Rum

Es waren nicht die Piraten, verfluchte Schätze, abenteuerliche Gesellen, Meeresungeheuer oder halb verrückte Kapitäne; der wahre Fluch der Karibik bestand eher in den zahllosen Zuckerrohrplantagen, auf denen etliche Arbeiter unter unmenschlichen Bedingungen schuften mussten. Nutznießer? Die Kolonisten, deren Gier kein Ende kannte.

Rule Britannia

Schwein muss man haben: Stellen Sie sich mal vor, Ihr Großvater hätte sich – zum Beispiel bei irgendeinem Krieg auf irgendeinem Schlachtfeld – den Dank seines Königs erworben, woraufhin ihm später dann nicht nur irgendein Adelstitel verliehen wurde, sondern er auch ein bisschen Land zur freien Verfügung geschenkt bekam. Klar, bei den Engländern war die hierfür zur Verfügung stehende Landmasse ein bisschen limitiert, denn besonders groß ist die Insel natürlich nicht.

Zum Glück regierte das Empire aber so ungefähr ein Viertel der Welt, sodass man „abroad“, also im Ausland, das eine oder andere Schnäppchen machen konnte. Und gegen so eine nett gelegene Insel inmitten der Karibik war ja nun wirklich nichts einzuwenden …

Nun sitzen Sie also bei einem schönen Tässchen Tee auf Ihrer Veranda mit Blick aufs Meer, bedanken sich gedanklich noch mal beim Opa und genießen den schier unermesslichen Reichtum, zu dem Ihnen die riesigen Zuckerrohrplantagen verholfen haben, die Sie besitzen. Very nice. Andererseits sind Sie aber auch ein bisschen verstimmt, denn die Kosten, die die ganzen Sklaven verursachen, die Sie in rauen Mengen zur Zwangsarbeit einsetzen, gefallen Ihnen so ganz und gar nicht.

Aufbauhilfe

Abends dann, bei einem guten Glas Whisky, kommt Ihnen eine geniale Idee, die Sie gleich am nächsten Morgen mit Ihrem Vorarbeiter besprechen. Ein bisschen später wird sie die Welt stark bereichern: Bei der Herstellung von Rohrzucker fiel nämlich eine ganze Menge an sogenannter Melasse an, einem zähen, bitteren, dunkelbraunen Zuckersirup, mit dem man eigentlich gar nichts mehr anfangen konnte. Melasse galt lange als reines Abfallprodukt, das einfach achtlos weggeschüttet wurde. Ihr ziemlich hoher Zuckergehalt war andererseits natürlich aber schon irgendwie interessant, denn Zucker lässt sich gut durch Gärung in Alkohol verwandeln.

Ihre Idee war es also, die Melasse mit etwas Wasser zu verdünnen, durch Gärung zu fermentieren und aus dem so entstandenen „Zuckerwein“ ein Destillat zu gewinnen, also einen Schnaps. Gesagt, getan. Die Anschubfinanzierung war zwar ganz schön happig, denn eine Brennerei zu bauen war nicht nur technisch aufwendig, sondern erforderte auch den Import der ganzen Technologie aus der alten Heimat. Aber was soll’s: Wenn einer über diese Mittel verfügte, dann Sie, der Zuckerbaron!

Was allerdings zunächst einmal bei dem Prozess herauskam, war alles andere als eine Delikatesse. Heute würde man sagen, das Zeug war der reinste Fusel und ziemlich ungenießbar. (Übrigens reden wir gerade über das frühe 17. Jahrhundert, so besonders lange ist die Erfindung des Rums also noch gar nicht her.)

Abfallwirtschaft

Auf jeden Fall mochte den Rum zunächst einmal kaum einer leiden, was sich erst damit änderte, dass die Produzenten auf die Idee kamen, den fuseligen Schnaps in gebrauchte Whiskyfässer aus Eichenholz zu schütten, mit denen man ebenfalls nichts mehr anzufangen wusste (so gesehen mischte man Abfall mit Abfall, was ja auch nicht besonders appetitlich klingt), und über mehrere Monate oder gar Jahre reifen zu lassen. Der Geschmack verbesserte sich entscheidend, die typische braune Färbung entstand und wenn man diese Flüssigkeit auf eine trinkbare Stärke heruntermischte, schmeckte und duftete das Ganze auf einmal ziemlich gut. So gut übrigens, dass karibischer Rum ein gewaltiger Exportschlager wurde.

Im Ergebnis passierte dann übrigens genau das, was Sie sich damals auf Ihrer Veranda ausgedacht und erträumt hatten: Die Erlöse aus dem zusätzlichen Verkauf von Rum waren dermaßen hoch, dass so gut wie sämtliche Betriebskosten für Ihre Plantagen und die Rumproduktion von ihnen getragen wurden und der Erlös aus der Zuckerproduktion als Reingewinn verbucht werden konnte. Very nice indeed …

Geberländer

Je nachdem, wie und wo der Rum reift, können sich Farbe und Aroma extrem stark unterscheiden. Auch die Temperaturen und das allgemeine Klima, denen der Rum beim Reifen ausgesetzt sind, haben hierauf großen Einfluss. Weißer, also klarer Rum kommt meistens aus Edelstahlfässern und so mancher Hersteller färbt ihn aus Gründen der Optik und besseren Süße mit Zuckercouleur nachträglich ein, was absolut legal und gar nicht so unüblich ist.

Heutzutage wird Rum vornehmlich in der Karibik, in Mittel- und Südamerika, Australien, Indien sowie auf den Philippinen, Madagaskar, Mauritius, Réunion, den Kanaren und Kap Verde produziert. Wirklich jede Marke besitzt ihre typischen Eigenschaften, und der Genusswelt hat das insgesamt eine gehörige Portion an geschmacklichen und aromatischen Facetten beschert.

Eine kurze Übersicht:

Original Rum – importierter originaler Rum, unverändert verkauft (bis zu 74 %)

Echter Rum – wie Original Rum, jedoch mit Wasser auf Trinkstärke von mindestens 37,5 % herabgesetzt

Overproof Rum – Rum mit einem Alkoholgehalt über 57,15 %, wird hauptsächlich zum Mixen von Cocktails verwendet – oft aus Jamaika

Blended Rum – Mischung verschiedener Original Rums

Rhum Agricole – Rum aus sogenannter „landwirtschaftlicher Herstellung“, der vor allem auf den französischen Antillen (Martinique, Guadeloupe), auf Haiti, in Französisch-Guayana und im Indischen Ozean auf Réunion und Mauritius produziert wird. Er unterscheidet sich von normalem Rum vor allem durch seine Herstellung aus frischem Zuckerrohrsaft. Cachaça ist so ein Produkt.

Rumverschnitt – Mischung aus Rum und neutralem Industriealkohol. In Deutschland müssen mindestens 5 % des Alkohols im Fertigerzeugnis aus Rum stammen, was ja nicht gerade besonders viel ist.

Flavoured Rum – ist ein künstlich aromatisierter Rum mit mindestens 37,5 %. Bei einem geringeren Alkoholanteil wird er als „Spirituose“ bzw. „Likör auf Rumbasis“ bezeichnet (Captain Morgan Spiced Gold oder Bacardi Oakheart). Beispiel für einen echten Flavoured Rum ist Clement Orange.

Vor allem der Jamaika-Rum zeichnet sich durch einen sehr kräftigen, würzigen Geschmack aus, der manchmal als scharf empfunden werden kann. Minderwertige Qualitäten sind wegen dieser Geschmacksintensität pur fast nicht trinkbar und werden in der Regel mit Wasser (Grog) oder anderem Alkohol gemischt (verschnitten). Höherwertige Brände werden in Cocktails oder gerne auch pur genossen.

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