Im Grunde ist Gin ein sehr einfacher und leicht herzustellender Schnaps, denn seine beiden wichtigsten Zutaten sind Alkohol und eben Wacholder. Aromatisiert man den Alkohol ohne Wacholder oder reduziert den Wacholder bis unterhalb des sensorisch Wahrnehmbaren, dann hat man zwar einen Aromabrand (oder besser -geist), darf aber nicht mehr von Gin reden. Kurz gesagt: kein Gin ohne Wacholder. Sehr typisch für Gin sind aber auch Koriander, Kümmel, Ingwer, Muskat, Orange oder Anis.
Insgesamt werden wohl um die 120 Zutaten als Aromen und Wirkstoffe verarbeitet, was – logisch – zu einer geschmacklichen Bandbreite führt, die es wahrlich in sich hat. Aber wie gesagt: Den Wacholder muss man dabei unbedingt noch schmecken können, sonst wäre es kein Gin.
Warum gibt es keinen Gin unter 37,5 % Alkoholgehalt?
In der EU und der Schweiz muss Gin einen Alkoholgehalt von mindestens 37,5 % aufweisen, je nach Zutaten, Aromen oder Hersteller werden aber auch Gins mit 50 % und mehr angeboten, weil sich der Alkohol besonders kräftigen Zutaten sehr erfolgreich entgegenstellen kann, was das Gesamtergebnis insgesamt runder und reifer macht.
Vier- oder fünffach gebrannte Gins sind heute keine Seltenheit mehr, aber auch doppelt gebrannte Destillate erreichen schon ansprechende Qualitäten. Grundsätzlich kann man als Faustregel annehmen: je häufiger gebrannt, umso milder und eleganter der Geschmack.
Warum Wacholder?
Dass man aus Getreide Schnaps brennen kann, war unseren Altvorderen schon lange bekannt. Schon im 16. Jahrhundert wurde destilliert, wobei die jeweiligen Ergebnisse sehr unterschiedlich ausfielen und statt des relativ neutral schmeckenden Ethylalkohols auch jede Menge Fuselalkohol (u. a. Methanol) enthalten konnten.
Im Ergebnis setzte die gewünschte Wirkung zwar zuverlässig ein, was den jeweiligen Geschmack anging, war allerdings noch reichlich Luft nach oben, sodass ab Ende des 16. Jahrhunderts in den Niederlanden Wacholder ins Destillat gegeben wurde, um die raue Härte des Schnapses wenigstens geschmacklich etwas abzumildern. Heute destilliert man natürlich wesentlich eleganter, aber die Holländer und Belgier sind immer noch große Freunde ihres Genevers.
Übers Meer und Übersee
Die Holländer waren es auch, die den Gin nach England brachten, wo er innerhalb kürzester Zeit die Herzen und Lebern der überwiegend bettelarmen Unterschicht eroberte. Weil die Regierung die Biersteuer deutlich angehoben hatte, war Gin plötzlich billiger als Bier, Brenn- oder Ausschanklizenzen gab es noch nicht, Getreide und vor allem Wacholder waren reichlich vorhanden und als dann noch die Getreidepreise in den Keller gingen, weil aus den Kolonien riesige Mengen importiert werden konnten, gab es praktisch kein Halten mehr:
Schätzungen zufolge wurde in jedem fünften Londoner Haus Gin gebrannt oder verkauft und in wenigen Jahren verzehnfachte (!) sich der Schnapskonsum im gesamten Königreich. Ergebnis? Teilweise überstieg die alkoholbedingte Sterberate die Geburtenrate und die Kindersterblichkeit erreichte sage und schreibe 75 %. Erst 1751 wurde man durch Steuererhöhungen und die Einführung von Schanklizenzen Herr der Lage. Diese gut 50 Jahre Sauferei mit fatalen Folgen gingen auch als die „Gin-Epidemie“ in die Geschichtsbücher ein.