Halb gebraten, halb gedämpft: Dampfnudeln
Die Bezeichnung „Dampfnudel“ ist nachvollziehbar und verwirrend zugleich: Zum einen ist eine Dampfnudel natürlich überhaupt keine Nudel, zum anderen allerdings lässt der Wortbestandteil „Dampf“ schon mal anklingen, wie Dampfnudeln gegart werden. Wobei auch das nur die halbe Wahrheit ist, dann als eigentlicher Clou wird der Hefekloß zusätzlich von unten gebraten. So gart der obere Teil im Dampf, der Boden dagegen wird knusprig und braun. Im Ergebnis hat man eine glänzende und feine Oberfläche, einen krossen Boden und eine luftig-leichte Krume, die sehr typisch für einen gut gemachten Hefeteig ist.
Übrigens ist der Teil mit der Nudel in „Dampfnudel“ gar nicht besonders überraschend, weil die Wörter Nudel und Knödel sprachlich sehr eng miteinander verwandt sind. Das Ganze könnte also auch ganz gut „Dampfknödel“ heißen und wäre dann genauso richtig. Immerhin deutet auch die kugelrunde Form auf Knödel und die Zubereitung und das Teigrezept sind ebenfalls anders als bei der Nudel, die ja schließlich in sprudelnd kochendem Wasser gegart wird und nicht im Dampf.
Die wichtigsten Unterschiede bei Dampfnudeln
Der Teig der Dampfnudel ist ein mehr oder weniger klassischer Hefekloß-Teig, der aus Mehl, Wasser und Hefe besteht. Allerdings werden je nach Region und Rezept auch gerne noch Milch, Eier, Salz, Zucker oder Fett hinzugegeben. Das hat damit zu tun, dass sich ein anständiger Hefeteig natürlich als herzhafte Variante ebenso gut macht, wie wenn man auf süße Freuden setzen will – was uns unmittelbar nach Böhmen, Bayern und in die Pfalz bringt. Während sie in Böhmen und Bayern ihre Dampfnudeln nämlich tendenziell lieber süß mögen und sie deshalb gerne mit Vanillesoße und Kompott genießen, setzen die Pfälzer auf die salzige Version, die man zu deftigem Gulasch oder Eintopf auftischt. Wobei das gar nicht der allergrößte Unterschied zwischen den beiden ist: In der Pfalz nämlich kommen Dampfnudeln grundsätzlich ungefüllt auf Tisch und Teller, wohingegen die Bayern sie gerne mit Füllung veredeln.
Dampfnudeln sind keine Germknödel
Nicht verwechseln sollte man die Dampfnudel mit ihrem recht nahen Verwandten, dem Germknödel. Zugegeben, auch dieser ist aus Hefeteig gemacht (Germ bedeutet im Bayerischen und in Österreich Hefe). Germknödel werden aber praktisch ausnahmslos in Salzwasser gekocht. Deshalb haben sie zwar ebenfalls eine schön glänzende und feine Oberfläche und eine nette Krume, bieten aber nicht den extraleckeren Knusperboden. Außerdem werden Germknödel so gut wie immer mit Pflaumenmus gefüllt und warm mit Mohn, Puderzucker und/oder Vanillesoße serviert.
Das Dampfnudel-Prinzip
Der Hefeteig für Dampfnudeln wird nach einer angemessenen Gehzeit zu etwa faustgroßen Kugeln geformt, die dann in einem geschlossenen Topf in Fett, (Salz-)Wasser oder in Milch gedämpft und gleichzeitig gebraten werden. Nachdem die zugesetzte Flüssigkeit verdampft ist, meistens so etwa nach 15 bis 20 Minuten, entsteht der für die Dampfnudeln typische knusprig gebratene Teigboden.
Zwar kursieren zur Herstellung von Dampfnudeln verschiedene Möglichkeiten, die vom Dampfgarer bis zum Backofen reichen, die typischste Form der Garung ist aber die im Topf bzw. in der Pfanne: Die Teigkugeln werden in sehr heißes Fett gelegt, dann wird Milch oder Wasser angegossen, der Deckel fest verschlossen und das Ganze bleibt bei mittlerer Temperatur auf dem Herd. Nach kurzer Zeit ist die Flüssigkeit verdunstet bzw. von unten in den Teig eingezogen und der gleichzeitig entstandene Dampf sorgt dafür, dass der Hefeteig schön gleichmäßig von allen Seiten bis nach innen durchgaren kann.
Über süße und herzhafte Dampfnudeln
In der Pfalz können Dampfnudeln Haupt- und Nachspeise sein, auch während derselben Mahlzeit. Als Hauptgericht werden sie gerne mit Sauerkraut, Gulasch, Rahmpilzen, herzhaften Suppen oder Eintopf verspeist und dienen als hochwillkommene Sättigungsbeilage. Als Nachspeise kommen sie dann mit süßen Beilagen (zum Beispiel Weinsoße, Vanillesoße, eingekochtem Obst von Mirabellen, Zwetschgen, Birnen, Apfelkompott oder Apfelmus) auf den Tisch.
In Bayern genießt man Dampfnudeln eher süß, gerne auch als Hauptspeise, die ebenfalls mit Vanillesoße und eingekochtem Obst oder Beeren serviert wird. Oft werden die Dampfnudeln bereits vor dem eigentlichen Garprozess entsprechend gefüllt und vor dem Servieren mit Soße veredelt.
Dampfnudeln als Friedensstifter
Eine solche Köstlichkeit wie die Dampfnudel wollen natürlich immer mehrere verschiede Leute, Regionen oder Länder erfunden haben. Sicher ist, dass heute kein Mensch mehr weiß, wer wann auf die geniale Idee gekommen ist, einen Hefeteig gleichzeitig zu braten und zu dämpfen, und auch der entsprechende Zwist zwischen Bayern und Pfälzern ist mittlerweile beigelegt worden (sogar auf politischer Ebene). Seit 2008 backen die Bayern und die Pfälzer ihre Dampfnudeln friedlich nach ihrer jeweils bevorzugten Methode und alle können zufrieden sein.
Weit weniger friedlich allerdings ist der Ursprung der beiden Dampfnudel-Tore im pfälzischen Kandel und in Freckenfeld. Diese wurden erbaut, um daran zu erinnern, dass den Orten während des Dreißigjährigen Krieges von einer Schwadron ungezogener schwedischer Soldaten Mord und Totschlag angedroht worden war, wenn sie nicht schleunigst eine beträchtliche Geldsumme aufbrächten.
Aber irgendwie hatten die Pfälzer wohl damals schon erkannt, dass ein voller Bauch keine Revolutionen macht, und flugs dafür gesorgt, dass die Invasoren mit frisch zubereiteten Dampfnudeln an kräftiger Soße versorgt wurden. Genauer gesagt haben sie 1.286 Dampfnudeln hergestellt und serviert, woraufhin die satten Soldaten zufrieden von dannen zogen, ohne weiteren Ärger zu machen.
Die Rundbögen der beiden Tore sind mit jeweils mehr als 1.000 steinernen Dampfnudeln an allen Seiten gestaltet – in Erinnerung an die Anzahl der Dampfnudeln, mit denen man dereinst die Schweden abgespeist hatte.
Dampfnudeln genießen
Dampfnudeln werden am besten direkt und heiß genossen, weil der Teig deutlich fester wird, wenn er abkühlt. Genau wie in diesem feinen Rezept hier. In Scheiben geschnitten und getoastet werden übrig gebliebene Dampfnudeln jedoch zu einem leckeren Snack für zwischendurch und schmecken tausendmal besser als schnödes Toastbrot.
Fertige Dampfnudeln können im Kühlschrank zwei bis drei Tage bequem in einer luftdichten Tüte aufbewahrt und bei Bedarf noch einmal kurz aufgedämpft werden. Das funktioniert in der Mikrowelle überraschend gut, wenn man die Dampfnudeln mit ein bisschen Wasser benetzt und mit einem Teller abdeckt.
Außerdem lassen sich sowohl der zu Kugeln geformte Grundteig als auch bereits fertig gebackene Dampfnudeln recht gut einfrieren. Sie müssen zur Weiterverarbeitung nur entsprechend wieder aufgetaut bzw. erwärmt werden.
Mit glutenfreiem Mehl können auch Menschen mit Zöliakie, also mit Glutenunverträglichkeit, in den Genuss von Dampfnudeln kommen, und auch vegane Dampfnudeln lassen sich ganz leicht herstellen, indem man die Butter durch Margarine ersetzt und die Kuhmilch durch Pflanzenmilch – und natürlich auf Eier im Teig verzichtet.