Jetzt aber schnell
Seit ewig und drei Tagen befassen sich Menschen damit, wie sie die wertvollen Nährstoffe, die Kuh-, Schafs-, Ziegen- oder auch Pferdemilch enthält, möglichst lange bewahren und für sich nutzen können. Vor der Entwicklung von Kühlaggregaten jeglicher Art standen sie vor der Herausforderung, dass die ungekühlte Milch relativ schnell sauer und ungenießbar wurde. Käse war eine gute Lösung, Butter natürlich auch, aber auch Butter hielt sich nicht ewig und für den Käse brauchte man je nach gewünschtem Ergebnis oft einfach ein bisschen zu lange. Man musste vor allem also wirklich schnell sein auf dem Weg der Milch von der Kuh in den Bauch.
Noch schneller
Man kann sich heute kaum noch vorstellen, welche logistische Herausforderung es darstellte, als die frische Milch zunehmend zum wichtigen Bestandteil der Ernährung und der Versorgung vor allem der Stadtbevölkerung wurde (auf dem Land, also da, wo sie entstand, war das viel einfacher, weil die Wege viel kürzer und das Angebot ausreichend groß war). Milch wurde oft am sehr frühen Morgen oder auch während der Nacht mit Sonderzügen, Fuhrwerken oder sonstigen geeigneten Fahrzeugen von den ländlichen Molkereien in die Städte gebracht. Dort warteten oft Hunderte von Milchmännern und Milchmädchen darauf, sie in kleine Flaschen abgefüllt mit deutlich kleineren Gefährten an die Haustüren der Bewohner zu liefern, noch bevor diese aufbrachen, um ihrem Tagesgeschäft nachzugehen. Milch hielt sich dabei nur zwei bis höchstens drei Tage frisch, siehe mangelnde Kühlung, sodass die Lieferketten mit enormem Aufwand zuverlässig aufrechterhalten werden mussten.
Die ganz kleinen Freunde
War die Milch aber einmal fermentiert, also sauer oder eben auch dick (Dickmilch), dann war die größte Hürde genommen und sie war und blieb für längere Zeit halt- und verzehrbar. Dieser schöne und überaus praktische Effekt gelang allerdings nur dann gezielt, wenn sich nicht irgendwelche dahergelaufenen Bakterienkulturen ans Werk machten – es mussten schon die richtigen sein. Und interessanterweise kamen die nicht durch die Luft der Städte oder nicht so richtig gut gereinigte Glasflaschen ins Spiel, sondern tatsächlich durch die Haut der Kühe, Schafe, Ziegen oder Pferde, die während des Melkprozesses direkt und natürlich unbewusst mit in die Rohmilch „gezapft“ wurden. Nur diese Stämme sorgten dann in Verbindung mit einer gewissen Wärme dafür, dass der Milchzucker, die berühmt-berüchtigte Laktose, weitgehend abgebaut wird. Das machte (und macht) Joghurt einerseits für Menschen mit Laktose-Intoleranz gut verträglich, andererseits lässt es das Ergebnis säuerlich schmecken – nicht umsonst reden wir umgangssprachlich von „Milchsäure-Bakterien“.
Warm, wärmer
Auf jeden Fall unterscheiden wir grundsätzlich zwischen thermophilen und mesophilen Kulturen. Der Ursprung wohl aller alten Joghurts liegt beim „Lactobacillus bulgaricus“, der 1905 aus dem legendären Joghurt Bulgariens isoliert werden konnte, und beim „Streptococcus thermophilus“, der, wie es sein Name schon verrät, ebenfalls zu den thermophilen Kulturen zählt: Am eifrigsten gehen sie ihren Aufgaben nach, wenn kuschelige 42 bis 45 Grad Celsius herrschen (womit sie für wärmere Gegenden perfekt geeignet war und sind). Die mesophilen Kollegen sind schon bei 22 bis 30 Grad fleißig bei der Sache und kommen besonders bei der Erzeugung von Dickmilch zum Einsatz.
Probiotisch oder eben nicht
Aber noch mal kurz zu unseren thermophilen Freunden, denn hier ist eine Sache wichtig: Eine der thermophilen Kulturen, Streptococcus thermophilus, wird häufig in der Joghurtproduktion eingesetzt. Dagegen ist auch nichts einzuwenden, wenn man sich nur vor Augen führt, dass Produkte auf dieser Basis keine probiotische Wirkung entfalten (können), da Streptococcus thermophilus die Passage durch unseren Magen und Zwölffingerdarm nicht überlebt. Andere Kulturen dagegen, darunter unser alter Bekannter Lactobacillus bulgaricus, haben mit unserer Magensäure kein Problem, gelangen lebend in den Darm, vermehren sich dort prächtig und entfalten ihre für unseren Körper überaus positiv wirkende Macht und Herrlichkeit – unter anderem sind sie ausgesprochen gut für unser Immunsystem.
Wenn Joghurt allerdings – mit welchen Bakterien auch immer erzeugt – aus Gründen der noch besseren Haltbarkeit auf über 72 Grad Celsius erhitzt, also pasteurisiert wird, sterben alle Bakterien ab (was im Grunde ja der Sinn der Sache ist) und er weist keinerlei probiotische Eigenschaften mehr auf; so gesehen ist er dann „tot“. Achten Sie deshalb beim Einkauf lieber darauf, dass Sie den Begriff „Naturjoghurt“ finden, und fallen Sie nicht auf das teure Werbeversprechen herein, nur „probiotische Markenkulturen“ würden immunstimulierende Eigenschaften besitzen: Solange nichts pasteurisiert wurde und kein Streptococcus thermophilus mitspielt, ist jeder Naturjoghurt gut und gesund. Dazu kommt, dass nicht pasteurisierter Joghurt mit lebenden Kulturen wesentlich besser verträglich für unseren Organismus ist als „abgekochter“.
Ein kleiner Überblick und ein kurzer Abstecher nach Prag
Zum Abschluss noch schnell ein paar Worte zu den drei üblichsten Darreichungsformen von Joghurt:
NATURJOGHURT wird nur aus Milch oder Sahne und Milchsäurebakterien hergestellt. Unterschieden wird nach Fettgehalt.
Joghurt aus entrahmter Milch (auch Magermilchjoghurt): maximal 0,5 % Fett
Fettarmer Joghurt: 1,5–1,8 % Fett
Joghurt: mindestens 3,5 % Fett
Sahnejoghurt (Rahmjoghurt): mindestens 10 % Fett
Griechischer oder türkischer Joghurt: Fettgehalt bis zu 10 %, cremige Konsistenz, weil die Molke länger abtropft. Dadurch wird zwar einerseits ca. viermal so viel Milch benötigt, auf der anderen Seite erreicht man neben dem besonders hohen Fettanteil (lecker) auch einen höheren Eiweißanteil (gesund). Nicht in Griechenland hergestellter Joghurt darf in der EU nicht als „griechischer Joghurt“ vermarktet werden, sondern nur als „Joghurt (nach) griechischer Art“ oder ähnlich.
FRUCHTJOGHURT gehört zu den Milchmischerzeugnissen und enthält zusätzlich Früchte oder Fruchtzubereitungen. Er hat einen Marktanteil von 80 % am gesamten Joghurtumsatz, weswegen wir hierzu gleich noch einen kleinen Exkurs machen wollen. Unterschieden wird je nach Fruchtanteil.
Fruchtjoghurt oder Joghurt mit Früchten: mindestens 6 % Fruchtanteil
Joghurt mit Fruchtzubereitung: mindestens 3,5 % Fruchtanteil
Joghurt mit Fruchtgeschmack: weniger als 3,5 % Fruchtanteil
Im Handel wird TRINKJOGHURT in ähnlichen Geschmacksrichtungen wie herkömmlicher Fruchtjoghurt angeboten. Bei seiner Herstellung wird direkt zu Beginn auf eine Erhöhung der Trockenmasse verzichtet (es bleibt also reichlich Flüssigkeit im Spiel), somit bleibt der Joghurt einfach vom Start weg flüssiger. Nach der Fermentation wird er glatt gezogen (also mehr oder weniger umgerührt), wodurch eine gleichmäßige, dünnflüssige Joghurtmasse entsteht.
Eine weitaus ältere Form der Joghurtgetränke ist in einigen Regionen Asiens verbreitet (Türkei: Ayran, Indien: Lassi). Bei diesen dient als Basis ein festerer Joghurt auf Basis stark säuernder Kulturen (Lactobacillus bulgaricus oder Streptococcus thermophilus), der vor Verbrauch oder Verkauf mit Wasser und Salz (oder Früchten wie Mango) zu einer dünnflüssigen, buttermilchähnlichen Konsistenz aufgequirlt wird. Sie werden als traditionelles Erfrischungsgetränk gut gekühlt serviert.