Was für eine Mühe
Um dem Honig, also dem verzehrfertigen Endprodukt, auf die Spur zu kommen, sollten wir uns zunächst einmal in eine Blütenpflanze hineinversetzen – in welche, ist eigentlich egal. Stellen Sie sich Folgendes vor: Aus einem kleinen Samenkorn muss das Gewächs zunächst einmal einen Keimling hervorbringen, was ohne den richtigen Boden, die richtigen Temperaturen und ohne die richtige Menge an Wasser gar nicht möglich ist. Dieser erste Spross muss mit aller Gewalt nach oben drücken, um dann in einem weiteren Kraftakt die Krume zu durchstoßen, damit das dringend erforderliche Sonnenlicht zur Verfügung steht.
Kraftwerk der Natur
Erst jetzt, also unter Zugabe von Sonnenenergie, kann die Fotosynthese starten, bei der die Pflanze aus energiearmem und anorganischem CO2 unter Zuhilfenahme von Wasser energiereiche, organische und absolut lebensnotwendige Kohlenhydrate erzeugt. Und Kohlenhydrate sind die Energiequelle für überhaupt alles, was unsere Pflanze in Zukunft so vorhat: Sie braucht es zum Wachsen und zum Überleben der Zellen, es hilft ihr über gewisse Durststrecken hinweg, weil es natürlich auch eingelagert wird, und last, but not least kostet es eine Pflanze extrem viel Kraft, am Ende ihres Vegetationszyklus Früchte, Nüsse, Samen und Körner auszubilden, die ihre Gene ent- und erhalten und die für eine möglichst erfolgreiche Ausbreitung bzw. den Arterhalt zuständig sind. Ohne Zucker läuft hier gar nichts.
Nichts zu verschenken
Kein Wunder, dass unsere Blütenpflanze so gesehen nichts zu verschenken hat, schon gar keine Kohlenhydrate, weshalb sie entsprechend geizig mit ihnen umgeht, wenn es um das Anlocken bestäubungswilliger Insekten (in unserem Fall das von Bienen) geht.
Der vielgepriesene Nektar einer Blütenpflanze ist also zwar ganz gut dazu geeignet, Bienen anzuziehen und so dafür zu sorgen, dass die jeweiligen männlichen und weiblichen Pollen schön kreuz und quer durch die Kultur getragen werden. Mehr als das Allernötigste an Zucker investiert eine Pflanze aber wirklich nicht, um diesen Effekt zu erreichen, Zucker ist einfach viel zu wertvoll für sie. Normalerweise enthält der Nektar einer Blütenpflanze also kaum mehr als ein paar wenige Prozent Zucker und jede Menge Wasser, aber es ist gerade genug, damit sich die Bienen voller Freude bedienen und sich an die äußerst beachtlichen Anstrengungen des Einsammelns von Nektar machen.
Nützt nur noch nichts
Nun darf man sich das mit dem Honig keineswegs so vorstellen, dass die Biene den Nektar sammelt, zufrieden zu ihrem Stock zurückkehrt und dann dort schnell mal frischen Honig abliefert. Dummerweise ist nämlich der Zucker, der direkt von den Pflanzen stammt, für Bienen gar nicht nutz- oder verwertbar, weil seine Moleküle noch viel zu groß und unhandlich sind: Bevor sie nicht in kleinere Segmente und feinere Moleküle aufgespalten worden sind, sind sie komplett nutzlos für unsere Bienen.
Kurz und klein
Darum erfolgt direkt beim Einsammeln der erste Trick: Der frische Nektar gelangt in die sogenannte „Honigblase“ (Honigmagen) der Sammlerin, worin er nicht nur sicher weitertransportiert werden kann, sondern wo vor allen Dingen der erste Schritt der Zerkleinerung der großen Zuckermoleküle stattfindet – entsprechende Enzyme „hacken“ das grobschlächtige Kohlenhydrat zunächst in etwas kleinere Stücke, also in kurzkettige Zucker. Und erst aus diesen schon vergleichsweise handlichen Stücken können wiederum andere in der Honigblase vorkommende Enzyme endlich die erwünschten Frucht- und Traubenzucker gewinnen, die wir auch als Fruktose und Glukose kennen.
Noch besser
Und weil das bei den Sammlerinnen nur bis zu einem gewissen Punkt möglich ist, geben sie ihre Beute im Stock an die Stockbienen weiter, die wahre Expertinnen dafür sind, aus Fruktose und Glukose noch „besseren“ Zucker zu fermentieren, auch als „höhere Saccharide“ bekannt. Diese schließlich sind die Energielieferanten für alles, was eine Biene und ihr Volk so brauchen. Der nächste Schritt ist das sogenannte „Umtragen“, bei dem die Stockbienen den jetzt noch unfertigen Honig immer wieder von der eigenen Honigblase in die Honigblase einer anderen Kollegin übergeben. Dabei wird nicht nur der Zucker bestmöglich aufgespalten, es werden auch Stoffe produziert und im Honig eingelagert, die zuverlässig dafür sorgen, dass das Wachstum von unerwünschten Hefen und Bakterien maximal gehemmt wird (Fachbegriff: Inhibine). Auch darum ist der spätere Honig so gut haltbar.
Die Trockenübung
So weit, so gut, nur ist das Ganze trotzdem immer noch nicht in der Nähe davon, Honig zu sein – das Gemisch ist einfach noch viel zu nass, hat also immer noch einen viel zu hohen Wasseranteil. Zum Trocknen kommen deshalb weitere Tricks zum Einsatz. Zunächst wird der unfertige Honig mehrmals aus der Honigblase über den Rüssel herausgelassen und nach einiger Zeit wieder eingesaugt, und wenn der Wassergehalt dann endlich bei „nur“ noch ca. 30 bis 40 % liegt, wird er (also der Honig, nicht der Wassergehalt) in leere Waben gefüllt, die in unmittelbarer Nähe des eigentlich Brutnestes liegen. Diese Waben bleiben unverschlossen, damit möglichst viel Luft an die Masse gelangt und die Eintrocknung weitergehen kann. Zur Unterstützung der Verdunstung fächeln nochmals spezialisierte Bienen mit ihren Flügeln die Luft und bringen sie gleichzeitig auf eine Temperatur von um die 35 Grad Celsius.
Sicher verstaut
Erst, wenn ein Wassergehalt von 20 % oder weniger erreicht worden ist, erklären die Bienen die Trocknung für abgeschlossen und jetzt, erst jetzt, wird der nunmehr fertige Honig ein letztes Mal umgetragen, um schließlich in speziellen Lagerzellen – den Waben – direkt über dem Brutnest eingelagert und mit der berühmten dünnen Wachsschicht verschlossen zu werden. Hier dient er fortan als zentrale Energiequelle für den Stock, für die Königin und für den Nachwuchs – auch über den Winter hinweg.
Selbst bei Außentemperaturen bis weit unter minus 20 Grad Celsius können die Bienen nämlich bei ausreichendem Futtervorrat und einer Individuenzahl von mehr als ca. 5.000 den im Inneren der „Wintertraube“ erwärmten Honig nach und nach aufnehmen und somit alle notwendigen Körpertemperaturen aufrechterhalten.
Klar im Vorteil
Der Vorteil der Strategie, Honigvorräte anzulegen und den Winter als ganzes Volk zu überleben, liegt darin, dass im nächsten Frühjahr eine große Zahl von Arbeitsbienen sofort das in dieser Jahreszeit reichliche Nahrungsangebot nutzen und die eingetragenen zuckerhaltigen Stoffe zu Honig verarbeiten kann. (Die Strategie anderer staatenbildender Insekten wie Wespen, Hornissen oder auch Hummeln besteht dagegen darin, dass das gesamte Volk zum Winter hin abstirbt und nur junge Königinnen in einer Kältestarre überleben. Ein zeitlicher Nachteil, da diese Arten ja schließlich erst einmal neue Nachkommen erzeugen müssen, bevor es an die Ernte geht …)
Genug für alle
Für das Überleben eines Bienenvolkes reichen je nach Volksstärke und Winterhärte zwischen 10 und 20 Kilogramm Honig aus. Da ein einziges Volk allerdings bis zu 50 Kilogramm produzieren kann, ist eine Entnahme von Honig, die den Bienen einen ausreichenden Wintervorrat belässt, möglich, ohne dass eine spätere Zufütterung erforderlich wäre. Verantwortungsvolle Imker gehen genau so vor.
Der „andere“ Honig
So viel zum Honig aus Blütennektar. Es gibt allerdings noch eine weitere Honigsorte und die verzichtet so gut wie vollkommen auf hübsche Blumen und Blühpflanzen – sie setzt vor allem auf Läuse und Baumharz. Dieser Honig trägt die Bezeichnung „Honigtau“. Natürlich geht es auch hier um zuckerhaltige Ausgangsmaterialien. Die Bienen ernten allerdings keine Blüten ab, sondern „klauen“ das süße Sekret, das vor allem von Blatt- und Schildläusen und zu einem gewissen Anteil auch von Blattflöhen abgesondert wird. Je nachdem, ob die kleinen Krabbler sich eher in Nadelgehölzen tummeln oder eher im Laubwald, unterscheiden wir hier zwischen Tannen- und Blatthonig, und wenn das nicht ganz klar ist oder wenn schöne Mischwälder zur Verfügung stehen, dann macht man sich das Leben leicht und nennt das Endprodukt schlicht „Waldhonig“.
Die Weiterverarbeitung des Ausgangsmaterials unterscheidet sich im Übrigen nicht von der des Nektars, weswegen wir uns hier den Platz sparen können und uns lieber den vielen verschiedenen Honigen zuwenden, die man am besten alle einmal probiert haben sollte.
Honigarten
Vorweg: Honige verschiedener botanischer Herkunft unterscheiden sich nicht nur in Geschmack, Geruch und Farbe voneinander. Auch das Spektrum an Wirkstoffen ist für jede Nektar oder Honigtau erzeugende Pflanze typisch. Oft wird das Aroma eines Honigs durch den Nektar einer Massentracht dominiert (also den Nektar derjenigen Blütenpflanze, die anteilig am häufigsten eingetragen wurde), wobei sogenannte „Beitrachten“ dem Honig auch eine besondere Geschmacksnote verleihen können. Imker haben nur bedingt Einfluss darauf, wo und was die Bienenvölker eintragen.
Ist der Honig mit einer botanischen Herkunftsangabe versehen, so muss er überwiegend, das heißt zu mehr als 50 %, aus der beschriebenen Quelle stammen. Das wird unter anderem über Geschmack, Pollengehalt und elektrische Leitfähigkeit bestimmt. Um solche typischen Honige zu gewinnen, ist es meist notwendig, die Bienenvölker zu entsprechenden Standorten zu transportieren. Logisch.