Nektarinen

Ihre Form, ihre Haut und ein bisschen auch ihre Farbe könnten zu dem hartnäckigen Mythos geführt haben, die Nektarine sei eine Kreuzung zwischen Pfirsich und Pflaume. Im Rheinland machen sie es anders und nennen den Pfirsich „Plüschprumm“, also Plüschpflaume, was auch nicht unbedingt zum allgemeinen Verständnis beiträgt. Was also ist eine Nektarine? Wo stammt sie her? Und was hat das alles mit Kleinkindern und Charles Darwin zu tun?

Was wäre Ihnen lieber?

Faktisch oder malerisch? Will man sich der Nektarine nähern, kann man kurz und knapp bleibend feststellen, dass Nektarinen erstens keine Kreuzung zwischen Pfirsich und Pflaume und zweitens im Grunde nur mutierte Pfirsiche sind. Oder, das wäre dann der andere Zugang, wir lassen uns ein bisschen treiben, erfreuen uns an der Fantasie älterer Kulturen und finden Gefallen an einer hübschen Geschichte. Das bringt uns zwar inhaltlich nicht weiter, ist dafür aber ein bisschen herzerwärmend.

Lassen Sie uns also im alten China beginnen. Das erscheint ziemlich sinnvoll, weil der Pfirsich hier ohnehin seinen Ursprung hat. Der allgemeinen Korrektheit halber weisen wir noch darauf hin, dass die nun folgende Erzählung aus der Han-Dynastie, also aus der Zeit von ca. 200 vor bis 200 nach Christus, stammt. Der Pfirsich selbst wurde in China allerdings bereits seit ungefähr 6.000 vor Christus kultiviert (das haben genetische Untersuchungen ergeben) und ungefähr um 2.000 vor Christus zum ersten Mal erwähnt (wie Historiker herausgefunden haben).

Die Sache mit dem Flaum

Auf jeden Fall lernen wir einen reichen chinesischen Fürsten kennen, dem zu seiner großen Freude ein kleines Mädchen geboren worden war. So weit, so glücklich, allerdings trug die Kleine am ganzen Körper kein einziges Härchen, nicht den geringsten Flaum brachte ihre Haut hervor. Das wäre vielleicht noch kein großes Problem gewesen, allerdings ertrug das Töchterchen auch sonst keinen Hauch von Haaren – das Spektrum reichte von felliger Kleidung bis hin zu bepelztem Essen. Logisch, dass diese Empfindlichkeit auch den Verzehr von Pfirsichen einschloss, die ja nun einmal typischerweise einen weichen Flaum besitzen.

Jetzt hätte der unglückliche Vater dem Kind natürlich Weintrauben, Äpfel oder Pflaumen anbieten und die Sache ohne großen Aufwand auf sich beruhen lassen können, möchte man einwenden. Das Problem war aber, dass im Glauben der Zeit ausgerechnet der Verzehr von Pfirsichen ein besonders langes Leben und zuverlässigen Schutz vor bösen Geistern versprach. Und weil der Vater nur das Beste für sein Kind wollte, versprach er allen Gärtnern des Landes, denjenigen mit Gold zu überschütten, der ihm einen komplett haarlose Früchte tragenden Pfirsichbaum bringen würde. Nicht weiter erwähnenswert, dass es genau so kam, der Fürst um eine glückliche Tochter und der betreffende Gärtner um ein kleines Vermögen reicher war.

Natürlich chaotisch

Nektarinen also: Was heute in unseren Einkaufskörben landet, ist wie schon erwähnt keine Züchtung aus Pflaume und Pfirsich, sondern tatsächlich eher eine Laune der Natur. Schon der große Naturforscher Charles Darwin wunderte sich zu seiner Zeit, dass es Pfirsichbäume gab, die plötzlich einen einzelnen Ast mit Nektarinen hervorbrachten – und noch mehr über Bäume, die „Halb-und-halb-Früchte“ produzierten, also Obst, dessen eine Hälfte ein perfekter Pfirsich und dessen andere Hälfte eine perfekte Nektarine war. Die entsprechende Mutation tritt nicht nur sehr sporadisch auf , sie ist auch rezessiv, „überspringt“ also immer eine Generation, bevor sie wieder zum Vorschein kommt.

Anders gesagt kann man Nektarinenkerne in die Erde stecken und die Pflanze wachsen und gedeihen lassen – im Ergebnis wird man aber immer einen reinen Pfirsichbaum bekommen. Erst aus den Samen dieses Baums, also eine Generation später, entsteht dann wieder ein Gewächs, das Nektarinen trägt.

Wenn man also einen neuen Nektarinenbaum möchte, muss man es machen wie bei den Äpfeln: Stichwort „Okulation“, also veredeln oder pfropfen. Und wenn Sie sich generell für das Thema Steinobst interessieren, zu dem sowohl der Pfirsich als auch die Nektarine zählen, dann können Sie sich gerne hier einen ausführlichen zum Thema durchlesen.

Persien, Rom – und der ganze Rest

Im Europa der frühen Neuzeit nannten sie die Nektarine „Nuci persica“, wobei der Hinweis auf Persien vermutlich auf die Römer zurückgeht, die Pfirsiche und Nektarinen vor allem aus dem Osten ihres Reiches kannten. Und der Vergleich mit einer Nuss könnte überdies darauf hindeuten, dass die Früchte in Europa früher deutlich kleiner waren.

Auch die USA haben ihre ganz besondere (Liebes-)Geschichte mit der Nektarine. Schon im 19. Jahrhundert baute man in Kalifornien im großen Stil Pfirsiche an, die im dortigen Klima ausgezeichnet wuchsen und gediehen. Die amerikanischen Fruchtfreunde hatten aber offenbar ein ganz ähnliches Problem wie unsere kleine Fürstentochter aus der Han-Dynastie: Sie störten sich an den feinen Härchen, die der Pfirsich zu seinem Schutz nun einmal produziert. Aus heutiger Sicht mag man über ihr „peach-fuzz problem“ (Pfirsichflaum-Problem) lächeln, wie es in der einschlägigen Literatur genannt wird, die Amerikaner um 1900 aber nahmen es wirklich sehr, sehr ernst.

So notierte der Botaniker Luther Burbank 1914 aufgebracht: „Viele von uns würden genauso bereitwillig in einen stacheligen Kaktus beißen wie in einen flaumigen Pfirsich.“ Und die Erfinder seiner Zeit trieben größten Aufwand und entwickelten gewaltige Maschinen, mit deren Hilfe man dem Pfirsich seinen Flaum vom Leibe reiben konnte – mit mehr oder eher wenig überzeugenden Ergebnissen.

Selbstverständlich kannte man die Nektarine schon, aber die aus Europa importierten Früchte gediehen in Amerika schlecht. Erst Jahre später gelang es ein paar glücklichen Züchtern, die Nektarine dem kalifornischen Klima anzupassen. Es entstanden zahllose neue Sorten (heute sind es über 150) – und bald produzierte man deutlich mehr Nektarinen als Pfirsiche.

Geschmackseigenschaften von Nektarinen

Feine Früchte

Die fehlende Körperbehaarung ist übrigens nicht der einzige Unterschied zum Pfirsich: Nektarinen enthalten in der Regel weniger Wasser und mehr Fruchtzucker, was sie – zumindest, wenn sie gut reifen dürfen – zu einem besonders süßen Vergnügen macht, bei dem man sich Finger, Kinn, Hemd und Hose möglicherweise nicht so bekleckert wie bei einem vollreifen Pfirsich.

In Nektarinen stecken unter anderem Vitamin E, Beta-Carotin, Folsäure und einige B-Vitamine sowie die Mineralstoffe Kalium und Magnesium. Ihre Hauptsaison erstreckt sich bei uns je nach Sorte und Anbaugebiet von Juni bis Oktober. Die Früchte reifen zwar nach der Ernte etwas nach – werden sie aber zu früh gepflückt, erreichen sie nie Genussreife. Diese Nektarinen sind sehr hart und das Fruchtfleisch schimmert grünlich. Auch die Haut unreifer Früchte ist noch nicht von Grün nach Gelb umgeschlagen. Reife Nektarinen ohne Druckstellen sind am besten im Kühlschrank aufgehoben und dort einige Tage haltbar. Sind bereits Schäden erkennbar, verderben sie schnell. Die Lagerung neben Bananen und Äpfeln kann den Prozess beschleunigen – allerdings auch die Nachreifung anregen.

Immerhin

Leider ist es in unseren Breiten gar nicht so einfach, auf vollreife, süß schmeckende Nektarinen zu stoßen. Nur sehr selten haben europäische Nektarinen die jubilierende Fruchtigkeit ihrer neuweltlichen Schwestern, aus denen man aromatische Anklänge von Mirabelle und Birne, Mango und Ananas, Himbeere, Sahne und Butter herausschmecken kann. Meist muss man sich schlicht damit zufriedengeben, dass die Früchte eine schön glatte und feste Textur haben, sich gut vom Stein lösen, beim Verzehr wenig Schwierigkeiten machen und sich in der Küche für viele Rezepte als Alternative zu Äpfeln eignen.

Sollte einem das aber nicht genügen, wenn man wieder einmal eine völlig geschmacklose Persernuss erwischt hat, dann kann man sich wenigstens damit trösten, dass die Frucht gegen böse Geister hilft und ein langes Leben verspricht ...

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