Noch nicht so ganz
Getreide gleich Naturprodukt gleich gut und gesund. Stimmt im Prinzip ja auch, allerdings muss noch eine Sache unbedingt mitgedacht werden, damit aus dem Korn die Nahrung wird. Und vor genau diesem Problem standen unsere Altvorderen, als sie vor 20-, 30- oder 40.000 Jahren so durch die Gegend streiften und damit anfingen, die trockenen und reifen Körner und Samen von diversen Wildgräsern einzusammeln. Sie waren zwar eine leichte Beute, die sich gut mitnehmen und transportieren ließ. Allerdings waren die Körner ziemlich hart und entsprechend schwer zu kauen, und wenn man ein bisschen zu viel des Guten genoss, spielte das Verdauungssystem verrückt: Die enthaltene Stärke ist zwar ein wichtiger Nahrungsbestandteil, allerdings erst, wenn man sie durch Einweichen und/oder Erhitzen so weit aufschließt, dass unsere Darmbakterien sie verwerten können.
Schon besser
Natürlich wussten das die früheren Leute nicht im Detail, fanden aber trotzdem heraus, dass man Getreide viel besser in den Griff bekam, wenn man es entweder röstete oder schrotete oder, noch besser, zu möglichst feinem Mehl vermahlte. Das Ergebnis war staubtrocken und alles andere als ein Genuss. Wenn man das Mehl aber in Wasser einweichte, ließ es sich ganz gut runterschlucken und war – heureka! – auch ziemlich bekömmlich. Der Brei war geboren.
Sehr viel wichtiger wurde das Wissen über Korn und das, was man daraus machen konnte, als der Mensch sesshaft wurde und gezielten Ackerbau betrieb. Jetzt wurde nicht mehr gesucht und gesammelt, sondern gezielt angebaut und auf Vorrat gewirtschaftet, was zu höheren Erträgen führte und die pflanzliche Ernährung mehr und mehr in den Fokus rückte. Das war so vor ungefähr 10.000 bis 14.000 Jahren der Fall.
Wenn man schon mal dabei ist
Brei war und blieb sehr, sehr lange das Mittel der Wahl, wenn es um Getreideprodukte ging. Irgendwann kam man dann auf die Idee, den Brei entweder in der Sonne zu trocknen (was einen ziemlich harten, ungenießbaren Klumpen ergibt) oder ihn flach auszustreichen und dann auf einem heißen Stein oder in der Asche eines runtergebrannten Feuers zu „backen“. Sehr praktisch, wenn man zu viel Brei angerührt hatte oder wenn man sich gerade in der Ernte befand und ohnehin reichlich Getreide mahlen konnte: ein schöner flacher Mahlstein, vielleicht auch ein Mörser, und man konnte ganz gut „auf Masse“ produzieren. Immerhin wurde der getrocknete Brei so haltbar, ließ sich aber immer noch gut kauen, wenn er dünn und flach gebacken wurde. Außerdem ließ sich das Ergebnis schon deshalb ausgesprochen gut transportieren, weil man keine dichten oder komplizierten Transportgefäße mehr brauchte. Brot in den Korb und schon konnte es losgehen.
Die kleinen Helferlein
Noch heute gilt Fladenbrot, also ein ungesäuerter Teig, der sehr dünn auf einer heißen Unterlage gebacken wird, als eine der meistverzehrten Speisen der Welt. Womit wir jetzt einen etwas größeren Sprung machen müssen, weil das, was wir hier in unseren Breiten typischerweise als „Fladenbrot“ kennen (also Pita oder Pide), unter aktiver Mitwirkung von Hefen entsteht.
Was unsere Vorfahren irgendwann und eher zufällig herausgefunden haben dürften: Wenn man den ungebackenen Brotteig stehen lässt, sorgen in der Luft natürlicherweise vorhandene Hefen für eine Gärung – aus dünnen Teigen wird dann ein vergorenes Getränk (hier ist es zu einer Art Bier nicht mehr weit), aus dickeren ein Hefeteig, aus dem sich Brot backen lässt, das lockerer und schmackhafter ist als das aus unvergorenem Teig.
Da es verschiedene Hefepilze gibt, die sich teils sehr unterschiedlich verhalten, waren diese Prozesse zunächst vom Zufall abhängig. Der Mensch lernte erst im Lauf der Zeit, hier steuernd einzugreifen, indem er von einem gut gelungenen gegorenen Teig eine kleine Menge vor dem Backen abnahm und diese wieder dem nächsten Teig zusetzte – die Methode der Sauerteiggärung war geboren, die noch heute angewendet wird.
Und genau hier liegt eines der Erfolgsrezepte für das so gewonnene Nahrungsmittel: Die Hefen schließen zuverlässig die Stärke im Mehl auf und machen sie für den menschlichen Organismus verwertbar (über Gluten, das ja ein Eiweiß ist und als Kleber im Teig angesehen wird, dachte man damals wohl eher noch nicht nach).
Backkünstler
Gesäuertes Brot dürfte nach archäologischen Funden schon vor über 5.000 Jahren bekannt gewesen sein, unter anderem in Ägypten, wo schon damals Brot im größeren Maßstab in spezialisierten Bäckereien hergestellt wurde. Die Ägypter hatten in der Antike auch den Beinamen „Brotesser“ und sie waren es wohl auch, die als Erste Hefe gezielt kultivierten und damit eine frühe Bäckerhefe verwendeten.
Die zweite große Sache war die mit der Hitze: Sehr dünn ausgestrichener Breiteig ließ sich ganz gut auch dann backen, wenn die Hitze ausschließlich von unten kam. Runde und vor allem höhere Brote brauchten (und brauchen) unbedingt noch die Oberhitze: Ein Backofen musste her. Die ersten Geräte waren wohl kaum etwas anderes als ein heißer Untergrund, über den schlicht ein Topf gestülpt wurde, um die Hitze irgendwie festzuhalten. Die schlauen Ägypter nahmen sich der Sache deutlich entschlossener an und entwarfen eine Konstruktion, die entfernt an Bienenstöcke erinnert und in deren Innerem schon sehr hohe Temperaturen erzeugt werden konnten. Die im Teig vorhandene Feuchtigkeit verwandelte sich darin augenblicklich in Dampf, vergrößerte das Volumen der Brote stark und verzögerte die Krustenbildung.
Beides, also der Hefeteig und der entsprechende Backofen, führte zu solch überzeugenden Ergebnissen, dass das Fladenbrot seinen Weg von Ägypten nach Griechenland, dann nach Rom und mit den Römern nach ganz Europa fand.
Viele Brote, wenig Hefe
Alles schön und gut, allerdings sollte man sich immer vor Augen führen, dass die allermeisten Fladenbrote, die die Menschheit heute kennt und herstellt, immer noch aus ungesäuertem Teig sind, dünn und flach ausfallen und sehr oft ohne den klassischen Backofen hergestellt werden (können). Wir haben uns ein bisschen auf der Welt umgesehen und sind in wirklich jedem Winkel auf Fladenbrote gestoßen. Die meisten kommen, wie schon gesagt, ohne Hefen aus, und diejenigen, die aus Hefeteig gemacht werden, erkennt man in den allermeisten Fällen schlicht daran, dass sie besonders dick und weich sind. Naan, Pide, Pita, Chubz, Focaccia, Hallulla, Injera oder auch das Vinschgauer aus Südtirol sind solche Kandidaten. Die meisten anderen Fladenbrote werden aus ungesäuertem Teig gemacht.