Herkunft von Mais
Toll
Als der Mais mit Kolumbus endlich Europa erreichte, machte er umgehend eine vergleichsweise steile Karriere. Der Anbau war relativ einfach, das Getreide einigermaßen anspruchslos und die Erträge pro Pflanze waren beeindruckend hoch. Gerade in den trockeneren Gegenden kam er nicht nur gut zurecht, sondern vor allem die hungrigen Leute wussten ihn auch bald wegen seiner gut sättigenden Eigenschaften zu schätzen. Auch heute noch gilt in manchen Regionen Spaniens die Polenta als DIE Beilage überhaupt und überflügelt Reis, Kartoffeln, Nudeln oder Couscous.
Kein Wunder, dass Mais mit Begeisterung überall dort angebaut wurde, wo es eher karg aussah und die Menschen für möglichst wenig Geld irgendwie satt werden sollten, was besonders für die südlichen und östlichen Regionen Europas galt. Über die Jahrhunderte landete der Mais schließlich in Afrika und in Nordamerika, was eine sehr gute Sache war, solange er nicht zur mehr oder weniger einzigen Nahrungsquelle avancierte.
Nanu!?
Ernährten sich die Leute nämlich weitgehend ausschließlich von Mais, so wurden sie mit großer Sicherheit von einer rätselhaften Krankheit heimgesucht, die mit Pech zum Tod und mit weniger Pech nur zu Durchfall, Dermatitis (Hauterkrankung) oder Demenz führte. Und da vor allem die Hautveränderungen so dramatisch und offensichtlich waren, nannten die Ärzte das rätselhafte Geschehen „Pellagra“, was aus dem Italienischen entlehnt ist (in der norditalienischen Tiefebene bauten sie damals sehr viel Mais an) und schlicht „raue Haut“ bedeutet.
Das Merkwürdige dabei war, dass die Menschen in den Regionen, aus denen der Mais ursprünglich stammte, also Zentralmexiko, Neumexiko, Panama oder auch Peru, noch nie etwas von dieser schrecklichen Krankheit gehört hatten, obwohl sie ihren Mais in rauen Mengen und bereits seit mindestens 8.000 Jahren ernteten und verspeisten.
Mais-Eigenschaften und Tortilla-Variationen
Was muss, das muss
Allerdings hatten sie – im Gegensatz zu den hochmütigen Kolonisten – schon um 1500 vor Christus (wahrscheinlich auch sehr viel früher) eine Technik zur Behandlung der Maiskörner entwickelt, die heute als „Nixtamalisation“ bezeichnet wird: Der trockene, ungemahlene Stärkemais wird zuerst viele Stunden lang mit etwas gebranntem Kalk oder Holzasche gekocht, ausgewaschen, enthülst und dann im nassen Zustand mit speziellen Mühlen direkt zu einem Backteig vermahlen. Das alkalische Kalkwasser ermöglicht dabei erstens das Abtrennen der beim Mais sehr fest mit dem Korn verwachsenen Spelzen, erhöht zweitens die Bioverfügbarkeit der enthaltenen Proteine und Vitamine, verbessert drittens Geruch sowie Geschmack und macht viertens die im Vergleich zu anderen Getreidearten sehr harten Körner poröser, wodurch schließlich auch das Mahlen erleichtert wird.
Verflixt
Wobei die Sache mit der Bioverfügbarkeit von Proteinen und Vitaminen besonders wichtig ist. Denn einerseits enthält Mais eine ausreichende Menge des für uns lebensnotwendigen Niacytins (Nikotinsäure), das für zahlreiche Oxidations- und Reduktionsvorgänge (Wasserstoffübertragungen) im Körper nötig ist. Folgen eines Mangels sind dann eben Krankheiten wie Pellagra, die sich in Juckreiz, Rötungen der Haut, Entzündungen der Schleimhäute des Verdauungstraktes, schmerzhaften Verdickungen der Haut sowie Braunfärbung und Schäden im zentralen Nervensystem äußern.
Andererseits ist der lebenswichtige Stoff ausgerechnet beim Mais leider gebunden und muss erst einmal mit mehr oder weniger Gewalt dazu gebracht werden, sich aus seiner Komfortzone zu lösen und so für seinen Einsatz im menschlichen Organismus zur Verfügung zu stehen. Und genau davon hatten die Europäer, Nordamerikaner und später dann auch Afrikaner keine Ahnung und tappten im großen Stil in die Falle, die eine Mangelernährung bei gleichzeitigem Sättigungsgefühl war.
Backen, trocknen, mahlen, backen
Womit wir uns der klassischen mexikanischen Tortilla zuwenden können, denn auch hier steht am Anfang die Vorbereitung der Maiskörner durch die erwähnte Nixtamalisation, die dem eigentlichen Mahlen der Körner vorausgeht (und die, wenn sie von Hand durchgeführt wird, eine Heidenarbeit macht).
Heutzutage entsteht der Tortilla-Teig größtenteils industriell durch Einsatz entsprechender Maschinen und Verfahren. Der so erzeugte Backteig wird allerdings oft nicht mehr sofort gebacken, sondern wieder getrocknet und dann zu einem trockenen Mehl zermahlen. Das fast weiße „Masa harina“ (Teigmehl), das heute in Mexiko überall gekauft werden kann, wird dann bei Bedarf wieder mit etwas Wasser vermischt, mittels einer speziellen Presse zu dünnen Fladen gepresst und trocken auf heißen Platten gebacken.
Tortilla-Chips (also die berühmten Maischips) werden auf ähnliche Weise hergestellt, nur werden die trockenen, geviertelten Tortillas in etwas Fett gebraten. Eine nach dem Backen ausgekühlte Tortilla wird hart und brüchig, weil sie so gut wie kein Wasser und schon gar kein Fett enthält.
Nicht verwechseln!
Oft werden Mais-Tortillas einfach nur belegt oder mit Fleisch, Gemüse, Soßen und Käse gefüllt und eingeklappt (Tacos, Quesadillas) – oder gerollt und mit Chilisoße übergossen (Enchiladas).
In Nordmexiko und in den USA sind eher Weizen-Tortillas verbreitet. Sie sind meist größer und heller als Mais-Tortillas und auch kalt weich und biegsam, denn sie enthalten mehr Fett als Mais-Tortillas. Weizen-Tortillas sind in der Tex-Mex-Küche sehr beliebt und die unverzichtbare Grundlage für Soft Tacos, Burritos (Chimichangas) und Fajitas.