Knoblauch

Also, wenn Sie seltsame Geschichte(n) mögen, dann dürfte Sie unser Text zum Knoblauch interessieren: Sie begegnen einem absoluten Sprachgenie, einem Doppelagenten, einem gar nicht berühmten Schriftsteller und sogar James Bond. Darüber hinaus erfahren Sie, warum Zähneputzen nichts nützt, warum die Schweiz erwähnenswert ist und was es mit dem Vanille-Rostbraten auf sich hat …

Was meinen Sie?

Wollen wir mal so richtig weit ausholen und uns dem Thema Knoblauch auf eine Weise annähern, die man so wahrscheinlich noch nie gesehen hat? Auch wenn wir eine ganz schöne Volte schlagen müssen, damit das klappt? Ja, oder? Schließlich weiß ohnehin schon jeder, dass Knoblauch gut schmeckt, sehr gesund ist und einem den Atem verdirbt …

Inselbegabt mit vielen Talenten

Im Juni 1900 notierte ein offenbar äußerst beeindruckter Gast über sein Treffen mit einem Professor aus Budapest: „Ich habe einen der interessantesten Menschen kennen gelernt in diesem hinkenden 70jährigen, ungarischen Juden, der nicht weiß ob er mehr Türke oder Engländer ist, deutsch schriftstellert, 12 Sprachen mit gleicher Perfection spricht u. 5 Religionen bekannt hat, wovon er in zweien Priester war. Bei der intimen Kenntnis so vieler Religionen musste er natürlich Atheist werden. Er erzählte mir 1001 Geschichte aus dem Orient, von seiner Intimität mit dem Sultan etc. Er fasste sofort volles Vertrauen zu mir u. sagte mir unter Ehrenwort, er sei englischer u. türkischer Geheimagent."

Puh …

Wer war dieser Mann? Ármin Vámbéry wurde 1832 in eine recht arme jüdische Familie geboren, die in der Nähe des heutigen Bratislava am Fuß der Kleinen Karpaten lebte. Sein Wissensdurst wurde wahrscheinlich nur von seinem Talent für Sprachen übertroffen, und so eignete er sich erst einmal – mehr oder weniger autodidaktisch – so gut wie alle europäischen Sprachen an, bevor er sich dem Arabischen, dem Türkischen und dem Persischen zuwandte, die er nach kürzester Zeit perfekt beherrschte. Besonders beim Türkischen brillierte er geradezu und machte sich hier zahlreiche Dialekte zu eigen.

 

Was für ein Typ!

Zunächst interessierte er sich für die Ursprünge der Magyaren – also der heutigen Ungarn – und studierte, forschte und las alles, was es zum Thema zu wissen gab. Dann begann er seine ausgedehnten Reisen (1861 bis 1864) in bis dahin für westliche Reisende zum Teil hermetisch abgeriegelte Länder wie Armenien, Persien und Turkestan und brachte wertvolle geografische, ethnografische und linguistische Resultate zurück. Er machte das übrigens, indem er sich als sunnitischer Derwisch ausgab. Nicht schlecht für jemanden, der seit seiner Geburt auf einem Bein lahm war und wirklich nicht gut laufen konnte …

Dann schrieb er einen echten Bestseller über seine Abenteuer und wurde daraufhin zum Professor für Linguistik der Universität von Budapest ernannt – eine Aufgabe, der er sich mit Freuden für die kommenden 40 Jahre annahm. Ármin Vámbéry starb 1913.

Ja und, fragen Sie sich gerade?

Gute Frage, aber wir sind ja noch nicht fertig! 1890 traf unser Professor Vámbéry nämlich in London einen bis dahin eher mittelerfolgreichen irischen Schriftsteller, der immer auf ein paar gute Geschichten aus war, und erzählte ihm die alte Legende um den rumänischen Fürsten Vlad III. Drăculea, über die er bei seinen Forschungen gestolpert war.

Der Rest ist Geschichte, denn der Autor hieß Abraham „Bram“ Stoker, sein Roman „Dracula“ erschien 1897 und seitdem haben wir mit dem Vampir eine neue Gruselgattung, wissen, was Vampire so machen und warum, und vor allem ist uns vollkommen klar, dass man sich ohne Silberkugeln, Holzpfähle, Kruzifixe und eben auch Knoblauch besser nicht in ihre Nähe wagt.

2009 schrieb das renommierte Kindlers Literatur Lexikon: „Effektvoll ist Dracula vor allem wegen seiner Mischung aus naturalistischer Schilderung und bigotter Betulichkeit. Seine Figuren vergießen viele Tränen, sind aber in kritischen Situationen so hart wie James Bond.“

Gut gegen Böses

Irgendwie scheint die Lauchpflanze schon seit sehr langer Zeit die Menschen beruhigt und ein gewisses Maß an Sicherheit dargestellt zu haben. Auch die Ägypter, die Araber, die Griechen und die Perser verließen sich gerne auf den Knoblauch, um zum Beispiel die Gefahren des „bösen Blicks“ zu bannen. Mancherorts trugen (und tragen) die Leute ihn sicherheitshalber in ganzen Kränzen um den Hals. Kann man machen – muss man aber wahrscheinlich nicht …

Jetzt!

Knoblauch also. Wir haben’s geschafft! Sein Name rührt wohl von der Anordnung der einzelnen Zehen her, die entfernt an Tierklauen erinnert – zumindest legt die Wortherkunft das nah. Tatsächlich gehört die kleine Köstlichkeit zur Ordnung der Spargelartigen und auch der Spargel hat ja – was bestimmte Geruchsentwicklungen nach dem Verzehr angeht – so einige Überraschungen auf Lager. Sein Ursprung liegt wohl in Zentralasien oder irgendwo im „fruchtbaren Halbmond“, also im Zweistromland, und da ist es kein Wunder, dass die ägyptischen Arbeiter auf den Pyramiden-Baustellen regelmäßig mit Zwiebeln, Brot, Bier und eben auch reichlich Knoblauch versorgt worden sind. Hierfür liegen schriftliche Quellen vor.

Süß

Besonderen Stellenwert genießt die Knolle traditionell im gesamten Mittelmeerraum und in sehr weiten Teilen Asiens, aber natürlich hat ihr weltweiter Siegeszug längst voll durchgeschlagen und dabei sogar die ansonsten ja eher für Diskretion und Reinlichkeit berühmte Schweiz erreicht. Wenn auch noch nicht im ganz großen Stil: Wurden 2010 im gesamten Land zwei (2!) Hektar Knoblauch angebaut, so waren es 2019 immerhin schon 60 Hektar, was ja so gesehen ein ziemlich beeindruckender Zuwachs ist.

Lecker

Wenn Knoblauch gepresst wird, riecht man aus biochemischen Gründen besonders stark aus dem Hals (darum hilft auch Zähneputzen nicht, der üble Geruch kommt mit der Atemluft aus der Lunge). Ebenso wird er gerieben, geschnitten, gebraten, gedünstet, gebacken, gekocht, geröstet oder auch roh genossen. Aus zahllosen Gerichten ist er einfach nicht wegzudenken, etwa Zaziki, Aioli oder Spaghetti Aglio e Olio. Weniger bekannt ist, dass er neben seinem kennzeichnenden Eigengeschmack eine ganz allgemein geschmacksverstärkende Wirkung besitzt, die dem Umami schon ziemlich nahekommen kann. In manchen Gegenden Österreichs wird Knoblauch übrigens auch als „Vanille des armen Mannes“ bezeichnet. Der dort bekannte Vanillerostbraten wird demnach nicht mit Vanille, sondern mit Knoblauch gewürzt.

Knoblauch satt

Von den 30.000.000 Tonnen, die weltweit produziert werden (ach so, die Schweiz kommt mit ihren 60 Hektar auf – hahaha – 58 Tonnen), werden 75 % in China angebaut, was jeder weiß, der Knoblauch beim Discounter kauft. Man bekommt ihn frisch mit nur teilweise ausgebildeten Zehen, mit reifen Zehen, als Sprossen (sehr lecker!), fermentiert (schwarzer Knoblauch), eingelegt, geräuchert oder auch als Knoblauchgrün, was dem Bärlauch, dem „Wilden Knoblauch“, recht nahekommt.

In Pommern, Mecklenburg und Bremen trägt er übrigens den bezaubernden Namen „Knuflock“, was uns besonders gut gefällt!

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