Das berühmteste Ei der Welt
Vielleicht kennen Sie die Geschichte noch aus der Schule oder haben sie anderweitig aufgeschnappt: Christoph Columbus will unbedingt einen neuen Seeweg nach Indien finden und zu diesem Zweck so lange nach Westen segeln, bis er die Ostküste Indiens erreicht. Eine entsprechende Expedition zu finanzieren erfordert jedoch jede Menge Überzeugungsarbeit und das Projekt zieht sich enorm in die Länge. Eines schönen Tages erscheint der Seefahrer vor einem Gremium, das erklärt, man könne eher ein Ei auf den Kopf stellen als Indien auf dieser Route erreichen. Sofort greift Columbus nach einem gekochten Ei, das aus welchen Gründen auch immer gerade auf dem Tisch im Konferenzzimmer liegt, titscht es mit der spitzen Seite auf die Tischplatte und stellt es auf der Bruchstelle aufrecht hin.
Die Herren Finanziers und Entscheider empören sich daraufhin, dass man so nicht gewettet und dass das ja nun jeder gekonnt hätte. Columbus antwortet dann sinngemäß, dass es jeder hätte tun können, er es aber getan hat. Er bekommt seine Expedition.
Schöne Geschichte, allerdings stimmt sie überhaupt nicht: Erstens hat dieses Gespräch erst stattgefunden, nachdem Columbus bereits von seiner ersten Reise zurückgekehrt war und Amerika schon entdeckt hatte, zweitens wehrte er sich einfach gegen den Vorwurf, die Reise sei so leicht gewesen, dass jeder sie hätte unternehmen können, indem er die Anwesenden dazu aufforderte, das Ei auf den Kopf zu stellen. Und drittens hat die Anekdote ursprünglich überhaupt nichts mit Columbus zu tun, sondern wird einem Dialog zugeschrieben, der ein paar Jahrzehnte zuvor stattgefunden hatte – und bei dem es um den Bau einer Kirchenkuppel ging. Wie man sich doch täuschen kann ...
Die Farbe der Eier
Eier scheinen ohnehin voller Geschichten und Widersprüche zu stecken und das ist mit dem Ei des Kolumbus noch nicht vorbei. Hartnäckig hält sich auch die Erzählung, dass die Farbe der Eierschale auf das zurückzuführen sei, was die Hühner zu fressen bekommen. Auch das ist Unsinn, weil die Farbe der Schale immer genetischen Ursprungs ist.
Beim Dotter dagegen sieht die Sache anders aus, weil hier tatsächlich so viel vom Futter abhängt, dass manche Hühnerfarmen gezielt natürliche Farbstoffe beimischen, die dem Dotter eine goldgelbe, orange oder besonders kräftige Farbe verpassen. Das hat übrigens keinen Einfluss auf den Geschmack, weil die Farbstoffe geschmacksneutral sind. Nur wenn die Tiere besonders hochwertig ernährt werden, zum Beispiel also frei in Außenhaltung leben, wo sie vom Käfer bis zum Kleeblatt alles fressen können, was ihnen behagt, schmecken die Dotter intensiver und besser.
Braune Eierschalen sagen gar nichts aus
Aber noch einmal zurück zur Schale: Ursprünglich wurden vor allem Hühnereier vermarktet, die eine weiße Schale hatten – und die entsprechenden Rassen waren recht populär. (Man sollte übrigens unbedingt zwischen Rasse- und Hybridhennen unterscheiden: Rassetiere sind keine auf absolute Höchstleistung gezüchteten Tiere, wohingegen bei Hybridhennen nichts anderes zählt als das. Zum Vergleich: Selbst ein Rassehuhn mit hoher Legeleistung legt nur um die 220 Eier pro Jahr, wohingegen es eine Hybridhenne locker auf 330 bringt.)
Mittlerweile liegt der Anteil der vermarkteten braunen Eier bei gut über 60 %, weil viele Verbraucher wohl denken, dass braune Eier natürlicher, besonders bio und entsprechend gesünder oder schmackhafter sind. Dem Ei (und seiner Biochemie und Zusammensetzung) dagegen ist es total egal, wie es von außen aussieht, die Farbe ist vollkommen irrelevant. Höchstens die Landwirte profitieren von dem Trend, weil es viel einfacher ist, braune Eier zu erzeugen. Weiße Eier kommen zumeist von Rassehennen, braune eher von Hybriden.
Eier in Deutschland
Deutsche Erzeuger bringen es auf etwa zwölf Milliarden Eier pro Jahr und der Pro-Kopf-Verbrauch bewegt sich um die 210 Schaleneier, wovon die Hälfte in privaten Haushalten landet, 30 % in der lebensmittelverarbeitenden Industrie und 20 % in Großküchen und Bäckereien.
Hühnereier dürfen in Deutschland die ersten 18 Tage ab Legedatum ungekühlt gelagert werden, weil das Ei über einen eigenen Immunschutz in Form von Enzymen auf der Schale und im Inneren verfügt. Deshalb dürfen die Eier auch nicht gewaschen, sondern nur mechanisch gereinigt werden, bevor sie in den Handel gelangen, weil sonst die Cuticula, das ist die Eihaut, die manchmal beim Schälen so hartnäckig an der Schale haftet, Schaden nehmen würde.
Nach starken Temperaturschwankungen oder durch Kühlung kann dieser Immunschutz jedoch beeinträchtigt sein, weil sich allen Ernstes Kondenswasser im Ei bildet und diesen Immunschutz schwer ins Wanken bringen kann. Das ist der Grund dafür, dass alle einmal gekühlten Eier unbedingt weiterhin ununterbrochen gekühlt gelagert werden müssen.
Ab dem 18. Tag müssen Eier ohnehin immer gekühlt werden, weil der Immunschutz natürlicherweise allmählich zurückgeht. Eier, die seit mehr als drei Tagen der Kühlpflicht unterliegen – also bis zu 21 Tage alt sind –, dürfen nicht mehr gewerblich an Endverbraucher abgegeben werden. Diese Verordnung dient dem Verbraucherschutz, da das rohe Hühnerei einer der produktivsten Nährböden für Bakterien überhaupt und deshalb ein sehr sensibles Lebensmittel ist. Vor allem die Gefahr der Übertragung von Salmonellen ist hoch.
Eier in der Küche
Bei der Herstellung von Produkten aus rohen Eiern (zum Beispiel Eischnee, Mayonnaise, Speiseeis oder Desserts) besteht die Gefahr, dass beim Öffnen der Eierschalen Bakterien von der Schalenoberfläche oder von den Händen der zubereitenden Person in die Eimasse gelangen. In der Folge können sich diese Bakterien äußerst schnell vermehren und Lebensmittelvergiftungen auslösen. Durch kurzes Eintauchen der Eier in kochendes Wasser können die Bakterien auf oder direkt unter der Schale abgetötet werden (was allerdings nicht das Problem mit den Keimen auf der Hand der Köche löst). Ohne besondere konservierende Maßnahmen sollten ungegarte Speisen mit Frischei deshalb am besten am Tag der Herstellung verbraucht werden.
Eier kochen
Beim Erhitzen von Eiern stockt das Eiklar ab einer Temperatur von etwa 62 Grad Celsius und das Dotter ab etwa 68 Grad Celsius, das Eiklar härtet also schneller aus als das Eigelb. Daher wird das Eigelb bei der Zubereitung von warm (!) aufgeschlagenen Frischeiprodukten wie Sauce hollandaise oder Zabaglione in einer Metallschüssel im Wasserbad langsam und mit begrenzter Wärmezufuhr bis knapp unter diese Temperatur erhitzt. Geht man über diese Temperatur, hat man im Grunde nichts anderes als Rührei.
Gekocht wird ein Ei meist in einem Topf mit normalem Leitungswasser, oft mit etwas Salz oder Essig. Das Salz bzw. der Essig verhindert zwar nicht das Platzen (auch das ist so ein Eiermythos), beschleunigt aber die Denaturierung des Eiklars, sollte das Ei brechen. Anders gesagt kann das Ei dann zwar immer noch platzen; weil das Eiweiß schneller stockt, tritt aber weniger Masse aus der Schale aus und der Verlust ist geringer.
Wird das Ei zu lange gekocht (manche Rezepte sehen allerdings grün gekochte Eier vor), entsteht einerseits aus den schwefelhaltigen Aminosäuren der Proteine Schwefelwasserstoff, der für den typischen Geruch nach faulen Eiern verantwortlich ist. Außerdem reagiert das im Ei enthaltene Eisen mit dem Schwefelwasserstoff und es entsteht Eisensulfid, das dem „überkochten“ Eigelb die grün-blaue Farbe verleiht.
Das Erhitzen eines Eis mit Schale in einer Mikrowelle ist keine gute Idee, weil das zu einem Aushärten von außen nach innen führt, mit sehr starker Gasbildung durch Wasserdampf, was in der Regel zum explosionsartigen Bersten des Eis führt.
In der Pfanne werden aufgeschlagene Eier als Spiegeleier, Omeletts oder Rühreier gebraten.
Aufgeschlagene Eier mit wenigen Beigaben können auch kalt verquirlt werden (zum Beispiel Eischnee), wobei man hier zuvor eine Abtrennung von Eiklar und Eigelb herbeiführen muss, wenn man sich nicht total blamieren will. Ein späteres Ausbacken der Masse ist möglich und köstlich (zum Beispiel als Baiser).
Für Teigwaren ergeben sich keine besonderen Einschränkungen bei der Zubereitung, wenn sie Ei enthalten. Einzelne Sonderformen von Teigwaren, meist Ostergebäck, aber auch Fleischteige, erlauben es, gekochte Eier als Ganzes zu integrieren, was allerdings eher optisch-kulturelle als kulinarische Gründe hat.
Wie frisch ist das Ei?
Die Schwimmprobe gibt einen Hinweis darauf, wie frisch ein Ei ist. Dieser Test funktioniert, weil Wasser durch die Schale hindurch verdunstet und die Luftblase im Inneren allmählich größer wird. Man legt das Ei in ein Glas mit Wasser.
Wenn das Ei frisch ist, geht es komplett unter und liegt flach am Boden.
Ist es einige Tage alt, liegt es am Boden und das stumpfe Ende steht leicht nach oben.
Wenn das Ei senkrecht oder fast senkrecht steht, ist es weniger als zwei Wochen alt.
Schwimmt es an der Oberfläche und das stumpfe Ende mit der Luftblase ragt aus dem Wasser, so ist es mehr als drei Wochen alt und sollte besser nicht mehr verarbeitet werden.
Außerdem lassen sich frische Eier eher geräuschlos schütteln, wohingegen ältere durch Austrocknung eine größere Luftblase gebildet haben und daher schlackern können.
Ein Indiz für die Frische eines bereits gekochten Eis ist die Lösbarkeit der Schale. Lässt sich diese einfach entfernen, ist das Ei mindestens etwa vier Tage alt. Bei ganz frischen Eiern haften die Schale und die darunterliegende Haut, die Cuticula, stark am Ei, sodass dieses oft nur mit Beschädigungen gepellt werden kann.
Um festzustellen, ob ein Ei bereits gekocht oder noch roh ist, kann man es auf eine ebene Fläche legen und wie einen Kreisel in Rotation versetzen. Ein gekochtes Ei kreiselt problemlos fröhlich weiter, ein rohes Ei ist schwieriger in Rotation zu versetzen und schlingert tendenziell. Eine weitere Option mit Spaßfaktor: Wenn das Ei nun abrupt angehalten und sofort wieder losgelassen wird, kann man den Unterschied zwischen einem frischen und einem gekochten Ei ebenfalls feststellen – das frische dreht sich weiter, das gekochte bleibt stehen.
Eier sind fast perfekte Lebensmittel
Sagen wir mal so: Das Einzige, was sich in einem Hühnerei nicht finden lässt, ist Vitamin C. So ziemlich alles andere, was ein menschlicher Organismus benötigt – Wasser, Proteine, Fette, Kohlenhydrate, Mineralstoffe, Aminosäuren, Vitamine – hat ein gut erzeugtes Ei zu bieten, wobei das Dotter hier sehr viel wertvoller ist als das Eiklar drum herum. Und falls wir das noch nicht erwähnt haben sollten: Ein typisches Hühnerei wiegt so um die 50 bis 60 Gramm, was man wissen sollte, wenn man über die Kalorien spricht. Bei all seiner ernährungsphysiologischen Power enthalten 100 Gramm Ei im Schnitt nämlich nur erfreuliche ca. 160 Kilokalorien.