Der Ausnahme-Seemann
James Cook, geboren 1728 und gestorben 1779 auf Hawaii, war einer der bedeutendsten britischen Seefahrer, Kartografen und Entdecker überhaupt. Berühmt wurde er vor allen Dingen durch drei große Fahrten in den Pazifischen Ozean, den er genauer kartografierte als jeder andere vor ihm. Er entdeckte zahlreiche Inseln und wies nach, dass weder die „Terra Australis“, der lange vermutete südliche Kontinent, existierte, noch dass die Nordwestpassage (also der Seeweg nördlich von Kanada, der den Atlantik mit dem Pazifik verbindet) mit den Schiffen seiner Zeit irgendwie zu durchfahren war.
Die große Bedeutung von Cooks Schaffen lag also vor allem in seinen kartografischen Leistungen und geografischen Entdeckungen. Nach 38 Todesfällen auf der ersten seiner drei großen Reisen machte er sich allerdings auch viele Gedanken darüber, wie die Zahl der Toten gesenkt werden könnte, und kam irgendwie auf die Idee, den Seeleuten Vitamin C zuzuführen (obwohl er natürlich überhaupt keine Ahnung hatte, dass es so etwas wie Vitamine gab – es war eher ein glückliches Raten). Auf der zweiten Fahrt waren nur noch vier Tote zu beklagen, was eine bemerkenswert geringe Anzahl für eine so lange Reise zu diesen Zeiten war. Er bestand auf Karottengelee oder eingezuckerten Zitronen, die er gegen Skorbut einsetzen wollte, die aber von Regierung und Admiralität zunächst für viel zu teuer befunden wurden.
Und leider, leider muss man auch sagen, dass die drei großen Expeditionen von James Cook auch den Auftakt zur Kolonialisierungswelle im 19. Jahrhundert bildeten, bei der England im ganz großen Stil beteiligt war.
Der Ausnahme-Politiker
Auf jeden Fall hegte unser tapferer Kapitän ganz offensichtlich eine ausgeprägte Zuneigung zu einem gelinde gesagt sehr speziellen englischen Adeligen namens John Montague. Montague, der später auch als Lord Sandwich in die Geschichte einging, diente Cook gleich mehrfach als Namensinspiration während dessen Abenteuern auf See. So benannte Cook Hawaii als Sandwich Islands, eine Inselgruppe im Südatlantik etwa als südliche Sandwichinseln und einen Seegraben mit 8.264 Metern Tiefe schlicht als Sandwich-Graben. So wollte Cook mit den Huldigungen an seinen adeligen Freund gefühlt gleich gar nicht mehr aufhören und machte bis nach Alaska munter weiter. Hier benannte er eine Insel im Golf von Alaska Montague Island. Diese galt bis 2010 übrigens als die größte unbewohnte Insel der vereinigten Staaten von Amerika.
Wer war dieser Mann?
John Montague, geboren 1718 und gestorben 1792, avancierte nach einigen beruflichen Quer- und Seitensprüngen als 4. Earl von Sandwich 1768 zum Postminister, 1770 zum Staatsminister und war von 1771 bis 1782 Erster Lord der Admiralität. Die Amtsführung des Earls galt und gilt ob ihrer Korruption und Inkompetenz bis heute als einzigartig in der Geschichte der Royal Navy: Posten wurden ver- und gekauft, Depots unterschlagen und – was das Schlimmste war – nicht seetüchtige und schlecht ausgerüstete Schiffe kalt lächelnd in den Kampf geschickt. Sandwich war auch deswegen äußerst unbeliebt und seine Entlassung aus dem Dienst wurde 1782 entsprechend gefeiert.
James Cook war da zwar schon lange tot - er starb 1779 bei einem Konflikt mit Einheimischen auf Hawaii - hatte aber seine vielen kartografischen Benennungen zu diesem Zeitpunkt längst abgeschlossen. Was genau Cook eigentlich so toll an diesem Admiral fand, wissen wir heute leider nicht – vielleicht hatte der ausnahmsweise mal das Richtige getan und ausreichende Mittel, vernünftige Schiffe oder den richtigen Proviant zur Verfügung gestellt? Es müssen jedenfalls ein paar sehr große Gefallen gewesen sein, wenn man quasi den halben Pazifik nach einem korrupten, inkompetenten und mäßig erfolgreichen Berufspolitiker benennt, Adel hin oder her.
Die Kult-Stulle
Und schon geht es weiter mit der Ambivalenz des John Montague, 4. Earl von Sandwich: Die Legende behauptet, er sei ein dermaßen versessener Kartenspieler gewesen, dass er nicht einmal zu den Mahlzeiten ein Spiel unterbrechen wollte und sich dementsprechend ein bisschen Rinderaufschnitt zwischen zwei Weißbrotscheiben bringen ließ. Andere und vielleicht freundlichere Quellen besagen, er sei beruflich dermaßen eingespannt gewesen, dass ihm schlicht keine Zeit blieb, um sich zu den Essenszeiten in aller Ruhe eine Pause zu gönnen (was sich übrigens keiner seiner Amtskollegen jemals nehmen ließ und insofern ein bisschen weit hergeholt klingt). Die anwesenden Gäste zeigten sich ob dieser kulinarischen Sensation schwer beeindruckt, bestellten selber „welche wie die von Sandwich“ und trugen die frohe Kunde in die Welt hinaus, die für sie damals so gut wie ausschließlich England hieß. Der Rest ist Geschichte.
Auf jeden Fall verdanken wir diesem im Grunde ja ziemlich profanen Behelfssnack für zwischendurch die international gängige Bezeichnung für eine mehr oder weniger opulente Zwischenmahlzeit, die sich gut aus der Hand essen lässt, kein Vermögen kostet und die man auch gut transportieren kann.
Sie können das übrigens gerne selber ausprobieren: Suchen Sie bei Google nach dem deutschen Äquivalent, also nach „Butterbrot-Rezepten“, und Sie bekommen kaum mehr als 165.000 Treffer. Geben Sie dagegen „Sandwich Recipes“ ein, also die internationale Variante, dann werden Ihnen knapp 900 Millionen Ergebnisse präsentiert. Die Wurzeln für das belegte Brot scheinen zwar tatsächlich irgendwie und irgendwo in Deutschland zu liegen, es ist aber mehr als fraglich, ob es das Sandwich zu derartiger Beliebtheit gebracht hätte, wenn man es weltweit als „Klappstulle“ vermarktet hätte.
Brot, Belag, Brot
Dass es DAS eine richtige Sandwich nicht gibt, ist klar. Die Puristen seufzen schon bei ungeröstetem Weißbrot ohne Rinde selig auf, wenn sich dazwischen ein paar Gurkenscheibchen, etwas gesalzene Butter und eine Prise Zucker befinden und wenn das Ganze diagonal zu Dreiecken geschnitten wird. Ein vietnamesisches Bánh Mì vereint dagegen die ganze Fülle des Ostens und die fast dekadente Opulenz des Westens, was Butter, Steakfleisch, Schwein, Leberpastete, Käse, Eier, Mayonnaise, Koriander, Fischsoße, Chilis und eingelegte Gemüse einschließt und ein Cucumber-Sandwich im Vergleich ziemlich alt aussehen lässt.
Im Grunde ist wirklich alles erlaubt – und in diesem Sinne auch egal –, solange nur Brot als Trägermedium fungiert. Ob dieses dann quadratisch, dreieckig, flach, dick, länglich, weiß, grau, braun, getoastet oder ungetoastet ist, spielt nur eine sehr untergeordnete Rolle. Hauptsache, man bekommt sicher alles auf dem Snack unter, wonach einem gerade so ist. Ein wirklich gut gemachtes Sandwich erkennt man übrigens daran, dass bei Transport und Verzehr kein Belag herausfällt und keine Soße herausquillt. Es lässt sich ohne Weiteres aus der Hand essen, ohne Kollateralschäden zu erzeugen.