Stimmt fast immer
Stuten bekommen Fohlen, Ricken ein Kitz, Schafe ein Lamm, Bachen Frischlinge und Sauen Ferkel. Ist die Mutter aber eine Kuh, heißt ihr Kind immer Kalb. Das gilt nicht nur für Rinder, sondern auch für Giraffen, Hirsche, Gnus, Elche und natürlich für Wale. Die Geburt des Rinderbabys nennt man kalben und hier stehen wir kopfschüttelnd vor einem großen sprachlichen Rätsel, weil auch das Abbrechen größerer Eisanteile am Ende eines Gletschers ‚kalben‘ genannt wird. Aber vielleicht wissen wir auch nur zu wenig über die Biologie von Fließeis und sollten darum dazu übergehen, ‚Eiskuh‘ zu einem Gletscher zu sagen.
So und nicht anders
Wenn wir mit dem Kalben schon so pingelig sind, dann sollten wir das auch bleiben und uns kurz anschauen, was ein Rinderkalb per Definition ist: Als ‚Kalb‘ werden - egal, ob männlich oder weiblich - alle Jungtiere bezeichnet, die noch nicht die Geschlechtsreife erreicht haben und höchstens acht Monate alt sind. Ein bis ca. 150 Kilogramm schweres Kalb, das nur mit Milch ernährt wurde, trägt den hübschen Namen ‚Milchkalb‘. Ein Jungtier mit einem Gewicht über 300 Kilo, das älter als acht Monate ist und die Geschlechtsreife noch nicht erreicht hat, heißt Jungrind. Zur Kuh wird ein weibliches Jungrind erst, nachdem es zum ersten Mal gekalbt hat; bis zu diesem Zeitpunkt spricht man von einer Färse. Es wäre also immer falsch, wenn man den Begriff ‚Mutterkuh‘ verwendet. Nur Muttertiere sind überhaupt Kühe.
Die missverstandene Oma
‚Kalbfleisch ist Halbfleisch‘ haben uns unsere Altvorderen eingetrichtert. Allerdings wäre es ungerecht, ihnen das zu verübeln, denn diese Aussage zielt keineswegs auf die Qualität des Fleischs (das geht auch gar nicht, weil es eine absolute Delikatesse ist). Was die Oma meinte, war genau der oben beschriebene Wachstumsprozess: Das Kalb hatte noch kein besonders hohes Schlachtgewicht und war dementsprechend auf dem Markt nur halb so viel wert, wie ein ausgewachsenes Tier. Das und nichts anderes war mit dem missverständlichen Sinnspruch gemeint. Und mit diesem Generationenkampfrehabilitationsversuch können wir uns nun endlich dem Fleisch zuwenden.
A Kalbfleisch a day keeps the doctor away
Kalbfleisch ist grundsätzlich sehr zart, saftig, mager und proteinreich. Es gilt als besonders bekömmlich und gut verdaulich, weshalb es oft bei Diäten oder in der Krankenhausküche verwendet wird. Als besonders hochwertig gelten alle Cuts, die zum Kurzbraten geeignet sind, also Rücken und Keule (Oberschale, Unterschale und die köstliche Nuss).
Im Vergleich zum Rindfleisch schmeckt Kalb eleganter und milder und hat eine sehr feine Faserstruktur. Diese Zartheit bringt allerdings eine gewisse Tendenz zum Austrocknen beim Braten mit sich. Die schlauen Österreicher haben das sehr schnell erkannt, es mit einer Panade hiergegen geschützt und so kurzerhand das Wiener Schnitzel erfunden.
Das Fleisch mancher Milchkälber kann fast weiß sein, weil erst mit der Zuführung von Eisen, das über Gräser und Pflanzen aufgenommen wird, das typische Fleischrot entsteht. Blass bedeutet also keineswegs mindere Qualität, bedenken Sie das bei Ihrem nächsten Einkauf!
Lecker, aber richtig
Kalbfleisch wird wegen der riesigen Rezeptauswahl nicht zu Unrecht auch manchmal das ‚Chamäleon der Küche‘ genannt. Bœuf Stroganoff, Kalbsmedaillons, Saltimbocca ala Romana, Vitello tonato, Escalopes a la zingara, Selle de veau Orloff, Ossobuco, Blanquette de veau – wir könnten ewig so weiter machen. Von den köstlichen Bratenstücken mal ganz abgesehen.
Weil Kalb so extrem mager ist (2-3% Fettanteil), muss es aber besonders schonend zubereitet werden. Zu hohe Temperaturen verzeiht es ebenso wenig, wie überlange Garprozesse. In Ofen und Pfanne spricht nichts dagegen, die Stücke mit frischem Speck zu umwickeln und diesen nur zu entfernen, wenn eine gewisse Bräunung der Oberfläche erreicht werden soll. Vor allem bei Geschnetzeltem gilt die Regel: Fleisch anbraten, beiseite stellen, die anderen Zutaten garen, ablöschen, andicken und das Fleisch erst kurz vor dem Servieren wieder hinzugeben.