Molekularküche

Die Molekularküche verfügt über zwei Seiten: Auf der einen Seite erforschen und entdecken Naturwissenschaftler, wie sich Moleküle unter bestimmten Prozessen verhalten, die man beim Kochen anwendet. Die zweite Seite der Molekularküche ist die der Speisenzubereitung selbst: Hier werden die Erkenntnisse der Wissenschaft dazu genutzt, neue Wege der Zubereitung zu entdecken, innovative Texturen zu finden und bislang unbekannte Prozesse zu entwickeln. Vereinfacht gesagt ist die Molekularküche davon geprägt, dass die Wissenschaftler mehr wissen und die Profiköche mehr können wollen. Molekularküche funktioniert bis zu einem gewissen Punkt auch sehr gut zu Hause, wenn man ein paar wenige wichtige Zutaten besorgt – Agar-Agar zum Beispiel – und vielleicht die eine oder andere Kleinigkeit aus der Drogerie.
 

Keine Molekularküche ohne Moleküle

Fangen wir ganz kurz ganz am Anfang an, dann wird schnell klar, warum es im Grunde gar keine Molekularküche gibt: Als Molekül werden Strukturen bezeichnet, bei denen mindestens zwei Atome durch bestimmte Kräfte miteinander verbunden sind. Dabei geht es nicht um Details, sondern darum zu verstehen, dass Moleküle wirklich ausgesprochen winzig und sozusagen allgegenwärtig sind. Außerdem sind sie recht unternehmungslustige kleine Gesellen, die sich – je nachdem, welche Atome sonst noch so in der Nähe sind, welche Temperaturen, welcher Druck oder welches chemische Umfeld gerade herrschen – teilen, verbinden, neue Allianzen eingehen und auf diese Weise zur Grundlage für so ziemlich alles geworden sind, was irgendwie existiert.
Mit diesem Vorwissen ist klar, dass das, was in der Küche beim Kochen passiert, ohnehin immer eine Molekularküche sein muss, weil alles, was wir da so anfassen, bearbeiten, erhitzen oder abkühlen, direkt von Molekülen und ihrem jeweiligen Zustand abhängt. Ein Steak besteht aus Molekülen, ein Soufflé ebenso, Brötchen sind ohne sie genauso wenig denkbar wie Wackelpudding, Tomatensaft oder Kartoffelbrei. 

Warum Molekularküche so komplex ist

Nur sehr wenige Menschen fragen sich, was genau mit den Molekülen im Inneren einer Bratwurst – und auf ihrer Haut auch – passiert, damit sie gar, knackig, köstlich und nicht zuletzt formstabil ist: Immerhin sind hier biochemische, physikalische und chemische Prozesse am Werk und sonst nichts.
So gesehen ist und war das Kochen vor allem für ambitionierte Naturwissenschaftler, also Physiker, Biochemiker und Chemiker, interessant, weil hier so viele Vorgänge auf molekularer Ebene mehr oder weniger gleichzeitig am Werk sind und waren: Das ließ sich doch wunderbar erforschen.
Einer der Gründerväter der molekularen Küche, der Tieftemperaturphysiker Nicholas Kurti, prägte im Jahr 1980 einen Satz, der sehr schön beschreibt, welche Ambitionen in Wahrheit hinter der molekularen Küche standen: „Es ist absurd, dass wir über die Temperatur im Zentrum der Sonne mehr wissen als über jene im Inneren eines Soufflés.“ 

Wissenschaft und Kochen: die Molekularküche

Die Wissenschaft versuchte also schlicht zu ergründen, was unsere Omas und wir nicht konnten, weil wir weder im Chemie-Leistungskurs noch bei Physik und schon gar nicht bei Biochemie gut genug aufgepasst haben: Warum zum Beispiel schmeckt Kartoffelbrei, einmal gestampft, ganz anders als gekochte Kartoffeln, die man mit denselben Zutaten bestreut? Was genau passiert bei der Maillard-Reaktion? Warum binden ausgerechnet Stärke und Gelatine Flüssigkeiten so gut ab? Welchen Einfluss haben Gartemperaturen auf Geschmack, Textur und Aromen? Warum sind manche Aromen flüchtig und andere nicht? Sie verstehen, was wir meinen. 

Anders gesagt: Die beteiligten Wissenschaftler interessierte vor allem das veränderte Verhalten von Strukturen in Lebensmitteln durch mechanische Einwirkungen, durch Temperaturveränderungen oder durch Verwendung von allerlei Zusatzstoffen, die erst einmal gar nicht für die Küche gedacht waren. Sie beschäftigten sich weniger mit der Frage, wann die richtige Garzeit für Fleisch und Fisch erreicht ist oder wie lange ein Soufflé im Ofen bleiben muss. Vielmehr war ihnen wichtig zu wissen, warum das alles passiert, um daraus auch Erkenntnisse für andere Zubereitungsprozesse zu gewinnen.

Dahinter stand die Idee, dass man vielleicht auch „ganz anders“ kochen kann, wenn man erst einmal begriffen hat, welche Moleküle wofür verantwortlich sind und wie sie sich unter bestimmten Gegebenheiten verhalten. Kochen ist grundsätzlich eine Frage von Geschmack, Aroma, Textur und Garung – allerdings war unser „normaler“ Weg bis zur Einführung der Molekularküche im Grunde immer derselbe: Wir backen unsere Brötchen so, weil sich Zutaten, Rezept, Teigführung und Backtemperaturen bewährt haben. Nun stellten sich kluge Köpfe die Frage, ob der gesamte Prozess nicht auch anders funktionieren könnte – schneller, langsamer, energieschonender, mit besseren Aromen oder vielleicht sogar gesünder –, wenn man die Moleküle anders und neu miteinander ins Einvernehmen setzen würde.

Kochen und Wissenschaft: die Molekularküche

Das war der wissenschaftliche Ansatz: forschen, entdecken und verstehen. Dann kamen die ambitionierten Profiköche ins Spiel. Der berühmteste war und ist in diesem Zusammenhang wohl Ferran Adrià Acosta, ein spanischer Dreisternekoch und Gastronom. Durch experimentelle Lebensmittelvorbereitung, -zubereitung und -präsentation gilt er als einer der wichtigsten Mitbegründer der Molekularküche (er selbst bezeichnet seine Küche allerdings als Avantgarde-Gastronomie und nicht als Molekularküche). 

Letzten Endes führte er die Arbeit der Wissenschaftler weiter bzw. bezog deren Erkenntnisse stark in die Vorgänge bei der Herstellung seiner Speisen mit ein. Ihm ging es vor allem um Aromen, Texturen, Aussehen und ganz sicher auch darum, Erwartungen zu hinterfragen und möglicherweise Erfahrungsstandards neu zu definieren und zu erweitern.
Adrià bot keine klassischen und erst recht keine typischen Menüs an, seine „Menüs“ waren ausgefeilte, höchst komplizierte 30 bis 35 kleine Gänge: Rohes Gemüse wurde mit Hightech aus der Medizintechnik bearbeitet, Salzstreuer wurden mit duftendem Kunstnebel befüllt, Gemüse-Gelatine-Streifen mit Holzkohleöl gewürzt, geliertes Olivenpüree wurde zu Oliven mit flüssigem Olivenextrakt im Inneren geformt, Tintenfisch mit einer Mischung aus Ingwer und Kokosnuss gefüllt, eine Mousse aus Muschelfleisch in einem Mantel von hauchdünnem Schweinefett serviert und Eiern wurde vor dem Kochen Kaviarpaste injiziert. 
Unnötig zu erwähnen, dass all das ohne Techniken und Gerätschaften aus der Lebensmittelindustrie und aus wissenschaftlichen Labors gar nicht denkbar gewesen wäre – und ohne profunde Kenntnisse in Chemie, Physik und Biochemie ebenfalls nicht.

Basiszutaten für die Molekularküche

Für uns Normalsterbliche geht die ganz hohe Kunst der Molekularküche vielleicht ein bisschen zu weit, allerdings kann man auch zu Hause ohne gewaltige Investitionen und mehrere Hochschulabschlüsse schöne und vor allem überraschende und spannende Ergebnisse erzielen.
Eine der gängigsten Methoden bei der Molekularküche ist das Verwandeln von Flüssigkeiten in Schaum – in der Molekularküche Espuma genannt. Espumas können aus Pürees, Cremes, Säften oder aus Suppen und Soßen zubereitet werden. Alles, was man hierfür braucht, ist Lecithin, das man in den meisten Reformhäusern bekommt. Lecithin ist ein einfacher Emulgator, der das Vermischen von zwei Flüssigkeiten (zum Beispiel Wasser und Öl) ermöglicht, etwa wie bei einer Mayonnaise. Wird Lecithin allerdings aufgeschäumt oder unter Druck gesetzt, dann entstehen Schäume, die an den Schaum in der Badewanne erinnern. Wird das Gemisch extrem luftig aufgeschlagen, wird es nicht mehr als Espuma, sondern als Air bezeichnet, also essbare Luft, und diese kann – je nach Basis – den Geschmack von Olivenöl, Kürbiscremesuppe oder Apfelsaft aufweisen. 

Gelifikation bedeutet, Flüssigkeiten in eine feste Form zu bringen, ohne dass man sie hierfür tiefkühlen müsste. Das ist im Prinzip nichts Neues: Jeder, der schon mal Wackelpudding gemacht hat, hat mit Gelatine eine Flüssigkeit so eingedickt, dass sie zu einer vergleichsweise festen Masse wurde. Mithilfe von Agar-Agar oder Xanthan lässt sich in der Molekularküche aber nicht nur Wackelpudding herstellen. Weil die Bindekräfte dieser Stoffe enorm sind, können auch ganz andere Texturen erreicht werden. Die kleinen, festen Kügelchen aus der Molekularküche heißen Sphären – und können aus allen möglichen Säften oder Suppen aufgebaut werden.

Für besonders stabile und farbenfrohe Kreationen der Molekularküche hat sich der Einsatz von Isomalt bewährt. Möchten Sie eine Isomaltverkapselung herstellen, also süße feste Kügelchen mit einem meist flüssigen Kern, ist Isomalt Ihr Freund, weil sich das feinkörnige Pulver recht einfach schmelzen und zum Ziehen, Blasen oder Gießen verwenden lässt. Da es weniger wasseranziehend als Zucker ist und erst bei viel höheren Temperaturen bräunt, bleiben die süßen Kunstwerke besser in Form, halten sich länger – und sehen außerdem sehr ansprechend aus.

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