Praktisch!
Eine Sonderstellung unter den Leguminosen, wie die Hülsenfrüchte botanisch korrekt heißen, nimmt dabei ganz klar die Linse ein, deren Ursprung übrigens in Westasien, genauer gesagt in Kleinasien bzw. Anatolien liegt. Sie wird nachgewiesenermaßen bereits seit fast 10.000 Jahren vom Menschen verspeist. Durch ihre besonders zarte Schale und ihre relativ geringe Größe benötigt sie viel weniger Zeit, wenn man sie aus dem getrockneten Zustand in einen verzehrfähigen, weichen zurückversetzen will. Und genau diese Eigenschaft wussten die späten Jäger und Sammler in der Übergangszeit zur Sesshaftwerdung sehr zu schätzen: Sie konnten einfach später mit dem Kochen beginnen und hatten trotzdem pünktlich was Leckeres in der Schale. So blieb mehr Zeit zum Hüttenbau und für die ersten landwirtschaftlichen Aktivitäten. Oder für die Domestizierung von nützlichen Tieren. Oder einfach zum Faulenzen – auch gut.
Lens culinaris – der Name ist Programm
Aber abgesehen vom rein praktischen Küchennutzen kommt die Linse auch als echt köstliches Kraftpaket daher: Um die 30 % Proteine, über 40 % Kohlenhydrate, 17 % Ballaststoffe, was sie besser verdaulich macht als Erbsen oder Bohnen, und ein besonders hoher Anteil von Zink, der für unseren Stoffwechsel wichtig ist. Wer also ordentlich satt werden will, nicht so gerne Fleisch isst, einfach an keines rankommt oder sich keines leisten kann, der ist mit einem ordentlichen Linsengericht ziemlich gut beraten.
Die Inder zum Beispiel: Sie sind dermaßen begeistert von den kleinen Kapseln, dass sie zwischen sage und schreibe 50 verschiedenen Sorten unterscheiden. Und wem der Name auf Anhieb noch nichts sagt: Die „Dals“, also eine Art Linseneintopf, bei dem die Früchte zerkocht und mit einer Unmenge verschiedener Gewürze und Gemüse zubereitet werden (können), sind ein absolutes Grundnahrungsmittel in Indien oder auch Pakistan, das es in unzähligen Varianten gibt. Da ist es irgendwie ziemlich verständlich, dass Indien mit ca. 1,25 Millionen Tonnen Ernte pro Jahr der weltweit zweitgrößte Linsenerzeuger ist.
Hoch hinaus
In Deutschland entstehen keine nennenswerten Erntemengen, was vor allem daran liegt, dass die Pflanze – genauso wie Bohnen oder Erbsen – etwas oder jemanden braucht, an dem entlang sie in die Höhe wachsen kann. Typischerweise wird sie deshalb in Mischkultur gemeinsam mit robustem Getreide, zum Beispiel Gerste oder Hafer, ausgebracht. An deren Halmen wächst und gedeiht sie dann zwar prächtig, macht aber nach der Ernte eine Heidenarbeit, wenn die Linsen wieder vom Getreidekorn getrennt werden müssen.
Zwei Warnungen und ein Hinweis
An dieser Stelle noch ein kleiner Warnhinweis für Menschen mit Gluten-Unverträglichkeit: Durch den gemeinsamen Anbau mit glutenhaltigem Getreide und die spätere gemeinsame Ernte und Trennung ist nicht auszuschließen, dass sich durchaus Gluten an den ansonsten glutenfreien Hülsenfrüchten befinden kann. Also, so komisch das vielleicht auch klingen mag: vor dem Wässern gut waschen!
Rohe Linsen enthalten unverträgliche, teils sogar giftige Stoffe, die erst durchs Kochen verschwinden. Also bitte keine rohen Linsen einfach mal so essen.
Hinweis: Linsen profitieren sehr stark davon, wenn sie vor der Zubereitung keimen dürfen. Ihr Anteil an Vitamin B und C steigt dann rapide und der Keimling schmeckt ausgesprochen fein und süß.