Schaufelbraten

Von wegen!

Irgendwie stimmt schon die Überschrift nicht. Schaufelbraten trifft es nämlich nicht ganz. Und wer bisher dachte, dass man das typische Bratenfleisch nur schmoren oder kochen könnte, der sollte jetzt unbedingt weiterlesen. Denn alles, was man als Kenner und Könner benötigt, um ein fulminantes Steak aus einem Schulterstück zu zaubern, ist ein Filetiermesser und ein bisschen Geduld. In diesem Zusammenhang werden wir später auch einem Bügeleisen begegnen, aber dazu weiter unten mehr. Um die Spannung zu erhöhen, wenden wir uns zunächst dem Fleisch und seiner hierzulande immer noch typischen Verwendung als Schmorgericht zu.

Power pur

Ein Rind wiegt 650 bis 1.200 Kilo und diese Masse muss erst einmal bewegt und getragen werden. Man kann sich das Ganze vielleicht so vorstellen: Der Antrieb erfolgt durch die Beinmuskulatur und die Fahrwerksaufhängung wird durch die Schultermuskulatur bewerkstelligt. Entsprechend stark, ausdauernd und leistungsfähig ist diese ausgelegt. Die Muskeln sind riesig, die Muskelfasern kräftig und als Energiespeicher ist reichlich intramuskuläres Fett eingelagert. Natürlich geht es nicht ohne Bindegewebe und Sehnen, aber das eigentliche Fleisch ist äußerst schmackhaft und voller Zutaten, die das Herz des Fleischliebhabers höher schlagen lassen.

Das Schaufelstück liegt zwischen Buglende (‚Falsches Filet‘ - Richtung Kopf) und dem ‚dicken Bugstück‘ (Richtung Hinterteil) direkt unterhalb des Schulterblatts, von dessen schaufelartiger Form es auch seinen Namen hat.

Der Klassiker

Kräftige Fasern, reichlich Fett und die schiere Größe: Seine grundsätzliche Beschaffenheit macht das Stück zur ersten Adresse für langsam gegartes bzw. geschmortes Fleisch. Selbst die innen liegende, sehr kräftige Sehne wird butterzart und verwandelt sich in köstliche Gelatine, wenn man dem Fleisch reichlich Zeit gibt, bei nicht allzu hohen Temperaturen vor sich hin zu schmoren. Auch saure Marinaden bekommen ihm ausgezeichnet, sodass Rotweinfleisch oder Sauerbraten aus dem Schaufelstück wahre Delikatessen sind. Man kann im Grunde gar nichts falsch machen, mit so einem Braten.

Der Hammer

Etwas anders sieht die Sache aus, wenn es um Kurzgebratenes geht. Das Fleisch an sich ist zwar weltklasse, die kräftige Sehne allerdings ist wahrlich kein Zuckerschlecken und führte lange Zeit dazu, dass das Stück als nicht brat- oder grillbar galt (und den doch recht despektierlichen Namen ‚Butler´s Steak‘ erhielt).

Die Versuchung war aber sowohl für die Metzger (die gerne möglichst viel Fleisch eines Rindes verwerten) als auch für die Köche (die gerne möglichst vielversprechende Zutaten verwenden) zu groß, als dass man sich einfach so nur von einer Sehne den Spaß hätte verderben lassen.

Das Flat Iron Steak

Und so kam man darauf, das Schaufelstück genau in der Mitte, also entlang seiner Sehne aufzuschneiden, die Sehne und die Silberhaut zu parieren und auf diese Weise aus einem großen Braten zwei sehr beachtliche Steak – Cuts zu machen. Wenn das Stück gut geschnitten und pariert ist, dann weist es eine sehr symmetrische, dreieckige Grundform auf, unter dessen englischer Bezeichnung ‚Flat Iron Steak‘ (flaches Bügeleisensteak) es vielleicht besser bekannt ist. Das war die Lösung! Keine Sehne und keine zähen Silberhäutchen mehr, sondern reines, marmoriertes Fleisch mit einer tollen Textur und einem ausgesprochen guten Geschmack.

Das Wasserbad

Nicht wenige Spitzenköche schwören mittlerweile auf den Flat Iron Cut, manche siedeln ihn in Qualität und Geschmack sogar noch oberhalb von Rump oder Filet an. Alles, was das Stück braucht, ist ausreichend Zeit, aber für Geduld revanchiert sich ein Flat Iron mit einem geradezu überwältigenden Ergebnis.

Absolut genial ist die Zubereitung durch Sous Vide (franz. weniger als leer, also Vakuum). Hier kommt das Stück in einen vakuumierten Beutel und gart dann über 12 Stunden (ja, zwölf) bei 55 Grad im Wasserbad. Danach für 40 Sekunden pro Seite auf den sehr heißen Grill (oder Pfanne) und fertig. Erst jetzt würzen. Sie werden Ihrem Gaumen nicht trauen, wie gut das Ergebnis ist.

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