Pastinaken

Natürlich schätzten bereits die Römer den Pastinak über alle Maßen und auch in der sehr frühen nachrömischen Geschichte Europas wurde er heiß geliebt. Seine Jahrhunderte währende Erfolgsgeschichte beginnt aber erst so richtig um 800 nach Christus, weil ein sehr bedeutender Herrscher per Dekret verfügt hatte, dass er auf allen seinen Landgütern angepflanzt werden musste.

Karl, der Mächtige

Ob Karl der Große auch wirklich groß von Gestalt war, ist schwer zu sagen und im Grunde auch ziemlich egal. Sein Reich jedenfalls, das Frankenreich (nicht mit Frankreich verwechseln, das ist viel, viel kleiner), hatte zum Ende seiner Regentschaft und seines Lebens hin jedenfalls eine Ausdehnung, die wahrlich ihresgleichen sucht. Wenn man es nicht allzu genau nimmt und das eine oder geographische Auge zudrückt, dann könnte man fast schon sagen, dass sich im Frankenreich von 814 mehr oder weniger die gesamte heutige EU befunden hat.

Carolus Magnus also: geboren so etwa um 747, im Jahr 768 im Alter von gerade einmal zarten 19 oder 20 Jahren zum König des Frankenreichs gekrönt und 814 immerhin als Kaiser in Aachen gestorben, hat so gesehen echt was aus seinem Leben gemacht. Zu nennen sind da natürlich all die Feldzüge, die sich im Schwerpunkt nach Süden und Osten richteten und zu einer ungeheuren Vergrößerung des Reiches führten. Dann natürlich seine Krönung zum Kaiser im Jahr 800 durch den Papst in Rom (Rom und ganz Norditalien hatte Karl mit seinen Truppen praktischer Weise schon 774 erobert), was ihn zum ersten westeuropäischen kaiserlichen Herrscher seit der Antike machte - ein unglaublicher Machtzuwachs.

Karl, der Rastlose

Wichtig in diesem Zusammenhang war und wurde bei einem derartig riesigen Reich, dass man es nicht nur irgendwie zusammenhalten, sondern auch bestmöglich regieren musste, was wirklich keine kleine Sache war. Wie alle frühmittelalterlichen Könige war auch Karl ein Reisekönig, was nichts anderes bedeutete, als dass er im Grunde gar keinen eigenen Palast hatte, wie wir uns das heute so gerne vorstellen (Aachen wurde zwar irgendwann zu seiner Lieblingsresidenz, einen Kaiserpalast würde man dort aber vergeblich suchen; hier ist der berühmte Krönungsdom die wohl wichtigere Immobilie) und mehr oder weniger pausenlos mitsamt seinem kompletten Hofstaat landauf-landab und kreuz und quer durch sein Frankenreich reiste.

Natürlich schliefen die Herrschaften unterwegs nicht in irgendwelchen Zelten, sondern steuerten sehr zielstrebig und hervorragend geplant und organisiert sogenannte „Pfalzen“ an, also meist (sehr) große Gutshöfe, die die Reisenden nicht nur aufnehmen und unterbringen sondern auch angemessen verpflegen konnten. Kaum verwunderlich, dass die Pfalzen meistens so ungefähr 30 Kilometer voneinander entfernt lagen, also so weit, wie man zu dieser Zeit als Reiter so kam. Die ganz großen Pfalzen befanden sich übrigens in oder sehr nahe an Städten, was gut war, wenn man über längere Zeit zu verweilen gedachte oder – schließlich war das ein großer Teil des Alltagsgeschäftes als Herrscher – Recht zu sprechen, Verträge zu verhandeln oder Verfügungen zu erlassen hatte.

Karl, der Reformer

Stichwort Verfügungen: Zwei sehr wichtige und so gesehen auch ziemlich berühmte Verfügungen, die Kaiser Karl auf den Weg brachte, waren zum einen eine sehr wichtige Bildungsreform, die unter anderem dafür sorgte, dass fortan überall im gesamten Reich wieder anständiges Latein gesprochen und geschrieben wurde. Hierdurch wurde jeder Menge Missverständnissen ein Riegel vorgeschoben, weil bis dahin durch das ziemlich schlampige und durch viele Dialekte und Idiome „ergänzte“ Latein die Klarheit der Aus- und Ansagen schwer in Mitleidenschaft gezogen waren – wenn die Leute im Osten überhaupt noch irgendwas von dem verstanden, was die im Westen ihnen da so schrieben. Und umgekehrt. Bekannt wurde diese Maßnahme übrigens als „Karolingische Bildungsreform“, wenn Sie mal jemand fragt …

Die zweite Verfügung, das „Capitulare de villis vel curtis imperii (Caroli Magni)“ von ungefähr 800 n.Chr. ist eine Landgüterverordnung, die Karl der Große als detaillierte Vorschrift über die Verwaltung seiner jeweiligen Krongüter erließ; dieses Kapitular ist eine berühmte Quelle für die Wirtschafts-, speziell für die Agrar- und Gartenbaugeschichte. Zum Hintergrund muss man wissen, dass Karl auch der größte Grundbesitzer seines Reiches war. Natürlich aufgeteilt in Grafschaften, Fürstentümer, Lehen und so weiter, aber vor allem, was die Pfalzen anbetraf, mussten teils erhebliche Mengen an Speisen, Waren und Produkten vorgehalten werden, wenn der Hofstaat kam.

Außerdem war Karl wohl alles andere als ein brutaler Despot, der sich nicht weiter um die Belange seiner Untergebenen scherte. Vielmehr war er ziemlich darauf erpicht, dass es den Leuten einigermaßen gut ging, dass auch die Armen nicht hungern mussten und so weiter und so fort. Das „Capitulare de villis“ diente vor allem also dem Zweck, möglichst effizient möglichst nahrhafte möglichst bekömmliche möglichst sättigende Nahrungsmittel in guter, wenn nicht gar in hervorragender Menge zu produzieren, von denen dann jeder etwas hatte.

Karl, der Weitsichtige

Sie ahnen, worauf das Ganze hier hinausläuft, oder? Ganz genau richtig, denn Karl verfügte schriftlich und somit unmissverständlich, dass Pastinaken im großen Stil auf allen Ländereien anzupflanzen und zu kultivieren seien, auf die er persönlich den direkten Zugriff hatte, also auf sämtlichen Krongütern. Der süßlich-aromatische Pastinak galt als nahrhaft, gut schmeckend, leicht anzubauen, gut aufzubewahren und als ziemlich widerstandsfähig gegen Parasiten, Pilzkrankheiten und andere Störenfriede.

Und auch, wenn man sich das jetzt vielleicht nicht so ganz vorstellen kann: Pastinaken waren bis weit ins 18. Jahrhundert hinein unverzichtbarer Bestandteil der (da schon ganz und gar nicht mehr) mittelalterlichen Küche, bei der der normale Durchschnittsbürger sich ziemlich vegetarisch ernährte und sehr oft schlicht Kohl, Rote Rüben, Zwiebeln, Lauch, Knoblauch und irgendeinen Brei aus Getreide zu sich nahm. Da kamen die Süße und die Stärke des Pastinak gerade recht.

Und nur, um Ihnen einmal ein Gefühl dafür zu vermitteln: In der mittelalterlichen Küche kam dem Pastinak (auch quantitativ) eine landwirtschaftliche und ernährungswerte Bedeutung zu, wie man sie heute in etwa mit Kartoffeln in Verbindung bringt. Der war schon auch ganz schön schlau und weitsichtig, der große Karl …

Jetzt aber! Der Pastinak

Der Geschmack der Wurzeln ist süßlich-würzig-erdig, teilweise auch herb und erinnert entfernt an eine Mischung aus Karotte und Sellerie. Auch Petersilienwurzel schwingt mit, was aber kein großes Wunder ist, da die beiden Doldenblütler ziemlich eng miteinander verwandt sind.

Unser Tipp: Ergänzen Sie Ihren Bratensoßen-Ansatz, der ja typischerweise aus Zwiebel, Sellerie und Karotte zu etwa gleichen Teilen besteht, um einen Teil gewürfelten Pastinak. Sie werden sich wundern, wie gut das ist und harmoniert.

Pastinaken sind vielseitig: sie lassen sich ebenso gut backen, braten oder kochen, wie zu Cremesuppen und Pürees verarbeiten. Er sollte allerdings nicht zu dunkel angebraten oder geröstet werden, da er sonst einen bitteren Geschmack entwickelt. Gerieben kann Pastinak - wie Sellerie auch - als Salat zubereitet werden.

Zu den Klassikern der englischen Küche (hier haben die Kartoffeln der Begeisterung für Pastinaken keinerlei Abbruch getan) gehört Pastinakenpüree, „mashed parsnips“, das genauso wie Kartoffelpüree zubereitet wird, aber viel aromatischer ist. Es wird traditionell zu gebratenem oder gegrilltem Fleisch gereicht. Ähnlich der Kartoffel werden aus Pastinak hier auch Chips hergestellt. Die Blätter des Pastinak können (wenn man sie denn bekommt), ähnlich wie Petersilie als Würzkraut verwendet werden.

Übrigens: Im Vergleich zu Karotten kommt Pastinak auf einen viermal so hohen Gehalt an Ballaststoffen, Kalium, Proteinen und Vitamin C. Gesünder geht es also kaum …

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