Toll! Und jetzt?
Wir standen schon immer vor dem Dilemma: Kaum hatten wir ein größeres Stück Wild erlegt oder einen besonders großen Fisch gefangen, mussten wir uns schnellstens überlegen, was mit demjenigen Anteil passieren sollte, den wir nicht in den nächsten ein bis zwei Tagen aufessen konnten. Schließlich war die Erbeutung langwierig und aufwendig gewesen und die Verschwendung solch hochwertiger Nahrungsquellen undenkbar.
Das Wasser muss raus!
Im Grunde gab und gibt es für die Haltbarmachung nur vier Methoden, nämlich Trocknen, Salzen, Räuchern oder Beizen bzw. Marinieren bzw. Fermentieren. Allen vier Methoden lag die Erkenntnis zugrunde, dass der Entzug von Wasser einerseits und die Entwicklung von Milchsäure andererseits, die eine „gute“ Fermentierung begünstigte, die Schlüssel-Stellschrauben waren, damit auch so wasser-, protein- und fettreiches Fleisch wie zum Beispiel das eines Lachses möglichst gut gegen den Befall hungriger Bakterien geschützt werden konnte. Natürlich konnte man den Fisch auch komplett trocknen lassen, wenn der Wind schön stark und die Temperaturen schön niedrig waren – geschmacklich war das Ergebnis allerdings äußerst bescheiden, um das einmal vorsichtig auszudrücken.
Beizen also. Im Grunde unterscheiden wir die nasse Beize von der trockenen Beize und wenn wir beim Beispiel Fisch bleiben wollen, dann wäre der eingelegte Matjes nass gebeizt (oder mariniert) und der Graved Lachs trocken.
Salzen und vergraben
Das Wasser sollte also kontrolliert raus, die Textur sollte schön zart bleiben und gleichzeitig sollte das Fleisch sehr gut schmecken und möglichst uninteressant für schädliche Bakterien sein. Kein Problem, dachten sich die frühen Skandinavier und kamen auf die Idee, ihren Fisch (bleiben wir der Einfachheit halber mal beim Lachs) erst mal gründlich auszunehmen und zu säubern – wobei sie die Haut dranließen –, dann ein schickes Erdloch zu graben (daher der Name „graved“, der von „graben“ kommt), dann den Fisch sorgfältig mit Salz einzureiben, dann den Fisch oder die Fische in das Loch zu legen, das Ganze gut zu beschweren und einfach ein paar Tage zu warten.
Nach kurzer Zeit war durch den Druck des Gewichts einerseits und durch die Osmose andererseits (also, wenn das Salz das Wasser herausgezogen hatte) das Fleisch deutlich trockener geworden und die gleichzeitig stattfindende Fermentation hatte nochmal mehr Aromen entstehen lassen und schlechten Bakterien die Nahrungsgrundlage entzogen. Nun war das Fleisch ganz gut haltbar (ein paar Tage bis zu einigen Wochen) und ziemlich lecker. Als Grundsatz gilt: Je länger der Lachs in der Beize liegt und je mehr Salz verwendet wird, desto mehr Flüssigkeit wird ihm entzogen und desto länger ist er haltbar.
Einfach. Lecker.
Danach musste der Lachs nur noch fein aufgeschnitten und verzehrt werden. Manche Varianten würden das Fleisch nach dem Beizen zusätzlich noch kalt räuchern, um noch bessere Haltbarkeit und noch mehr Aromen zu erzielen, ein typischer Graved Lachs sieht das allerdings nicht vor. (Übrigens spricht man „graved“ ziemlich genau so aus, wie man es schreibt: Eine englische Aussprache würde nur von Unkenntnis zeugen, denn schließlich sprechen die Skandinavier nicht Englisch, sondern Schwedisch, Dänisch, Norwegisch oder Finnisch, und in diesen Sprachen ist es immer mehr oder weniger „graved“.)
Noch einfacher. Auch lecker.
Mit der Zeit wurde diese grundsätzliche Technik kaum mehr verändert, lediglich kam zum Salz noch der Zucker hinzu, und auch verschiedene Kräuter – allen voran der Dill – hielten Einzug in die Rezepte. Und seit der Erfindung des Kühlschranks und der Frischhaltefolie ist man auch immer mehr dazu übergegangen, sich die Mühe mit dem Erdloch zu ersparen und das Ganze unter erheblich erleichterten (und deutlich besser kontrollierbaren) Bedingungen durchzuführen.
Also?!
Mischen Sie zunächst pro Kilogramm Lachs 15 Gramm Salz und zwei Esslöffel Zucker. Reiben Sie das Fleisch gleichmäßig mit der Zucker-Salz-Mischung ein (auf den dickeren Stellen mehr, auf den dünneren weniger). Danach den Fisch mit der Hautseite nach unten auf eine Frischhaltefolie legen, gehackten Dill, den Abrieb einer Biozitrone, etwas Pfeffer und evtl. etwas Gin, Aquavit oder Cognac darübergeben. Jetzt die Frischhaltefolie sehr fest um das Filet wickeln, in eine flache Schale legen, beschweren (ein kleines Backblech oder ein Teller mit ein paar Konservendosen obendrauf haben sich ganz gut bewährt) und für mindestens 24 Stunden im Kühlschrank beizen. Nach der Hälfte der Zeit evtl. ausgetretene Flüssigkeit abgießen und das Stück wenden (das gilt vor allem, wenn Sie einen ganzen Fisch beizen).
Sollten Sie einen ganzen Lachs beizen wollen, also beide Filets, dann bereiten Sie beide Hälften vor wie oben beschrieben und legen die Filets anschließend so aufeinander, dass sich die Hautseiten außen befinden.
Nach Ablauf der Beizzeit das Fleisch aus der Folie wickeln, die ausgetretene Flüssigkeit abschütten und das Fleisch gut trocken tupfen. Danach in feinen Streifen von der Haut schneiden und genießen.
Guten Appetit!