Pflücksalat und Schnittsalat
Früher war alles besser
Zumindest, was den Salat, seinen Anbau, seine Ernte und seinen Verzehr anging. Im Gegensatz zur heutigen Zeit, wo wir unseren Salat in Köpfen oder am Stiel einzukaufen gewöhnt sind, ging man nämlich vollkommen anders an die Sache heran und bekam entsprechend andere Ergebnisse: Blätter.
Jetzt muss man wissen, dass so ziemlich alles, was wir heute „Salat“ nennen, Züchtungen aus der sogenannten Neuzeit sind, die ungefähr um 1500 anbrach. Nur der Romana-Salat, der Feldsalat und der Rucola entsprechen noch mehr oder weniger ihrem alten botanischen Zustand. Auf jeden Fall war das Gemüse den Leuten (und hier vor allem den Mönchen) wert und teuer, sodass sie nur höchst ungern eine ganze Pflanze vernichteten, damit sie etwas Frisches auf den Teller bekamen, was auch wirklich nicht haltbar gemacht werden konnte, und darum gingen sie anders vor:
Sparsam währt am Längsten
Sie bauten Pflanzen an (die meisten Salate sind Lattiche oder Zichorien – ein typischer heutiger Schnittsalat besteht allerdings in den meisten Fällen aus Lattichen, also eher aus Kopfsalat als aus Endivien), deren Blätter schön locker, luftig und von innen zur Seite hin wuchsen. Wenn die Blätter groß genug waren, ohne schon bitter, trocken oder verholzt zu sein, dann schnitt oder pflückte man rings um den Strunk ein paar davon ab, ließ die Pflanze ansonsten aber in Ruhe und wartete schlicht auf den nächsten Satz reifer Blätter. Das ergab natürlich keine ernst zu nehmenden Mengen an Schnittgut, aber schließlich wurde ja nicht nur eine, sondern normalerweise ziemlich viele Pflanzen angebaut. Übrigens gerne auch ganz verschiedene Sorten, die zwar von der Aussaat bis zur Ernte unterschiedlich lange brauchten, aber mit ein bisschen Geschick und Beobachtungsgabe dauerte es gar nicht lange, bis man wusste, was wann in die Erde musste, damit alles möglichst gleichzeitig erntereif war.
Salate werden „satzweise“ gesät
Satz für Satz
Erzeuger von Schnittsalaten machen das übrigens heute noch so: Die Salate werden „satzweise“ in Reihen gesät, womit allerdings nicht gemeint ist, dass die Samen in die Erde „gesetzt“ werden. Unter einem „Satz“ versteht man vielmehr den Anbautermin, der für jeden Salat jeweils so ausgelegt ist, dass alle Pflanzen gleichzeitig geerntet werden können. Auf diese Weise sind die Erträge gut kalkulierbar und als höchst erfreulicher Nebeneffekt gilt hierbei, dass man zwar der Reihe nach ernten kann, aber gleichzeitig eine hübsche Mischung verschiedener Salatblätter zustande kommt.
Die Mischung machtʼs
Große Anhänger dieser Methode sind die Italiener, die sich ganz schön was auf ihre Salate einbilden (zu Recht) und nichts auf ihre „Misticanza“ kommen lassen. In diesen Mischungen, die von Region zu Region anders ausfallen, finden sich wahlweise nur Zichorien, nur Lattiche, Mischungen hieraus und je nach Geschmack, Anbaugebiet und Temperament gerne auch Rucola und andere Krautartige.
Die Ausreißer
Gutes Stichwort! Denn obwohl wir es einfach nicht wahrhaben wollen, sind weder Rucola noch der Feldsalat klassische oder typische „Salate“, egal ob wir sie als solche zubereiten und verspeisen. Der Rucola zum Beispiel gehört zu den Kreuzblütlern, die eher für ihre Rüben, so ziemlich jeden essbaren Kohl, Rettich und auch für Senf bekannt sind, und die Sorte, die wir hier meistens ernten und essen, heißt eigentlich „Schmalblättriger Doppelsame“ oder noch besser: „Stinkrauke“. Lecker …
Beim Feldsalat sieht es auch nicht viel besser aus, denn dieser ist nachweislich überhaupt nichts Salatiges, sondern zählt ganz klar zu den Kräutern: Feldsalat, wie wir ihn kennen, ist letzten Endes ein Baldrian-Gewächs (was seinem wunderbaren Geschmack natürlich überhaupt keinen Abbruch tut). Außerdem hatte er bei der Namensvergabe entschieden mehr Glück als sein Rucola-Kollege: Feldsalat ist auch als Ackersalat, Mausohrsalat, Nüsschen, Schafmäulchen, Sonnewirbele und Rapunzel bekannt. Ja, Rapunzel. Die mit dem Turmzimmer, dem extralangen Zopf und dem blinden Prinzen. Können Sie ja mal googeln…