Ein Feuer, ein Löffel, ein Topf
Um den besonderen Charme des Eintopfs zu verstehen, reicht es im Grunde, wenn wir uns kurz in eine Zeit bzw. an Orte begeben, die keine Supermärkte, Kühlschränke und Zentralheizung kennen. Man ist und war darauf angewiesen, was regional-saisonal vorhanden war, der Speiseplan folgte dem, was natürlicherweise an Nahrungsmitteln zur Verfügung stand. Frisches musste schnellstens verzehrt werden und als Wärmequelle stand nur ein offenes Feuer zur Verfügung, über das man einen einzigen Topf hängen oder stellen konnte. Logisch, dass hier ein bisschen Einfallsreichtum gefragt war, denn schließlich musste jeden Tag aufs Neue etwas möglichst Nahrhaftes und Sättigendes in die Schalen.
Eine Möglichkeit war, das vorhandene Getreide zu zerkleinern und es dann mit Wasser, Milch oder Brühe zu einem Brei zu verkochen – Stichwort Haferbrei. Allerdings war das auf Dauer weder besonders schmackhaft noch besonders ausgewogen oder gesund. Gerade zum Herbst hin aber wurde das Wurzelgemüse erntereif, Kartoffeln hatten Saison und auch Lauch, Zwiebeln und Knoblauch gab es reichlich. Praktischerweise ließen sich diese Feldfrüchte entweder besonders gut einlagern (Kartoffeln, Sellerie, Bohnen, Erbsen, Linsen) oder sie waren von Natur aus besonders lange haltbar (Kohl, Lauch, Zwiebeln, Steckrüben, Karotten).
Übrigens waren, zumindest in unseren Breiten, drei Gemüse ausgesprochen populär, die heute erst ganz allmählich wieder in unser Bewusstsein und in unsere Töpfe wandern: Topinambur, der sehr lange wichtiger als die Kartoffel war, die wirklich kerngesunden Pastinake und nicht zuletzt auch die eher unscheinbare, dafür umso schmackhaftere Schwarzwurzel.
Not und Tugend
Letzten Endes musste man also das Kunststück beherrschen, aus verfügbaren, möglichst günstigen und haltbaren Zutaten eine Speise zuzubereiten, die gut schmeckte und dem menschlichen Organismus Proteine, Kohlenhydrate, Fette, Spurenelemente, Mineral- und Ballaststoffe sowie Vitamine zur Verfügung stellte. Die brauchte er in besonders großen Mengen ausgerechnet in derjenigen Zeit des Jahres, wo es am kältesten und am dunkelsten war und nichts Frisches von den Feldern kam.
Und zu verschwenden gab es sowieso nichts, weswegen auch der Einsatz von Brennholz möglichst bescheiden gehalten wurde und ein Feuer im Idealfall eher länger mit niedrigen Temperaturen brannte als kurz und heiß.
Sie merken es schon: Wenn wir diese Aspekte unter einen Hut bringen, dann sind wir bei einer Speise, die bestmöglich vereinte, was man so in Regal, Keller oder Schrank hatte, die alles in einem Topf zusammenbrachte, mit einer einzigen Hitzequelle auskam und das Überleben für die kalten Monate sicherstellte.
Nur ein bisschen
Logisch, dass es DEN EINEN Eintopf nicht gab oder gibt. Bei dem, was man sich jeweils erkochen konnte, kam es schließlich darauf an, wo man sich gerade befand und was die Landwirtschaft so hergab, und das fiel ausgesprochen unterschiedlich aus. Aber zum Herbst hin konnte man immerhin zusätzlich noch das Glück haben, dass ein Schwein oder eine fette Gans geschlachtet wurde. In diesem Fall stellte das Fleisch eine wertvolle, wichtige und im besten Falle ebenfalls sehr gut haltbare Nahrungsquelle dar. Fleisch war teuer und besonders und kam deswegen nur äußerst selten auf den Tisch – weswegen wir heute noch von „Einlage“ reden, wenn es um Eintöpfe geht: Fleisch ist sozusagen nur als willkommene Zugabe zu verstehen, der Hauptanteil eines Eintopfs sind und bleiben die pflanzlichen Zutaten.
Schmeckt immer
Eintöpfe bestehen üblicherweise aus herzhaften Zutaten und im Vergleich zu Suppen aus weniger Flüssigkeit. Typisch sind Wurzelgemüse wie Knollensellerie, Pastinaken, Steckrüben, Kartoffeln und Möhren, aber auch Hülsenfrüchte wie Bohnen, Erbsen und Linsen sowie Fleisch und – wenn auch selten und wenn, dann eher in Küstennähe – Fisch. Für die Brühe können die Knochen ausgekocht werden, die nach der Zerlegung eines Tieres ohnehin übrig bleiben. Für Würze sorgen Kräuter wie Petersilie, Schnittlauch, Bohnenkraut oder Lorbeerblätter. Neben den deftigeren Eintöpfen mit Fleisch oder Wurst sind auch rein vegetarische Eintöpfe beliebt.
Was Eintöpfe so gesund macht
Grundsätzlich hat Wintergemüse einen hohen Gehalt an gesunden Inhaltsstoffen, die das Immunsystem im Winter unterstützen und darüber hinaus auch alles andere enthalten, was gut und wichtig für unseren Körper ist.
Nur zur Erinnerung: Wir brauchen unbedingt Kohlenhydrate, Ballaststoffe, Proteine, Fette, Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente. Damit wir uns jetzt aber nicht in allzu vielen Grundzutaten verlieren, sehen wir uns die „wichtigsten“ Gemüse etwas genauer an, die alleine schon einen sehr schönen Eintopf ergeben und so gesehen bereits ein Grundrezept für einen guten Eintopf bilden. Zumindest, was die Gesundheit angeht – in Sachen Geschmack zählen noch andere Faktoren mit, dazu weiter unten mehr.
Die Sache mit der Brühe
Sagen wir mal so: Wer weiß, wie man einen ordentlichen Eintopf aufsetzt, der muss sich keinen Kopf darüber machen, ob und welche Brühe er einsetzen sollte, um die schönsten Aromen zu erzielen. (Klar, wenn Sie gerade ein paar Knochen übrig haben, dann rösten Sie sie ruhig in einem Topf erst kräftig an, geben dann Wasser und die Abschnitte von Gemüsen und Kräutern sowie Zwiebelschalen hinzu und köcheln das Ganze ohne Zugabe von Salz gerne ein paar Stündchen). Der Trick liegt aber eigentlich gar nicht in der zugegebenen Brühe, sondern darin, wie Sie Ihren Eintopf starten – und das wird im Grunde auf der ganzen Welt so gemacht, egal ob Sie Fleisch oder Speck einsetzen möchten oder ob Sie konsequent vegetarisch unterwegs sind.
Der Trick mit dem Zucker
Wie gesagt: Man kann Knochen rösten, um an Röststoffe und Aromen zu kommen, die dann später mit der Brühe in den Eintopf gelangen und das Ganze besonders herzhaft machen; das ist besonders im Winter sehr angenehm. Da Röstaromen aber nicht nur durch Fleisch entstehen können, sondern im Grunde nur karamellisierte Zucker sind, gibt es noch einen anderen Weg: Rösten Sie eine oder zwei halbierte Zwiebeln (mit Schale) mit der Schnittseite nach unten trocken im Topf scharf an, bevor Sie weiteres Gemüse und Flüssigkeit zugeben. Karotten machen den Job genauso gut – man kann sagen, dass jedes Gemüse, das besonders viel Zucker enthält, sich zum Anrösten eignet.
Wenn Sie diese Aromen erst einmal haben, ist der ganze Rest wirklich nur noch ein kulinarischer Klacks. Sollten Sie sich optisch mit den „angebrannten“ Elementen nicht abfinden wollen, dann nehmen Sie die halben Röstzwiebeln oder Karotten oder Pastinaken einfach wieder heraus, nachdem Sie Ihren Eintopf fast fertig gegart haben – die haben ihren Job bis dahin ohnehin getan.
Speck lassen Sie natürlich drin, angeröstetes Fleisch auch (und bitte daran denken, dass gepökelte Räucherwurst besser nicht scharf gebraten werden sollte). Falls Sie Fisch verarbeiten wollen, dann geben Sie diesen erst sehr spät zu Gemüse und Flüssigkeit, da er ansonsten schlicht zerfallen würde. Auch Nudeln, Reis oder Graupen sind meist schneller gar als der Eintopf selbst, weswegen auch diese später dazugegeben werden sollten. Mettwurst oder Bauchspeck dagegen machen auch längere Garzeiten gut mit, Bockwürstchen und auch Geflügelfleisch sind vergleichsweise schnell gar.
TIPP: Schneiden Sie Geflügelfleisch in sehr dünne Streifen, dann braucht es nur wenige Minuten und bleibt trotzdem saftig.
Und dann?
Und dann haben Sie nicht nur ein sehr gemütliches und geselliges Essen, weil sich alle um diesen einen Topf scharen und sich nach Herzenslust selber bedienen. Sie haben sich auch gesund ernährt, mussten dafür nicht viel Geld ausgeben oder großen Aufwand betreiben. Aber vor allem: Ein gut gemachter Eintopf ist eine sehr befriedigende und extrem leckere Angelegenheit, die wunderbar satt macht und Herz und Seele erwärmt!