April, April
In ihrer Ausgabe zum 1. April 2018 berichtete die renommierte „Frankfurter Rundschau“, dass man in Rahmen archäologischer Ausgrabungen im heutigen Frankfurter Stadtteil Heddernheim – früher lag dort eine römische Stadt namens Nida – auf einer Tafel ein hervorragend erhaltenes und sozusagen in Stein gemeißeltes Rezept für die Frankfurter Grüne Soße gefunden habe. Natürlich war das nichts anderes als ein kleiner Aprilscherz; dass sich die Redaktion aber gerade für diese Finte entschieden hatte, zeugt von der immensen Bedeutung, die das Frankfurter Nationalgericht für die Bewohner so hat.
Erst mal umsehen
Nun sind Soßen auf Basis von grünen Kräutern, Pflanzen und Gewürzen ja alles andere als eine Seltenheit: Die französische „Sauce verte“ kommt mit fein gehackten, eventuell durchs Sieb gestrichenen Kräutern wie Petersilie, Estragon, Kerbel, Brunnenkresse, Pimpinelle, Schnittlauch und oft auch Knoblauch.
In der italienischen Küche gibt es eine Vielzahl von kalten Kräutersoßen, unter denen die bekannteste natürlich das Pesto ist. Die Salsa verde aus Norditalien ähnelt schon stark einer Frankfurter Soße mit Ei und Senf, wenn auch andere Kräuterkombinationen mit zum Beispiel Basilikum und Majoran verwendet werden und üblicherweise auch Knoblauch und gehackte Kapern enthalten sind. Bagnetto verde (im Piemont Bagnet verd) wird durch gekochtes Eigelb und Paniermehl gebunden, enthält an Kräutern aber meist nur Petersilienblätter. Die Soße wird mit Kapern, Knoblauch und eingelegten Sardellenfilets ergänzt.
Die Farbe Grün wird in Mexiko als wichtigste Farbe in der Küche angesehen und es existieren entsprechend viele „grüne Rezepte“. Es gibt scharfe und süße, kalte und warme grüne Soßen, und in vielen Gerichten ist eine solche auch zwingend erforderlich. Überhaupt werden in der mexikanischen Küche und bei Tex-Mex-Gerichten und Tacos gerne zumeist kalte grüne Gewürzsoßen gereicht, auch wenn sie nicht unbedingt Bestandteil des eigentlichen Rezeptes sind. Die als Salsa verde bekannte Version beinhaltet unter anderem pürierte Tomatillos (nicht wundern, Tomatillos sind nicht rot, sondern grün), Jalapeños, Korianderkraut und Limettensaft.
Zurück nach Frankfurt
Die Idee, Kräuter zu zerkleinern und dann möglichst schmackhaft in einer Soße abzubinden, ist also alles andere als neu und auch keineswegs römischen Siedlungen oder ihnen nachgefolgten Main-Metropolen vorbehalten; trotzdem sind die Frankfurter – verständlicherweise – ganz verrückt nach ihrer Leibspeise.
Zwar ist sich alle Welt einig darüber, dass es keinesfalls die Römer waren, die als Erste genau sieben genau benannte Kräuter hackten und mit Eiern ins Einvernehmen setzten. Wo die wahren Wurzeln für das sozusagen finale Rezept liegen, ist allerdings ein bisschen unklar.
Eine nicht ganz unwahrscheinliche Variante berichtet von Hugenotten, die sich im 16. Jahrhundert von Frankreich nach Frankfurt und vor allem ins benachbarte Hanau abgesetzt hatten – hier wäre dann eine mögliche Verbindungslinie zur „Sauce verte“.
Eine andere, nicht weniger relevante Theorie berichtet von katholischen Spezereihändlern aus der Lombardei (also aus Norditalien), die sich Ende des 17. Jahrhunderts in Frankfurt niederließen und mediterrane Kräuter und Rezepte nach Frankfurt mitbrachten; dann würden wir über verwandtschaftliche Beziehungen zwischen der „Grie Soß“ und „Salsa verde“ nachzudenken haben.
Ganz sicher war es jedenfalls NICHT Catharina Elisabeth „Aja“ Goethe, also die Mutter von Johann Wolfgang von Goethe – diese frei erfundene Geschichte erzählen nur etwas überambitionierte Stadtführer ihren Touristen.
Regional, saisonal, ideal
Es ist ja auch eigentlich egal, wer nun womit angefangen hat, viel interessanter ist, dass die Frankfurter Innenstadt, zumindest teilweise, von sogenannten „Küchendörfern“ umgeben war. Das waren Orte, die ganz bestimmte Fronleistungen zu erbringen hatten: Sachsenhausen, Oberrad, Niederrad und Seckbach mussten zuverlässig ihre Erzeugnisse abliefern, was eigentlich nicht allzu schwierig war. Erstens boten und bieten die fruchtbaren Böden am Main ideale Voraussetzungen für den Kräuteranbau (sowie auch für Obst und Gemüse), und zweitens bot ihre Lage mitten im Rhein-Main-Gebiet mit all seinen Märkten – allen voran natürlich Frankfurt – beste Absatzbedingungen.
Angebaut werden die Kräuter auch heute noch vor allem im Frankfurter Stadtteil Oberrad, wo sich inzwischen die Mehrzahl der Gartenbaubetriebe und Gärtnereien befindet, die sich auf die Kräuter einer „Frankfurter Grünen Soße“ spezialisiert haben. Noch lokaler geht es dann wirklich nicht mehr …
Natürlich ist Oberrad nicht die einzige Gegend, die die seit 2016 gesetzlich geschützte geografische Angabe (g. g. A.) für sich beanspruchen darf. Für die sogenannte „Frischkräuterkomposition Frankfurter Grüne Soße“ – ein Gebinde, das sämtliche Kräuter enthält, die in die „Grie Soß“ dürfen und auch müssen – dürfen auch Kräuter verwendet werden, die aus anderen, allerdings mehr oder weniger direkt an Frankfurt angrenzenden Anbaugebieten stammen: Kelsterbach, Mörfelden-Walldorf, Rüsselsheim, Raunheim, Bad Homburg, Oberursel, Steinbach, Maintal, Niederdorfelden, Eschborn, Hattersheim, Hofheim, Kelkheim, Kriftel, Liederbach, Schwalbach, Sulzbach, Neu-Isenburg, Bad Vilbel, Karben und Offenbach, wenn Sie es ganz genau wissen wollen.
Was wie reinkommt
Die spezielle „echte“ Kräutermischung besteht aus frischen Blättern, Blattstielen und Triebspitzen von sieben verschiedenen Küchenkräutern: Boretsch, Kerbel, Kresse, Petersilie, Pimpinelle, Sauerampfer und Schnittlauch, wobei keine einzelne Kräuterart mit mehr als 30 % am Gesamtanteil enthalten sein darf.