Sommer
Das soll jetzt kein Sakrileg sein, wirklich nicht, aber was, wenn wir uns kurz mal vorstellen würden, dass die Römer damals in Jerusalem zum Beispiel erst im August (und da am Sonntag nach dem ersten Sommervollmond) auf die Idee gekommen wären, Jesus Christus ans Kreuz zu schlagen: Wie sähe unser Osterfest dann heute wohl aus? Klar, die Kirche hätte wahrscheinlich auch dann eine längere Fastenzeit festgesetzt, denn immerhin gab der Herr Leib und Blut zur Vergebung unserer Sünden. Aber würden wir in diesem Fall tatsächlich noch Lammbraten essen (wohl kaum, da die Tiere im Sommer schon längst keine kleinen Lämmer mehr sind) oder bunte Eier verstecken?
Früher
Gäbe es dann im Hochsommer die Traditionen mit bunten Bändern, frischem Laub, Feuern, Feiern und entsprechenden Umzügen? Hypothetisch ja – andererseits ist dies ein guter Verweis darauf, dass das heutige Osterfest in weiten Teilen auch auf Rituale und Zeremonien zurückzuführen ist, die von einer „heidnischen“, naturverbundenen Religiosität herrühren und die so im Grunde nur im Frühling abgehalten werden konnten, da in dieser Jahreszeit nicht nur die Sonnenwende stattfand, sondern man mit ihr auch in schöner Regelmäßigkeit den Beginn eines neuen (landwirtschaftlichen) Jahres feierte und dabei die Fruchtbarkeit des Lebendigen immer wieder neu heraufbeschwor.
(Sie halten diesen Gedanken für weit hergeholt? Dann machen Sie einen kleinen Test und beantworten Sie sich die Frage, womit Sie immer anfangen, wenn Sie die vier Jahreszeiten aufzählen sollen ... Sehen Sie?)
Frisch
Auch heute noch finden wir in erstaunlicher Übereinstimmung zahlreiche Rituale, die mit (Quell-)Wasser in Verbindung stehen, und auch solche, bei denen Äste mit frisch gesprossenem Laub dazu verwendet werden, Frauen mit ebendiesem Wasser zu benetzen, damit sie auch im kommenden Jahr schön und gesund bleiben mögen – in Polen, Schweden, Tschechien, der Slowakei, Ungarn, Rumänien, Finnland und immerhin Australien machen sie das so oder so ähnlich. Allerdings kann das alles nicht besonders viel mit Ostern zu tun haben, da Jesus bei seinem Ableben längst schon getauft war und getauft hatte (außer man möchte es so und macht sich die Symbolkraft des Wassers als Quell des Lebens zunutze).
Neustart
Auf jeden Fall scheint es mehr als ein quasi glücklicher Zufall zu sein, dass wir Ostern genau dann feiern, wann es die Altvorderen schon getan hatten – wenn auch mit einer etwas abweichenden Agenda. Schließlich ist mit Ostern das Ende der Fastenzeit gekommen, sei es eine von der Kirche so festgelegte oder von der Natur vorgegebene. Frische Pflanzen sind schon da, die Tiere haben den Winter überstanden und sich bereits erfolgreich gepaart und auch sonst ist wieder „Leben in der Bude“: Die Zeit des Verzichts ist endlich zu Ende und das war auf jeden Fall ein guter Grund zum Feiern.
Hunger
Lassen wir die sozusagen symbolischen Rituale an dieser Stelle kurz beiseite und kümmern uns lieber um die leiblichen Freuden und Genüsse. Eier waren von der Kirche als „Fleisch“ eingestuft worden, weswegen sie während der Fastenzeit nicht genossen werden durften. Fleisch, Geflügel und mancherorts auch Fisch galten nicht als Fastenspeise. (Aber weil es so manchen Mönch wohl dennoch nach Fleisch gelüstete, wurden ausgerechnet die Biber nicht als solches angesehen und durften während der Fastenzeit durchaus gegessen werden – wo ein Wille ist, …). Umso verständlicher, dass man an Ostern so richtig in die Vollen ging und Lammfleisch (praktisch, dass Christus auch als Opferlamm angesehen wurde) von den Tieren, die im Frühling gerade so ihre erste Schlachtreife erreicht hatten, ebenso mit Freuden verspeiste wie allerlei Teigspeisen, Kuchen und Hefegebäck, die gerne eine schöne Menge an Eiern und Zucker enthalten durften.
Ofen
Überhaupt kommt den Teigwaren die wohl größte Bedeutung zu, denn so gut wie überall haben sich österliche Spezialitäten entwickelt, deren Vielfalt und Varietäten die von Fleischrezepten bei Weitem übertreffen.
Süß und Herzhaft: Eine österlich kulinarische Reise
Topf
Darüber hinaus kennen wir herzhafte und reichhaltige Suppen wie die polnische Wurstsuppe Zurek, die Fanesca aus Ecuador, eine Fischsuppe mit Hülsenfrüchten, den berühmten Osterkarpfen und natürlich, wie schon erwähnt, Lammbraten und Lammfleisch-Gerichte im Allgemeinen. Auch Rippenspeer oder Kassler werden in einigen Gegenden am Ostersonntag gereicht.
Teller
Bei Desserts gibt es eher weniger typische Osterrezepte. Allerdings steht eine russische Pascha, die bei uns auch als russischer Osterquark bekannt ist, nur an Ostern auf dem Tisch, und die Finnen genießen ihren Malzpudding Mämmi und reichern (bzw. balancieren, so kann man das auch verstehen) ihn gerne mit Zucker und Milch, Sahne oder auch Vanilleeis an.
Satt
Natürlich kann diese kleine Liste nur ein paar Beispiele enthalten, klar ist aber, dass die Kuchen, Kränze, Zöpfe, Pasteten, Brote und Gebäcke die mit weitem Abstand größte Gruppe innerhalb der österlichen Spezialgerichte bilden. Reich, süß und sättigend liegen sie schließlich auch beim Marktwert deutlich unter dem von Fleisch, was ein weiterer Grund dafür sein mag, dass die Leute es sich so kurz nach dem Winter zwar gerne gut gehen ließen, dabei aber auch nicht allzu viel Geld für diese Genüsse ausgeben wollten.