinkauf auf die Formulierung „Flaschengärung“ stoßen, dann sollten Sie Folgendes wissen: Es stimmt zwar, dass die so wichtige zweite Gärung bei diesem Verfahren in einer Flasche stattfindet. Danach allerdings wird der Sekt unter hohem Gegendruck aus dieser speziellen Gärflasche entnommen und die Enthefung erfolgt keineswegs durch Abrütteln und Degorgieren, sondern durch mechanische Filterung, bevor der Sekt schlussendlich auf verkaufsfähige Flaschen gezogen wird. Verwechseln Sie also niemals den Begriff „Flaschengärung“ mit der Bezeichnung „Traditionelle Flaschengärung“!

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