Levantinische Küche

Wetten? Erstens haben Sie nur eine unklare Vorstellung davon, was wir Steinzeit nennen, zweitens glauben Sie, dass die schon sehr lange vorbei ist, und drittens kommen Sie nicht darauf, wo genau der Mensch dereinst beschloss, endgültig sesshaft zu werden und das Jagen und Sammeln einzustellen, was sehr direkten Einfluss auf die Küche dieser Region hatte und heute noch hat …

Alles auf Anfang

Um etwas genauer hinter die Geheimnisse und den Ursprung dieser äußerst attraktiven Küche blicken zu können, müssen wir ein bisschen zurück in die Vergangenheit, eigentlich – je nachdem, wie genau man das Ganze betrachten will – sogar ganz schön weit zurück. Aber keine Bange, wir nehmen zwar erst mal ein bisschen Anlauf, kommen der Sache dann aber ganz schnell nah.

Steinalt

Wir machen uns das Leben ja grundsätzlich gerne möglichst leicht und tappen dabei leider von Zeit zu Zeit so richtig schön in die inhaltliche Falle. Die Steinzeit zum Beispiel: Faustkeil, Feuerstein, Jäger, Sammler und fertig ist unser Bild. Und das könnte falscher gar nicht sein, denn immerhin gliedert sich dieser extrem wichtige Abschnitt der Menschheitsgeschichte in mindestens drei Phasen, von denen die erste, die Altsteinzeit, so etwa vor 2,5 Millionen Jahren begann und die zweite, die Mittelsteinzeit, erst vor ungefähr 20.000 Jahre zu Ende ging: Eine ganz schöne Zeitspanne ist das also, was wir da so lieb- und ahnungslos „Steinzeit“ nennen. Und natürlich ist zwischendrin jede Menge an Entwicklung und Fortschritt passiert – ob erzwungen oder gewollt, lassen wir mal dahingestellt.

Krawumm

Einen riesigen kulturellen Urknall allerdings stellte die Jungsteinzeit dar (also das, was vor ca. 20.000 Jahren begann), das sogenannte Neolithikum. Denn hier machten die Menschen plötzlich etwas (und „plötzlich“ darf schon wörtlich genommen werden, weil sie nur 5.000 Jahr dafür brauchten), was es vorher noch niemals irgendwo auf der Welt gegeben hatte: Sie wurden sesshaft. Dabei befassten sie sich mit Ackerbau und Viehzucht, fingen damit an, das Jahr nach Sonne, Mond und Regen zu planen, schlossen sich zu immer größeren, immer spezialisierteren Gruppen zusammen und brachten erste Kulturen, Religionen, Organisationsstrukturen und sie von anderen Gruppen abgrenzende Eigenschaften hervor.  Sie machten das derartig schnell und effizient, dass wir heute – vollkommen zu Recht – von der „neolithischen Revolution“ sprechen. Und es stimmt ja auch: Innerhalb der Epoche, die wir „Steinzeit“ nennen, benötigten sie für den totalen Umkehrschwung ihrer kompletten Lebensweise und Kultur gerade einmal 0,2 Prozent.

Wie war das möglich? Waren wir sozusagen über Nacht plötzlich alle total schlau geworden? Natürlich lautet die Antwort hier nein, denn der Homo sapiens – also wir – entstand vor spätestens 200.000 Jahren und begann seinen weltweiten Siegeszug vor so ungefähr 70.000 Jahren. Anders gesagt liefen wir so um die 180.000 Jahre als Jäger und Sammler durch die Gegend, bevor wir uns dachten, dass es doch eine gute Idee sein könnte, sich all dieser Mühen endlich einmal zu entledigen und sesshaft zu werden.

Richtiger Ort, richtige Zeit

Das konnte zunächst einmal natürlich nicht an jeder beliebigen Stelle klappen, ein paar Voraussetzungen brauchte man schon: nicht wandernde Wildbestände zum Beispiel, die sich prima bejagen ließen, ohne dass man ihnen andauernd hinterherziehen musste. Oder fruchtbares, gut bewässertes Land, das sich mit wenig Aufwand kultivieren ließ. Süßwasser. Zuverlässigen Regen. Gemäßigte Temperaturen über das ganze Jahr. Gräser, deren Körner man gut essen (und gut kreuzen und vermehren) konnte. Wildes Gemüse.

Wenn Ihnen schon mal der Begriff des „fruchtbaren Halbmondes“ begegnet sein sollte: Genau da war so eine (und die erste und wichtigste) Stelle. Er erstreckt sich östlich in etwa vom Persischen Golf im Süden des heutigen Irak über den Norden bogenförmig südwestlich in Richtung Syrien, Libanon, Israel, Palästina und Jordanien. Er ist nach Süden offen, weil da die großen Wüsten sind, und wird im Norden durch die Bergketten Anatoliens begrenzt. Mittendrin in dieser gewaltigen Fläche fließen dann auch noch die beiden weltberühmten Flüsse Euphrat und Tigris. Nicht schlecht!

Ein Zufall war das schon mal nicht

Am allerbesten war zunächst der äußerste Westen dieses Gebietes geeignet, weil dort erstens zu allem Überfluss auch noch ein fischreiches Meer angrenzte, zweitens, weil hier riesige Herden von Gazellen ganzjährig lebten, und drittens, weil es – zumindest im Winter – zuverlässig regnete. Und jetzt wird es interessant, denn nun kreuzten sich zwei im Grunde sehr logische Faktoren, die vielleicht den entscheidenden Impuls in Richtung Ackerbau und Viehzucht gaben: Als die Gazellen irgendwann mehr oder weniger alle aufgegessen waren (das war vor ca. 10.000 Jahren), hatte man zwar erst mal kein Wildfleisch mehr, andererseits konnten jetzt aber die samenreichen Gräser auf den riesigen Wiesen viel besser wachsen als zu den Zeiten, zu denen sie andauernd von den Weidetieren verspeist worden waren. Außerdem war da ja noch der ganze Fisch aus dem Meer.

Und schlau, wie die Menschen damals schon waren, vielleicht aber auch, weil ihnen nichts anderes übrig blieb, machten sie sich flugs an die Kultivierung von Land, Korn und Getreide UND kamen auf die durchschlagende Idee, zusätzlich auch Tiere zu domestizieren, also ihr Gras, ihre Körner und ihr Getreide sozusagen unter kontrollierten Bedingungen von diesen fressen zu lassen. Dann war natürlich die Milch und alles, was man aus ihr machen konnte, eine feine Sache und das Fleisch stand fortan sozusagen vor der Küche und wartete nur auf Verarbeitung. Schafe waren wohl die ersten Haustiere, dann kamen Ziege, Rind und schließlich das Schwein. Geflügel hatten die frischgebackenen Bauern schon lange vorher im Griff gehabt.

Alles da, alles klar

Langer Rede kurzer Sinn: Es lief nicht gut, es lief höllisch gut. Irgendwann setzte mit dem erwirtschafteten Überfluss der Handel ein, vor allem zunächst mit den anderen Teilen des fruchtbaren Halbmondes (also von Osten und Norden kommende Güter). Import und Export wurden erfunden – Waren, die man selber nicht erzeugen konnte oder wollte, konnte man aufs Schönste gegen eigene Produkte ertauschen, kurzum: Der Westen des fruchtbaren Halbmondes war das Paradies auf Erden.

Und dann gibt es da noch zwei Dinge, die die Gegend geradezu dafür prädestinierten, unfassbar reich – auch an Kultur, Warenvielfalt und Einfluss – zu werden und wirklich einmalig zu sein: Erstens existiert im Südwesten der Region die überhaupt einzige Landverbindung zwischen Afrika und Asien (Stichwort Suezkanal) und zweitens ist das vorhin schon beschriebene fischreiche Meer natürlich das Mittelmeer, das sehr schnell zu einem gewaltigen Warenumschlagsweg in sozusagen alle Teile der Welt wurde. Und zwar in beide Richtungen: aus Europa und Afrika weiter nach Osten und aus unserem Paradies geradewegs nach Westen.

Jetzt sind wir am Ziel: Das, was wir heute die Levante nennen, umfasst grob gesagt alle Länder, die an der östlichen Seite des Mittelmeers liegen. Das Wort hat seinen Ursprung im lateinischen Wort „levare“, was „aufgehen, emporheben“ bedeutet; andere im Westen beheimatete alte Sprachen sagen schlicht „Osten“ oder – eher malerisch – Morgenland dazu; politisch gesehen nennen wir die Gegend heute den „Nahen Osten“, was dagegen ja ziemlich langweilig klingt.

Bunt und gesund

Die Levante also: Seit jeher ein Schmelztiegel der Kulturen und Waren und aus der Geschichte heraus auch immer schon ein Paradies für Getreide, Hülsenfrüchte, Gemüse, Kräuter und Gewürze sowie (möglicherweise zunächst importiertes) Olivenöl. Ein Gebiet des kulinarischen Reichtums, der Freude am gemeinsamen Genuss, des Zusammenkommens der Leute, der regionalen Verbundenheit bei gleichzeitiger Weltoffenheit (wenn man die politischen Erschütterungen der letzten 150 Jahre mal beiseitelässt), einer herausragenden Gastfreundschaft und der Freude am Austausch ganz allgemein.

Wer also nach authentischer, einfacher, reicher, interessanter, gesunder und vielfältiger Küche sucht, der sollte unbedingt hier anfangen: Viel Gemüse, Getreide, Hülsenfrüchte, Milchprodukte, Fisch und Obst bei vergleichsweise geringen Fleischanteilen und dafür umso reicherer Auswahl an Kräutern und Gewürzen machen die levantinische Küche zu weit mehr als zu einem Gastro-Trend, der gerade mal eben so durch unsere Großstädte schwappt. Levante ist einmalig uralt – und alles andere als immer nur Falafel und ein bisschen Bulgursalat!

Köstlich östlich

Als Grundlage der Gerichte dienen vor allem viel Gemüse und Gewürze wie Baharat, Kardamom, Sumach, Za’atar und Kumin und die verschiedensten Hülsenfrüchte. Typisch wären auch Kichererbsen, Tahin(i), Schafskäse, Halloumi, Auberginen, Paprika, Zucchini, Oliven, Granatäpfel, Minze, Zitronen und Joghurt. Huhn und Geflügel wird oft in Marinaden eingelegt und auf Spießen gegrillt oder geschmort. Ein wahres Festessen ist auch eine langsam gegarte Lammschulter, die in Gewürzen eingelegt und mit Granatäpfeln, Joghurt und Pistaziensoße serviert wird.

Wenn Sie mehr über Antipasti und Tapas wissen möchten, dann empfehlen wir Ihnen diesen Link in unserer Rubrik „Wissenswert:“ 

Übrigens: Was für die Italiener ihre Antipasti sind oder für die Spanier die Tapas, das sind für die Menschen aus dem Nahen Osten „Mezze“, also eher eine Vorspeise. Mittlerweile haben sich Mezze zwar auch als Hauptspeise mit unterschiedlichsten Variationen durchgesetzt – ganz im Sinn der Sache ist das so aber nicht. Andererseits kann natürlich jeder selbst entscheiden, was er wann zu welchem Anlass und in welchen Mengen verspeisen will.

Viel wichtiger ist es, dass die – meistens in großer Auswahl gleichzeitig servierten – Einzelgerichte gemeinsam genossen und vor allem auch miteinander geteilt werden. Das ist viel bedeutsamer, als eine Speisenfolge zu beachten, Gerichte zu priorisieren oder ihnen eine gewisse hierarchische Bedeutung zuzumessen: Alles, was auf den Tisch kommt, ist gleich „wertvoll“ und genießt denselben Anspruch auf Zuspruch. Satt wird man sowieso auf jeden Fall.

Hier finden Sie noch drei Rezepte aus der Levante.

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