Höhere Weihen
Jetzt mal ganz ehrlich: Finden Sie es nicht auch ein bisschen seltsam, dass etwas derart Profanes wie ein in Stücke geschnittener Pfannkuchen mit Puderzucker obendrauf einen derart stattlichen Namen trägt? Immerhin war ein Kaiser mit Wirkmacht, Strahlkraft, Prominenz und Einfluss im Überfluss ausgestattet, wogegen ein bisschen Mehl, Ei und Zucker ja relativ stark abfallen. Kaiser ist doch eigentlich Glanz und Glorie, Gold und Güter, Macht und Militär.
Einer der ganz berühmten Kaiser der Neuzeit war natürlich Franz Josef I., Kaiser von Österreich, Apostolischer König von Ungarn und König von Böhmen. Mit einer Regierungszeit von nahezu 68 Jahren übertraf er jeden anderen Regenten seiner Dynastie, der ebenso berühmten Habsburger. Na gut, in unseren Breiten ist er vielleicht am ehesten als Gatte der Film- und Fernsehikone „Sissi“ berühmt, und wenn hier die schöne Romy Schneider und der fesche Karlheinz Böhm über Felder, durch Wälder und übers Palastparkett zogen, dann ging dem gepflegten Nachkriegsdeutschen unweigerlich das Herz auf.
Ein schönes Durcheinander
Aber natürlich war da noch mehr, viel mehr, und das hat vor allem mit dem Königreich Österreich-Ungarn und der berühmten kaiserlichen und königlichen Monarchie – kurz k. u. k. Monarchie – zu tun, die sich gleichzeitig in Österreich und in Ungarn abspielte: Ab 1804 umfasste das Kaisertum Österreich die Länder Österreich, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Teile der heutigen Slowakei, der Ukraine, Polens, Rumäniens, Kroatiens und Serbiens. Es war also nicht nur groß, sondern auch vielsprachig, kulturell bunt gemischt und steckte voller unterschiedlicher politischer, religiöser und wirtschaftlicher Interessen, was das Regieren alles andere als leicht machte.
Die westliche Hälfte des Staatsgebiets nannte man Österreich oder auch Cisleithanien, was sich vom Fluss Leitha ableitet, der die Grenze zu Ungarn markierte. Gemeint war damit das „Land auf dieser Seite“ mit der Hauptstadt Wien. Vereinfacht gesagt lag Cisleithanien damals da, wo heute die Länder Österreich, Slowenien und Tschechien zu finden sind und wo überwiegend Deutsch gesprochen wurde. Die östliche Hälfte war das Königreich Ungarn, das man folgerichtig auch Transleithanien nannte, also „Land auf der anderen Seite“. Hier war die Hauptstadt Budapest.
Aus eins mach zwei
Auf jeden Fall war das insgesamt schon eine ganz schön wackelige Konstruktion und als Österreich dann im Jahr 1866 einen ziemlich wichtigen Krieg verlor, den „Deutschen Krieg“ gegen Preußen, hatten die Ungarn endgültig die Nase voll und forderten entschieden mehr Autonomie und eigene nationale Rechte. Die Lösung kam umgehend, ging als „Ausgleich von 1867“ in die Geschichtsbücher ein und hatte zur Folge, dass Ungarn zum Königreich wurde, das allerdings weiterhin in den Staatenbund mit Österreich (also mehr oder weniger Cisleithanien) eingebettet war und tatsächlich bis zum Ende des Ersten Weltkriegs auch blieb. Erst danach wurde Ungarn vollkommen autonom.
Interessant an diesem Konzept war vor allem, dass beide Länder nun zwar sozusagen getrennt waren, dass sie aber weiterhin von ein- und derselben Person regiert wurden: Franz Josef I. amtierte gleichzeitig als Kaiser von Österreich und als König von Ungarn. Daher der Begriff „kaiserliche und königliche Monarchie“.
Arbeit satt
Neben dieser kleinen politischen Kapriole (man könnte das eigentlich auch einen ziemlich geschickten Winkelzug nennen) brachte diese Lösung zum einen eine schöne Blütezeit auf beiden Seiten der Leithe mit sich, andererseits kann man sich sehr leicht vorstellen, welche Arbeit jeden Tag auf den Monarchen wartete und wie geradezu übermenschlich diszipliniert jemand gewesen sein musste, der diesen Aufgaben gerecht werden sollte.
Gut, Franz Josef I. war wohl so ein Mensch und als er nach seinen sagenhaften 68 Jahren Regentschaft 1916 seinen letzten Atemzug tat, hatte er noch wenige Stunden zuvor Besucher empfangen und Anweisungen erteilt; er galt allgemein als großer Kaiser und Herrscher. Aber er war auch ein durchaus lebenslustiger Geselle, hatte ja, wie wir aus den Filmen wissen, die damals erst 15-jährige Sisi geheiratet, war viel unterwegs im Reich und ging für sein Leben gern auf die Jagd (und hatte auch ein besonderes Faible für den Tafelspitz entwickelt).
Kleine Namenskunde
So viele Worte und überhaupt nichts zum Kaiserschmarren, sagen Sie? Wir haben uns ja ganz oben schon gefragt, wie der Kaiserschmarren denn nun an seinen Namen gekommen ist, und weil es zu dieser Frage verschiedene und weitgehend unbelegte Gründungsmythen gibt, hilft es vielleicht ein bisschen, wenn man sich zuvor etwas mit dem Kaiser, seinem Land, seinen Vorlieben und auch seiner Ehefrau befasst hat. Also los!
Über Mythen und Legenden
Volltreffer
Auf jeden Fall verbreitete sich die Liebe zum Kaiserschmarren während der k. u. k. Zeit im ganzen Land, Staat, Kaisertum, Königreich oder wie auch immer Sie das gerne nennen möchten – und erhielt schließlich in Wien die höchsten kulinarischen Weihen, die auch bis heute noch seinen Ruf wie Donnerhall begründen. Von all den Landgasthäusern, Wander- und Skihütten in den Bergen natürlich mal ganz abgesehen …