Marinieren

Heutzutage gibt es eigentlich keine Notwendigkeit mehr, Fleisch oder Fisch vor dem Garen in irgendeiner Weise einzulegen – vor allem die Frage der Haltbarmachung hat sich in Zeiten von Kühlschränken und Kühlketten so ziemlich erledigt. Allerdings bedeutet das nicht, dass man durch eine schöne Marinade nicht noch bessere Aromen, noch interessantere Texturen und noch mehr Geschmack erzielen kann. Und was es mit der Säure und dem Salz auf sich hat, das klären wir bei dieser Gelegenheit gleich mit.

Simpel

Lassen Sie uns zunächst einmal einen Blick darauf werfen, wozu Marinaden ursprünglich gedacht und gemacht waren, bevor wir uns damit befassen, was sie heutzutage in unseren Küchen so alles können.
Im Grunde ist das Ganze ziemlich naheliegend, weil man dereinst vor eigentlich nur zwei Fragen stand, wenn man sich mit Fisch und Fleisch befasste. Erstens einmal gab es das ewige Problem, wie man hochwertige Nahrungsmittel möglichst lange haltbar bekam, ohne sie zu diesem Zweck komplett durchtrocknen zu müssen (was ohnehin nicht immer und überall möglich war) oder in Salz zu verpacken (ebenso). Zweitens wurde früher möglichst jedes Stück eines Tieres verwendet; wenn man nicht immer alles in die Wurst kochen wollte, dann musste eine Lösung gefunden werden, wie man zähes und bindegewebsreiches Fleisch einigermaßen zart bekam, auch ohne es viele Stunden über einem teuren offenen Feuer im Topf zu schmoren.
 

Säure und Salz

Was Bakterien sind, wussten die frühen Köche natürlich nicht. Sie waren aber auf den Trichter gekommen, dass bestimmte Kräuter, Rosmarin zum Beispiel, Öl und ein bisschen Zucker oder Säure ziemlich zuverlässig dazu führten, dass verderbliche Speisen sich länger hielten (weil Bakterien Sauerstoff benötigen und meistens auch ein ausgewogenes Milieu zwischen sauer und basisch). Entsprechend eingelegt hielt sich die Ware deutlich länger. 
Mit Salzlake entschied man sich für einen etwas anderen Weg, setzte eine gezielte Fermentierung durch Milchsäurebakterien in Gang und nahm dafür in Kauf, dass das viele Salz dem Gewebe reichlich Wasser entzog und es sozusagen feucht austrocknete, um das mal so auszudrücken. Beim ohnehin besonders wasserhaltigen Fisch war das keine große Sache, weil das Fleisch trotzdem noch weich und saftig blieb (Stichwort Matjeshering). Das Fleisch von Land- oder auch Lufttieren allerdings reagierte mit Trockenheit und deutlich zu viel „Biss“.

Ziel bei der Behandlung dieses Fleisches war es also, möglichst wenig Salz einzusetzen (und somit auf die Milchsäurefermentierung zu verzichten), aber trotzdem das unheimlich stabile Protein im Bindegewebe, das das Fleisch zäh macht, zart und gut essbar zu bekommen. Dazu brachte man Säuren zum Einsatz, und zwar solche, die sich nicht erst im Kontakt mit der Speise bildeten, sondern die schon vorher zur Verfügung standen – Essig, Wein, Buttermilch, Joghurt, saure Sahne, Zitronen- oder Orangensaft. Die Säure zerlegte die hartnäckigen Proteine zuverlässig in ihre Einzelteile, nahm der Konstruktion die Kraft und das Fleisch wurde zarter und zarter. Das erklärt auch, warum Fischmarinaden meistens, wenn überhaupt, kaum Säure enthalten: Fisch besitzt von Natur aus nur wenig Bindegewebe und würde zerfallen, wenn er durch Säure denaturiert – dazu weiter unten mehr.

Genial, aber langsam

Natürlich passiert das Ganze nicht innerhalb von Minuten, weil die Säure ja immerhin erst einmal durch das Stück hindurchdiffundieren muss, aber mit ein bisschen Geduld lassen sich sehr überzeugende Ergebnisse erzielen. Als Faustregel gilt, dass eine saure Marinade bei Fleisch etwa einen Zentimeter in 24 Stunden „schafft“; darum braucht ein ordentlicher Sauerbraten Tage und manchmal auch Wochen in seinem Sud. Es erklärt auch, warum fein geschnittenes Fleisch – egal, ob Huhn, Schwein oder Rind – schon nach vier bis zwölf Stunden durchgereift ist und sich bestens auch zum Kurzbraten eignet.
Was beim Fleisch also vor allem der besseren Kaubarkeit dient, wird bei Fisch eher eingesetzt, um noch mehr Aromen noch tiefer ins Fleisch zu bekommen. Der Würzeffekt ist beim Fleisch zwar auch sehr gerne gesehen – Stichwort BBQ oder eben Sauerbraten –, kommt aber erst an zweiter Stelle.

Spannend

Ursprünglich dienten Marinaden also zwar eher der Haltbarmachung und der besseren Fleischausbeute, aber nachdem wir endlich den Kühlschrank erfunden und die Kühlketten sicher gemacht haben, entfalten sie ihr wahres Potenzial heutzutage vor allem, was den Geschmack und die Textur des jeweiligen Fleisches angeht: Sie sorgen je nach Neugier und Kreativität für sehr interessante und vor allem individuell gestaltbare Geschmacksrichtungen.

Grundsätzlich

Nach dem Marinieren und vor dem Erhitzen sollten Sie die Marinade gut abtupfen – sie hat ihren Dienst hier bereits getan. Und: Es klingt zwar verlockend, aber aus hygienischen Gründen sollten Sie sie später nicht einfach als Soße oder Dip zum Verzehr anbieten. Wenn Sie aus aromatischen Gründen keinesfalls darauf verzichten möchten, dann kochen Sie den Würzsud vorher gut auf oder stellen Sie eine bestimmte Menge zur Seite, bevor sie in Berührung mit dem rohen Fleisch kommt.
 

Tipp: Mariniertes Fleisch und marinierter Fisch reagieren nicht allzu gut darauf, wenn zwischen der Entnahme aus dem Sud mit dem Abtupfen und der eigentlichen Zubereitung zu viel Zeit vergeht. Verarbeiten Sie das Fleisch also spätestens zwei Stunden, nachdem Sie es aus der Marinade genommen haben – je früher, umso besser.

Fisch

Ganz wichtig: Wenn Sie einen Fisch marinieren, geizen Sie bloß nicht mit Öl! Das Öl sorgt nämlich dafür, dass die Aromen einer Marinade, die sich gerne an Fette binden, gut in den Fisch eindringen. Und wenn es dann nach zwei bis vier Stunden im Aromaölbad (von Zeit zu Zeit wenden!) auf den Grill, in den Topf, in den Ofen oder in die Pfanne geht, sorgt die balsamierte Oberfläche des Fisches auch dafür, dass er nicht so leicht am Untergrund festklebt.
Im Gegensatz zu einer Füllung oder beim Servieren gereichten Soße sollte eine Marinade für Fisch wie erwähnt wenig Säure enthalten, da sonst das zarte Fleisch zu mürbe wird und leicht zerfällt. Auch Salz sollte in der Marinade nur sparsam vorkommen. Es entzieht dem Fischfleisch nicht nur Wasser, sondern auch Aromen. Darum erst unmittelbar vor dem Servieren salzen und säuern.
Zarte Kräuter wie Basilikum und Kerbel oder frische Zitronenschale lieber erst direkt vor dem Servieren auf dem Fisch verteilen, damit nichts anbrennt. Als Geschmacksgeber eignen sich grob zerstoßene Gewürze und kräftige Kräuter wie Rosmarin oder Thymian. Bepinselt man den Fisch während des Grillens, Bratens oder Backens (vorsichtig und in Maßen) immer wieder mit der Marinade, wird er besonders knusprig und geschmacksintensiv. 
Sehr schön kann es auch sein, die Haut ganzer Fische vor dem Marinieren kreuzweise oder parallel im Abstand von ein bis drei Zentimetern einzuritzen. Auf diese Weise dringen die Aromen besser ein, das Fleisch gart gleichmäßiger und das Ergebnis sieht besonders appetitlich aus.

Fleisch

Ist das Stück kräftig, schwer und dick, ist definitiv die Säure der Star, wenn sie zusammen mit den richtigen Begleitern zum Einsatz kommt – womit wir nochmals den Sauerbraten erwähnen müssen. 
Beim US-BBQ verzichten die Pitmaster allerdings gerne auf die Säure, setzen dafür auf unglaublich lange Garzeiten von bis zu 36 Stunden und verwenden eher einen trockenen Rub: Hier macht die Hitze dem Kollagen den Garaus und die Aromen gelangen von der trockenen Würzmischung ins Innere des Stücks.
In schmale Stücke geschnittenes Fleisch profitiert dagegen sehr von etwas Öl sowie den milden Säuren von Buttermilch, Joghurt oder etwas Wein, Zitronensaft oder Essig. Manche Rezepte schlagen auch Bier vor, das ebenfalls leicht sauer ist. Klein geschnittenes Fleisch ist relativ schnell durchgezogen, die verwendeten Kräuter und Gewürze geben ihre Aromen rasch ab und es kann zeitnah in die Hitze. Wie gesagt: Salz hat in einer Marinade erst einmal nichts verloren, weil es das Wasser herauszieht. Sehr schöne Ausnahmen von dieser Regel bilden allerdings Marinaden aus der asiatischen Küche, die mit dem behutsamen Einsatz von Sojasoße und Reisessig beste Ergebnisse erzielen.

Salat, Obst und Gemüse

Der Begriff des Marinierens ist über die Jahre ein bisschen gedehnt worden und schließt mittlerweile manchmal auch Salatsoßen wie Vinaigrettes mit ein, die natürlich ebenfalls mit Öl, Salz und Säure aufwarten. So ganz richtig ist diese Verwendung aber streng genommen nicht, weil die „Marinade“ hier weder der Haltbarmachung noch der Textur oder der tiefen Würzung dient, da sehen wir demnach auch den Einsatz von Salz nicht so kritisch. 
Ganz ähnlich sieht es beim Obst aus. Natürlich kann man Erdbeeren zuckern, um Wasser herauszulösen und eine süße Flüssigkeit zu erhalten, natürlich kann man den Obstsalat mit etwas Rum parfümieren und über Nacht ziehen lassen, natürlich kann man Obst einmachen und haltbar machen – ein Marinieren im klassischen Sinn ist das aber nicht. Ausnahmen sind dabei allerdings die in Salzlake eingelegten marokkanischen Salzzitronen, die nach allen Regeln der Kunst mariniert werden.
Beim Gemüse kommt es stark auf den Einzelfall an: Zucchini oder Auberginen sollen durchs Marinieren ordentlich Wasser verlieren, weswegen sie gerne in Salzlake kommen. Andere, feste Gemüse, zum Beispiel Blumenkohl, Brokkoli oder Fenchel, werden vor dem Marinieren oft vorgekocht, damit Aromen und Gewürze leichter ins Fruchtfleisch eindringen können. Wieder andere, zum Beispiel Paprika, Zwiebeln, Pilze oder auch Sellerie, werden oft zunächst gegrillt bzw. gebacken und erst danach und noch heiß mit Marinade übergossen. Und manchmal kommt das ganze Gemüse, egal ob fest, wasserhaltig, süßlich, säuerlich, zart, fleischig oder saftig, in ein Gefäß, wird in einer einzigen Marinade über viele, viele Stunden gebadet und dann auf den Grill gelegt. Kann man auch machen, ein kulinarischer Hochgenuss wird das vermutlich aber eher nicht.

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