Die Regionen Portugals
Fangen wir von vorne an
Um die gewaltige Bandbreite und Vielfalt der portugiesischen Küche besser verstehen zu können, müssen wir uns das Land bzw. die Nation erst einmal ein bisschen genauer ansehen. Das eine Portugal gibt es so nämlich gar nicht und Sie dürfen uns gerne glauben, dass es viel mehr zu entdecken gibt als Porto, Lissabon oder die Algarve.
Norden
Der Norden Portugals ist durch ein relativ kühles und feuchtes Klima geprägt und besteht aus zwei Landschaften: Der Minho liegt im Nordwesten und wird wegen seines Klimas und der vergleichsweise üppigen Vegetation als der grüne Garten Portugals bezeichnet. Im Nordosten liegt Trás-os-Montes („Hinter den Bergen“). Diese dem Meer abgewandte Seite Nordportugals ist sehr gebirgig, hat sehr kalte Winter und sehr heiße Sommer. Die Vegetation ist bedeutend weniger üppig als im Minho und wird zur Grenze nach Spanien hin immer spärlicher.
Zentrum
Die Region Centro, auch Mittelportugal genannt, ist größtenteils hügelig bis gebirgig und hat mit der Serra da Estrela ein recht beachtliches Gebirge. Die gesamte Region ist sehr fruchtbar mit einem für den Weinanbau günstigen Klima. Hier werden auch Getreide, Reis, Sonnenblumen und Gemüse angebaut.
Alentejo
Der Alentejo ist eine trockene und heiße, ebene bis hügelige Region im unteren Drittel des Landes und war früher einmal die Kornkammer Portugals. Auch hier werden Wein und Sonnenblumen angebaut, die weitläufigen Wiesen dienen zur Schafzucht.
Algarve
Die Algarve bildet die Südküste des Landes und ist mit ihren hübschen Städten, den Steilküsten und den Sandstränden mit glasblauem Wasser ein beliebtes Urlaubsziel. Die Sommer hier können ausgesprochen warm sein.
Inseln
Zu Portugal gehören auch die Inselgruppen Madeira (Holzinsel) und die Azoren (Habichtsinseln) mitten im Atlantik. Madeira vor der Küste Afrikas hat eine teils tropische, teils subtropische Vegetation. Der höchste Berg Portugals (Ponta do Pico, 2.351 Meter) befindet sich auf der Azoreninsel Pico.
Und der ganze Rest
So weit, so gut, jetzt müssen wir in unsere Überlegungen allerdings noch einen Faktor einfließen lassen, der großen Einfluss auf Portugals Küche hatte und hat, und das sind die mehr oder weniger über den ganzen Planeten verteilten ehemaligen Kolonien des Landes. Ohne allzu sehr ins Detail zu gehen – das mit Brasilien wissen Sie ja schon –, waren die Portugiesen unter anderem in Nordafrika, Ostafrika, Barbados, Amerika, im Nahen Osten, in Westindien, im indischen Hinterland und in Ostasien aktiv. Immerhin waren sie mal die größte Kolonialmacht der Welt …
Kein Wunder also, dass die portugiesische Küche auch unter dem Einfluss etlicher internationaler Gerichte und Zutaten aus so ziemlich jeder Klimazone der Erde steht.
Typische portugiesische Gerichte und Lebensmittel
Suppen und Eintöpfe
Suppe als erster Gang ist in Portugal fast obligatorisch. Eine sehr traditionelle Suppe Nordportugals ist die Caldo verde („grüne Brühe“), eine dünne Kartoffelcremesuppe mit in feine Streifen geschnittenen Blättern der Couve Galega, einem Kohl, serviert mit dünn geschnittenen Scheiben der Chouriço und Broa, dem typischen Maisbrot (sehen Sie: Die ist ziemlich herzhaft, was auf das eher raue und kalte Klima im Norden zurückzuführen ist). Für Südportugal sehr typisch ist der Gazpacho, eine kalte Gemüsesuppe aus Tomaten, Gurken und Knoblauch, die perfekt dafür geeignet ist, auch bei hohen oder sehr hohen Temperaturen genossen zu werden.
Weitere bekannte Suppen sind – vor allem an der Küste – die Sopa de Marisco (Suppe mit Meeresfrüchten), die Caldeirada à Fragateira, eine Fischsuppe, die Xarém com Conquilhas aus Maismehl, Chouriço und Muscheln (was ja ein ziemliches Cross-over ist) sowie die Açorda à alentejana, eine kräftige Brotsuppe mit Knoblauch, viel frischem Koriander, oft mit einem verlorenen Ei und Olivenöl.
Feijoadas sind deftige Bohneneintöpfe, oft mit brasilianischem Einschlag (sehen Sie …), bei denen gerne Innereien, aber auch Hornschnecken (Búzios) oder kleine Kalmare (Chocos) mitverwendet werden.
Fisch und Meeresfrüchte
Der Bacalhau, ein gesalzener und getrockneter Trocken- oder auch Stockfisch (streng genommen: Klippfisch bzw. Kabeljau), ist Spezialität und Nationalgericht Portugals. Hierfür gibt es unzählige Rezepte (natürlich wird der Fisch nicht trocken gegessen, sonders nur gelagert und in der Küche dann wieder „zum Leben erweckt“). Die Beliebtheit des Bacalhau basiert darauf, dass sich die portugiesischen Seefahrer auf ihren langen Fahrten (sehen Sie …) nur von haltbar gemachten Nahrungsmitteln ernähren konnten und dieser getrocknete Fisch deshalb unentbehrlich war. Er wird in Portugal in jedem Fischgeschäft und auf allen Märkten angeboten.
Fisch und alle Sorten von Meeresfrüchten insgesamt spielen in der portugiesischen Küche eine sehr große Rolle. Sehr beliebt sind Sardinen, gegrillt als Sardinhas assadas, die praktisch überall entlang der Küste angeboten werden. Dann gehören Tintenfische, Langusten, Krebse, Tunfisch, Schwertfisch, Aal, Lampreten, Garnelen und Austern auf die Teller, Langusten, Riesentaschenkrebse (Sapateiras) und Meeresspinnen (Santolas) werden in vielen Restaurants frisch aus dem Aquarium zubereitet. Typisch ist auch Ameijoas na Cataplana, ein Muscheleintopf mit Schweinefleisch, Speck und Zwiebeln (wieder so ein herzhaftes Cross-ober).
Sehr beliebt ist auch der Arroz de Mariscos, eine Reisplatte mit Meeresfrüchten wie Krebsen, Muscheln, Scampi und Langusten – man könnte ihn fast mit Paella verwechseln.
Fleisch und Wurst
Neben Rindfleisch wird in Portugal häufig auch Zicklein (Cabrito) und Lammfleisch (Borrego) gegessen. Alcatra ist mit Rotwein und Knoblauch mariniertes Rindfleisch. In ländlichen (und entsprechend ärmeren) Regionen weitab vom Meer werden nach wie vor gerne Innereien, Rinderzunge und auch Kutteln gegessen, oft als Einlage in Eintöpfen. Außerdem spielen Pute, Ente, Rebhuhn und Taube eine gewisse Rolle in der portugiesischen Küche.
Früher war Fleisch generell keine Alltags-, sondern eine Festtagsspeise. Am häufigsten wurden Fleischstücke und Würste in Eintopfgerichten verwendet. Ein typisches Wintergericht ist der portugiesische Eintopf Cozido à portuguesa, für den es viele Rezepte gibt. Eine sehr reichhaltige Variante kann verschiedene Sorten Fleisch, Blutwurst, Schweinefüße, Kartoffeln, Karotten, Erbsen, Kohl und Reis enthalten. Ein weiteres deftiges Gericht ist Tripas à Moda do Porto, Kutteln mit weißen Bohnen, das aus Porto stammt (sehen Sie: wieder der kühle Norden).
Leitão assado à Bairrada ist eine berühmte Spanferkel-Spezialität aus der Region Bairrada direkt südlich von Porto.
Auch der Churrasco hat aus den ehemaligen portugiesischen Kolonien, allen voran Brasilien (sehen Sie …), seinen Weg nach Portugal gefunden.
Gewürze
Gewürze werden in der portugiesischen Küche eher zurückhaltend verwendet. Viele Gerichte werden mit Knoblauch zubereitet, jedoch relativ maßvoll. Eine wichtige Rolle spielen Koriander, Muskat, Nelken, Oregano, Thymian, Paprika und Lorbeer sowie glatte Petersilie. Eine portugiesische Spezialität ist Piri Piri, eine kleine rote Chilischote.
Käse
Käse wird traditionell vor oder nach einem Hauptgericht gegessen.
Portugal hat gutes Weideland für Kühe, Schafe und Ziegen und demzufolge eine lange Tradition bei der Käseherstellung. Der wohl bekannteste portugiesische Käse ist der Queijo da Serra – ein Schafskäse aus der Region Serra da Estrela, die auch ein berühmter Naturpark ist. Sein Geschmack ist mild und leicht säuerlich. Der Queijo Mestiço de Tolosa ist ein Rohmilchkäse aus Ziegen- und Schafsmilch und wird nur während der Stillzeit der Schafe und Ziegen zwischen Januar und Juli hergestellt. Cabreiro ist ein herber Ziegenkäse. Der Queijo Rabaçal wird aus gemischter Ziegen- und Schafsmilch hergestellt, der Queijo de azeitão ist ein eher milder Schafskäse.
Auf den Azoren wird unter anderem der Hartkäse Queijo da Ilha hergestellt, der wie Parmesan verwendet wird. Die bekanntesten azorischen Käse sind der Queijo do Pico und der Queijo de São Jorge, beide aus Kuhmilch.
Süßspeisen
Vor allem bei den Süßspeisen macht sich der Einfluss der Mauren bemerkbar, die jahrhundertelang die Iberische Halbinsel beherrschten (da war es mal andersrum). Die portugiesische Küche ist bekannt für Süßspeisen auf der Basis von Eigelb und Zucker, zum Beispiel Doce de Ovo („Süßes aus Eiern“), Arroz doce („Milchreis“) und Pudim Caseiro („Hausmannspudding“), einen Eierpudding mit Karamellsoße. Von besonderer Bedeutung ist die Doçaria conventual (portugiesisch für „klösterliche Süßwaren“), darunter das berühmte Pastel de Nata, in Blätterteig gebackene Sahnepuddingtörtchen. Eine weitere Spezialität ist Toucinho do Cèu („Himmelsspeck“) mit Mandeln, Zucker und Eigelb. Eine wichtige Rolle spielt auch süßes Gebäck, für das Feigen und Mandeln verwendet werden.
Süßgebäck
Die Mil Folhas („Tausend Blätter“), eine mit Pudding gefüllte und mit Zuckerguss überzogene Blätterteigspezialität, sind sehr beliebt. Weitere Blätterteigspezialitäten sind das gefüllte Pastel de Tentúgal, die Pastéis de Feijão („Bohnenpasteten“, etwas deftiger, aber trotzdem süß-saftig) und Almofadas („Kissen“, ebenfalls mit Puderzucker überzogen). Bolo de Xadrez („Schachkuchen“), ein Kuchen mit karoartigem Innenmuster, und Éclairs sind ebenfalls äußerst populär. Unter dem Namen Bolas de Berlim sind in Portugal auch Berliner Ballen bekannt. Diese sind aber mit Pudding oder Schokolade anstatt statt mit Marmelade gefüllt.
Getränke
In Portugal gehört natürlich Wein zur allgemeinen Esskultur – mit 500 heimischen Rebsorten hat das Land eine ganz schöne Vielfalt anzubieten, die durch das kühle Klima der Atlantikküsten bzw. durch das heiße und trockene Klima im Landesinneren noch reichhaltiger wird. Große Bekanntheit über die Landesgrenzen hinaus genießt – neben dem Vinho verde – Portwein, ein Likörwein, der vor allem zu Desserts getrunken wird. Die Reben hierfür wachsen ausschließlich im Gebiet des Douro-Tales. Das dort 1756 definierte Alto-Douro-Gebiet war das erste geschützte Weinbaugebiet der Welt und ist heute als UNESCO-Welterbe eingetragen. Die süße Version des Vinho da Madeira aus Madeira ähnelt dem spanischen Sherry, Madeirawein ist aber in allen Varianten von trocken bis sehr süß erhältlich.
Es gibt eine Reihe von portugiesischen Tresterschnäpsen (Aguardente) und Likören wie Licor beirão oder Ginjinha (einen Sauerkirschlikör). Bekannt sind insbesondere der Weinbrand Macieira und der Erdbeerbaumschnaps Medronho, typisch für den Alentejo und die innere Algarve (sehen Sie …).
Was hierzulande kaum jemand weiß: Portugal verfügt über einige schon von den Römern sehr geschätzte Mineralwässer wie Água de Luso, Água Castello, Água do Fastio, Carvalhelhos Água Mineral oder auch Agua das Pedras.