Besonderheiten der Kokosnuss
Preisverdächtig
Als der kanadische Arzt und Experte für Traumamedizin Peter Barss im Jahr 1984 seine Untersuchung im renommierten Fachmagazin „Journal of Trauma“ veröffentlichte, ging er ganz sicher nicht davon aus, dass er die Welt anderer Traumamediziner mit seinen Erkenntnissen aus den Angeln heben würde. Klar, seine Arbeit „Injuries Due to Falling Coconuts“ (deutsch: Verletzungen aufgrund fallender Kokosnüsse) war methodisch korrekt und wissenschaftlich gut abgesichert, aber weil weltweit wirklich nur sehr, sehr wenige Menschen durch von ihren Palmen fallende Kokosnüsse ums Leben kamen und kommen, war das Ganze eher als eine Art forschende Fingerübung mit Augenzwinkern zu verstehen.
Umso erstaunter wird Dr. Barss gewesen sein, als ihm sehr viel später, also 2001, wegen genau dieser Arbeit der Nobelpreis für Medizin zuerkannt wurde. Wobei anzumerken ist, dass es sich hierbei nicht um DEN Nobelpreis handelte, also um den in Oslo mit König, Frack und weißen Hemden, sondern um den – in Fachkreisen nicht minder populären – Ig-Nobelpreis, bei dessen Verleihung die anwesenden Akademiker äußerst lässig gekleidet sind und als Zeichen der Wertschätzung für ihre Kollegen selbst gebastelte Papierflugzeuge auf die Bühne werfen. Aber immerhin.
Volle Wucht
Auf jeden Fall hatte die Untersuchung ergeben, dass vollreife Kokosnüsse, die aus einer Höhe von 25 Metern zu Boden gehen, erstens am Ende ihres kurzen Fluges eine Geschwindigkeit von beachtlichen 80 Kilometern pro Stunde erreichen und dabei eine Durchschlagskraft entwickeln, die bei etwa einer Tonne liegt. Wenn einem also solch ein Geschoss auf den Kopf fällt, kann das durchaus schwere Verletzungen und sogar den Tod bedeuten – allerdings passiert so etwas praktisch nie. Sollte Ihnen in dem Zusammenhang also schon mal die Zahl von 150 Menschen begegnet sein, die jedes Jahr durch fallende Kokosnüssen sterben, dann sollten Sie wissen, dass sie nur eine ziemlich willkürliche Hochrechnung darstellt, die mit demselben Augenzwinkern ermittelt wurde, wie es der Hauptartikel schon tat.
Bloß weg hier
Immerhin wissen wir jetzt bereits, dass Kokospalmen gut und gerne eine Höhe von 20 bis 25 Metern erreichen und dass ihre Früchte (die übrigens gar keine Nüsse sind, sondern Steinfrüchte) ausgesprochen hart werden können. Und das ist auch ziemlich gut so: Aus Sicht der Palme, die sich in relativ sandigen, nährstoffreichen und vor allem feuchten und besonders warmen Habitaten wohlfühlt, ist es eine tolle Sache, wenn die Frucht möglichst weit vom Stamm wegrollen kann, bevor sie austreibt und einen neuen Baum anfängt. Oder wenn sie – noch besser – völlig entspannt ins Meer kullert und dann von Wind und Wellen schön weit weg zum nächsten Flussdelta, zur nächsten Vulkaninsel oder zum nächsten nährstoffreichen Küstenboden transportiert wird. Es wurden schon Kokosnüsse an den Küsten Skandinaviens gefunden (was ein ziemlicher Fehlversuch gewesen sein dürfte, weil es hier viel zu kalt für die Pflanze ist) und auch schon Kokosnüsse beschrieben, die über 100 Tage im Meerwasser getrieben waren, ohne dass ihre Keimfähigkeit in irgendeiner Weise beeinträchtigt gewesen wäre. Nicht schlecht!
Lieber nicht
Der Trick mit der besonders harten Schale ist die eine Sache. Eine weitere Überraschung erwartet uns bei der Befruchtung der windliebenden Bäume: Weil Kokospalmen sowohl männliche als auch weibliche Blüten ausbilden (konkret ca. 40 weibliche und um die 10.000 männliche), besteht natürlich eine gewisse Gefahr der Selbstbestäubung, was nicht unbedingt gut für den Genpool ist. Darum öffnen sich die weiblichen Blüten zuverlässig erst zwei Wochen nach den männlichen und sind auch nur für zwei Tage empfänglich. Logisch, dass sie auf diese Weise ziemlich sicher der Bestäubung durch eigene männliche Pollen entgehen, die da schon längst über alle Berge sind, und sich mit viel höherer Wahrscheinlichkeit mit den von benachbarten Palmen abgeschickten Samen befassen, die entweder vom Wind oder von kleinen Insekten herbeigetragen werden.
Da geht was
An einer Kokospalme gibt es so gut wie gar nichts, was sich nicht irgendwie nutzen ließe. Die riesigen Blätter werden vielfältig verwendet, die faserigen Blattscheiden, die ein junges Blatt zunächst umgeben, werden zu Kokosfaserplatten, die in der Floristik sehr geschätzt werden (und die man nicht mit Dämmplatten aus Kokosfasern verwechseln sollte, weil diese aus den Schalen reifer Früchte gewonnen werden). Die harten Schalen sind sowohl begehrter Brennstoff als auch bestens zum Schaufeln, Löffeln oder Aufbewahren festerer oder flüssigerer Materialien geeignet. Wenn man die unreifen Früchte erntet, hat man nicht nur ein sehr hochwertiges Getränk (Kokoswasser), sondern kann aus den noch nicht getrockneten Kokosfasern, die die Frucht umgeben, Seile, Matten, Teppiche oder auch Wandschmuck herstellen. Und wenn man sich der Fasern reifer Früchte annimmt, dann können diese im Fahrzeugbau, für Fußmatten, Hüte, Körbe, Teppiche, Matratzenfüllungen, kunsthandwerkliche Arbeiten und zur Wärmedämmung hergenommen werden.