Panettone

Backe, backe Kuchen, der Bäcker hat gerufen? Von wegen! Bäcker sind für Brot zuständig und Kuchen werden von Konditoren gemacht. Kein Wunder also, dass die legendären italienischen Panettoni von Bäckern hergestellt werden und bei Konditoren gar nicht erhältlich sind. Warum das so ist? Woher der Name stammt? Was unbedingt reingehört und was auf gar keinen Fall? Warum man das Weihnachtsbrot nach dem Backen kopfüber aufhängt?

Ein Kuchen ist er schon mal nicht

Wenn Sie auf der Suche nach einem frischen Panettone sind und zum Zwecke des Erwerbs eine Konditorei aufsuchen sollten, dann werden Sie mit höchster Wahrscheinlichkeit enttäuscht: Einen ordentlichen Panettone bekommt man beim Bäcker. Das ist auf den ersten Blick vielleicht ein bisschen verwunderlich, ist das Gebäck doch süß und mit allerlei süßen Zutaten hergestellt. Andererseits bedeutet „Pane“ auf Italienisch schlicht „Brot“ und wenn man außerdem noch weiß, dass der entsprechende Teig ein Sauerteig ist, dann ist das doch eigentlich ganz plausibel.

Ziemlich genau nehmen es die Rezepte (und Hersteller) auch damit, was reingehört und was nicht. Zum einen ist das natürlich der Sauerteig, der auf Weizenmehl angesetzt wird und dem nach der ersten Gare (umgangssprachlich: Gärzeit) Butter, Zucker, Eier, Mehl, Wasser und Salz zugesetzt werden. Das ergibt den Grundteig, der nach einer weiteren Gärrunde mit kandierten Früchten, Zitronat, Sultaninen und natürlichen Aromen veredelt wird.

Ganz schön pingelig

Außerdem sind die Bäcker wählerisch, denn Konservierungs- oder Farbstoffe sind ebenso tabu wie andere Fette als ausschließlich Butter. Die zugefügten kandierten Früchte, die Sultaninen und auch das berühmt-berüchtigte Zitronat müssen zwingend mindestens acht mal acht Millimeter groß sein und das Zitronat darf keinesfalls von irgendwelchen dahergelaufenen Zitronen stammen, sondern muss unbedingt von genau für diesen Zweck gezüchteten Zedratzitronen kommen, die auch als „medischer Apfel“ oder „Zedernapfel“ bekannt sind.

Und weil der Ursprung des Panettone in Norditalien liegt und er sich besonders in Mailand größter Beliebtheit erfreut, gibt es – wie sollte es auch anders sein – eine offizielle Beschreibung von Produktspezifikation und Herstellung eines Panettone: Disciplinare di produzione del „Panettone tipico della tradizione artigiana Milanese“. Panettone ist eine eingetragene Marke der Handelskammer in Mailand.

Wie er wurde, was er ist

Etwas weniger streng geht es bei den Überlegungen zu, wie der Panettone zu seinem Namen gekommen sein könnte bzw. wie er wohl entstanden ist. Manche Quelle sagen, es handele sich einfach um ein besonders hoch aufgegangenes Brot, und sind folgerichtig der Auffassung, dass Panettone „großes Brot“ bedeutet (was ja auch ziemlich genau zutrifft, denn ein Panettone mit weniger als rund 20 Zentimetern Höhe ist kein Panettone). Andere bevorzugen die kleinen, charmanten Geschichten, die gerne ein bisschen malerischer sind. Hier spielt übrigens ein Wort aus dem Mailänder Dialekt eine gewisse Rolle, aber dazu weiter unten mehr.

Auf jeden Fall kommen hier die unserer Meinung nach nettesten drei Ansätze:

Der verliebte Ritter: Mailand, 1490. Ughetto, ein junger Ritter, liebte die Bäckerstochter Adalgisa. Weil die Standesunterschiede aber eine Heirat nicht gestatteten (sie war zu arm und er kam aus zu gutem Haus), ließ sich der verliebte Ughetto kurzerhand bei Adalgisas Vater Antonio („Toni“) als Bäckergehilfe anstellen. Allerdings liefen Tonis Geschäfte immer schlechter, sodass die Hochzeitspläne der beiden in immer weitere Ferne rückten. Also dachte der junge Ritter einmal kurz und heftig nach, ließ seine guten Kontakte spielen und besorgte dem zukünftigen Schwiegervater heimlich eine schöne Menge kostbarer Zutaten wie Butter, Zucker, gedörrte Trauben und kandierte Früchte. Mit diesen für jene Zeit höchst edlen Beigaben kreierte der derart beglückte Antonio ein außergewöhnlich süßes, luftiges Brot und kam so bald zu Wohlstand und Ansehen – einer Heirat der beiden jungen Verliebten stand nun also nichts mehr im Wege. Das herrliche Gebäck nannte man fortan „Pane di Toni“ (Brot des Toni); daraus sei schließlich der Name Panettone entstanden.

Der schlaue Küchenjunge: Auch die zweite Legende spielt in Mailand und ebenfalls im 15. Jahrhundert. Bei einem Weihnachtsfest am Hof des Herzogs Ludovico Sforza wurde der Dessertkuchen im Ofen vergessen, und er verkohlte bis zur Ungenießbarkeit. Der Koch war am Boden zerstört und wusste sich nicht zu helfen, bis ein Küchengehilfe namens Toni ein paar Teigreste zum Vorschein brachte, aus denen er sich eigentlich später ein eigenes Abendbrot hatte backen wollen. Aus diesem Teig, den er – schließlich reden wir hier über die Küche eines waschechten Herzogs – mit kandierten Früchten, Eiern, Zucker und Sultaninen entschieden aufwertete, improvisierte der Koch in seiner Verzweiflung ein Gebäck, das der adligen Gesellschaft schließlich vorzüglich mundete: Eine weitere Legende zur Entstehung des „Pane di Toni“ war geboren. (Allerdings kann man sich schon fragen, wie die beiden in Windeseile ein Sauerteigbrot herstellen konnten, das eigentlich so um die 36 Stunden Gare benötigt, aber egal.)

Die arme Nonne: Die dritte Geschichte erzählt von der Nonne Ughetta, die zu Weihnachten alle Zutaten zusammensuchte, die ihre karge Klosterküche so hergab, um ihren mittellosen Mitschwestern wenigstens an diesem Festtag eine kleine Freude zu bereiten. Sie fand überraschenderweise kandierte Früchte und ein paar Sultaninen in ihren Vorräten und kippte sie leise lächelnd in den bereits angesetzten Sauerteig, aus dem sie eigentlich nur ein bisschen Brot hatte backen wollen. Um das „Weihnachtsbrot“ zu segnen, schnitt sie den Teig vor dem Backen kurzerhand kreuzweise ein. Die Schwestern waren so begeistert von ihrem Weihnachtsbrot, dass sich die Kunde davon bald in ganz Mailand verbreitete und die Menschen zum Kloster kamen, um gegen eine Spende ein Stück von dem Brot mit nach Hause nehmen zu können. Das Kloster war von diesem Tag an nicht mehr arm.

Jetzt noch mal kurz zu dem bereits angekündigten Mailänder Wort: Mit „ughett“ bezeichnet man im Mailänder Dialekt getrocknete Weintrauben, also Rosinen oder Sultaninen. Ganz sicher ein Grund dafür, dass der Begriff mehrfach als Name in den erwähnten Panettone-Legenden auftaucht – und auch eine Andeutung, dass ein Panettone unbedingt und zwingend Rosinen enthalten muss.

Gut: Diese drei Varianten spielen allesamt in Mailand, allerdings hat auch das Tessin eine lange Panettone-Tradition. Der Tessiner Bäcker-Konditorenmeister-Verband hat, wie sich das gehört, natürlich ebenfalls ein eingetragenes Qualitätslabel für Tessiner Panettoni kreiert, das für erstklassige, natürliche Zutaten und für die traditionelle Herstellung in den Bäckereien bürgt. Der Tessiner Panettone darf weder Konservierungs- oder Farbstoffe noch anderes Fett als Butter enthalten. Als Treibmittel muss natürlicher Sauerteig, die „madre“, verwendet werden.

Lecker, aber langsam

Was sich so luftig und leicht präsentiert, ist das Resultat eines langwierigen Herstellungsprozesses: Vom Vorteig bis zum fertigen Panettone dauert es nämlich etwa 36 Stunden. Nachdem der Grundteig je nach Rezept bis zu zwölf Stunden „gegangen“ ist, werden Butter, Zucker, Eier, Mehl, Wasser und Salz zugefügt und eingeknetet, bevor es für weitere sechs Stunden in den Gärschrank geht. Am nächsten Tag werden die restlichen, die „edlen“ Zutaten daruntergemischt und die Masse wird in die typischen Papierformen abgefüllt. Danach lässt man den Panettone noch einmal sechs Stunden gehen, bis er schließlich und endlich in den Ofen kommt.

Damit die schöne Kuppelform nach dem Backen nicht wieder in sich zusammenfällt und die relativ schweren Sultaninen und kandierten Früchte nicht auf den Boden des Gebäcks sinken, hängt man die Panettoni zu allem Überfluss nach dem Backen auch noch kopfüber zum Auskühlen auf. Dazu sticht man quer durch den Teigboden einen oder zwei lange Spieße ein, auf denen das Gebäck dann sicher liegt, und lässt es danach nochmals für mehrere Stunden ruhen. Erst dann ist es bereit zum Verzehr.

Genossen wird das Prachtstück üblicherweise übrigens mit heißen, süßen Getränken oder süßem Wein, zum Beispiel Spumante oder Moscato. Kein Wunder, dass Panettone besonders im Winter so geliebt (und im Grunde auch nur dann hergestellt) wird.

Die näheren Anverwandten

Auch sie haben ein „Pan“ im Namen, was aber erst einmal nur bedeutet, dass die Italiener sie ebenfalls irgendwie mit „Brot“ in Verbindung bringen.

Pandoro

Der Pandoro (Pan d’oro – goldenes Brot; er enthält besonders viel Eigelb, was den Teig goldgelb färbt) ist mit dem Panettone eng verwandt, hat seinen Ursprung allerdings in Verona. Er wird ebenfalls aus einem Sauerteig zubereitet, enthält aber weder Sultaninen noch kandierte Früchte. Außerdem wird er auch nicht in einem Ring und Papierformen gebacken, sondern in einer achteckigen, sternförmigen Backform, die ihm seine typische gezackte Kuppelform verleiht. Auch daran erkennen Sie auf den ersten Blick, ob Sie nun vor einem Panettone oder vor einem Pandoro stehen.

Pandolce

Das Hefeteiggebäck Pandolce (Süßbrot) kommt dagegen aus Genua. Ander als Panettone und Pandoro ist es rund und flach und enthält Pinienkerne, Pistazien, Sultaninen und kandierte Früchte. Zitronat wird eher nicht verwendet.

Panforte

Der aromatische Gewürzkuchen aus Siena ist zwar kein Hefegebäck und bleibt entsprechend flach. Allerdings enthält auch er kandierte Früchte und zusätzlich Nüsse, Zimt, Pfeffer und Nelken. Er ist das ganze Jahr über erhältlich und schmeckt zudem hervorragend zu Käse und eher trockenen Weinen.

Erfahren Sie mehr über unsere vielfältige Warenwelt

Kundennähe und kompetente, freundliche Beratung sind uns ein besonderes Anliegen.