Der Crumble ist so typisch einfach
Pfannkuchen, Reibekuchen, Streuselkuchen: schon interessant, dass die allereinfachsten Gerichte uns oft am allerbesten munden. Und das hat auch seinen Grund: Sie versorgen uns zuverlässig mit Stärke, Proteinen, Fett und Zucker, sättigen gut und schmecken darüber hinaus auch noch wunderbar. Dabei war der Gedanke dahinter wesentlich profaner, denn ein bisschen Mehl, Kartoffeln, etwas Butter, Zucker und ggf. das eine oder andere Ei hatte man meist ohnehin im Haus – nicht zuletzt, weil sich all diese Dinge gut lagern ließen und entsprechend lange hielten. Außerdem waren sie nicht sonderlich teuer, wenn man sie nicht sogar aus Eigenproduktion gewinnen konnte.
Was Streusel, Krümel und Crumble verbindet
Trotzdem hatte man natürlich nichts zu verschenken; Vergeudung und Verschwendung waren in keinem Haushalt gern gesehen, weil Lebensmittel viel zu wertvoll waren, als dass man sie nicht wirklich komplett aufgebraucht hätte. Ein Kuchen zum Beispiel: Zu Zeiten, in denen es keine Küchenwaagen gab, behalf man sich mit Krügen, Tassen, Löffeln, dem Gefühl oder dem Auge als Maß und wenn dabei ein bisschen mehr Grundteig entstand, als der Kuchenboden es erforderte (oder verzeihen würde), kam es nicht infrage, den übrig gebliebenen Teig zu entsorgen. Er wurde auf jeden Fall noch verwertet, und wenn es nur ein paar Krümel oder Streusel waren, die man kurzerhand oben auf das Gebäck gab.
Ohne Streusel kein Crumble
Ob der Streuselkuchen so entstanden ist, wissen wir heute nicht mehr. Fest steht aber, dass auf einen ganz einfachen Hefeteig süße, aus Mehl, Zucker und Fett bestehende Krümel aufgelegt wurden, die möglicherweise beim Herstellen eines anderen Kuchens angefallen waren. Noch heute gilt der schlesische Streuselkuchen (und hier vor allem seine wunderbar buttrigen Streusel) als Glanzstück der Backkultur. Er entstand irgendwann Mitte des 16. Jahrhunderts, erlebte seinen kulinarischen Durchbruch in der Mitte des 19. Jahrhunderts, kam mit den schlesischen Auswanderern nach Preußen, ins Rheinland und nicht zuletzt in die USA – und von dort wahrscheinlich im Zweiten Weltkrieg schließlich nach Großbritannien.
Ein Crumble ist eine Nachspeise und kein Kuchen
Nun ist ein Streuselkuchen nicht dasselbe wie der legendäre Crumble, der in England und in den USA Kultstatus genießt. Immerhin kommt ein echter Crumble ganz ohne Teigboden aus und wird auch nicht als Kuchen, sondern als Dessert gegessen: Auf eine gute Portion vorgegartes und gewürztes Obst (gerne Äpfel, Pflaumen, Rhabarber oder auch saure Beeren) werden die Krümel (engl. Crumble) gegeben, die heutzutage oft noch mit gehackten Nüssen, Getreideflocken oder auch geriebenen Keksen verfeinert werden. Genossen wird ein waschechter Crumble lauwarm und gerne in Begleitung von Custard (eine Art recht flüssiger Vanillepudding), Vanillesoße oder Vanilleeis.
Der Crumble kommt aus Großbritannien
All die heutige Opulenz sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, wie es zu der Idee kam, einen Kuchen ohne Boden herzustellen – schließlich ist das erst einmal eine recht ungewöhnliche Idee. Gehen wir also ein paar Jahrzehnte zurück und sehen wir uns an, was sich in den 40er-Jahren des 20. Jahrhunderts in England abgespielt hat:
„Ich habe nichts zu bieten außer Blut, Mühsal, Tränen und Schweiß“, verkündete der gerade frisch zum Premierminister ernannte Winston Churchill am 13. Mai 1940 im britischen Unterhaus. Die kurze Rede gilt heute als legendär, weil sie den unbedingten Siegeswillen Churchills gegen Nazideutschland abbildet, weil sie für einen Politiker erstaunlich ehrlich war und weil sie das Volk auf jede Menge Mangel und Verzicht einstellen sollte.
Tatsächlich wurde in den Folgejahren so ziemlich alles rationiert, was man so rationieren konnte, und – wussten Sie das eigentlich? – diese Rationierung wurde erst im Jahr 1954 komplett aufgehoben (das letzte rationierte Lebensmittel war Fleisch), also ganze neun Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs und viel später, als das zum Beispiel in Deutschland der Fall war.
Duldsam und pragmatisch, wie die Briten nun mal sind und waren, nahmen sie die Einschränkungen fast schon stoisch hin, sahen es aber gleichzeitig nicht ein, auf die Freuden einer kleinen süßen Leckerei zu verzichten, die das eher karge Mahl abrundete und auch zu dem einen oder anderen Tässchen dünnen Tees sehr gut schmeckte.
Was in einen klassischen Crumble kommt
So nahmen sie, was sie hatten: ein paar Äpfel aus dem Garten im Herbst, Rhabarber im Frühjahr und Obst (oder Kompott), wie es gerade saisonal verfügbar war. Ein bisschen Mehl, Zucker und Butter oder Margarine wurde ihnen ohnehin zugeteilt und so machten sie schlicht aus der Not eine Tugend, indem sie mehr oder weniger komplett auf einen Kuchenteig verzichteten. Unten in eine Kuchenform kam direkt das Obst, obendrauf ein paar Krümel, also Crumble, aus einem Teil Zucker, einem Teil Fett und ungefähr zwei Teilen Mehl, und schon wanderte das Ganze zum Überbacken in die Bratröhre. Ein bisschen eingekochte Kondensmilch aus der Dose dazu (was eine Variante des Custard ist), und fertig war der überaus wohlschmeckende Nachtisch. Auch heute noch gilt ein Crumble als Dessert und würde niemals anstelle eines vollständigen Kuchens serviert werden.
Crumbles gibt es in vielen Varianten
Wahrscheinlich gibt es so viele Crumble-Varianten, wie es Obst, Gemüse und Fantasie gibt. Ein klassischer Crumble basiert zwar traditionell auf Äpfeln oder Rhabarber, die zusätzlich mit Zimt und Zucker gewürzt werden, aber auch herzhafte Crumbles mit Roter Bete, Feta und Rucola sind absolut denk-, mach- und essbar. Bei den herzhaften Varianten mit Gemüse aller Art macht es allerdings nicht viel Sinn, die Streusel mit Zucker zu versehen – hier kommt dann gerne geriebener Parmesan oder anderer fester Käse zum Einsatz.
Fleischbasierte Versionen von Crumble sind nicht wirklich typisch, weil ein Crumble ja eigentlich eher als Dessert oder möglicherweise noch als kleine herzhafte Leckerei für zwischendurch zu verstehen ist. Und weil im ursprünglichen Rezept ohnehin Margarine als Zutat steht, gelten klassische Obst-Crumbles als sehr gut auch für Veganer geeignet (mit veganer Vanillesoße oder veganem Vanilleeis ein Hochgenuss).
Auch außerhalb der Saison ist es heutzutage ein Kinderspiel, sich mit der saftigen Knusprigkeit zu verwöhnen: TK-Früchte und -Beeren(mischungen) eignen sich ganz hervorragend für die Zubereitung eines Crumbles.
Wenn die Streusel Probleme machen
Wenn Ihre Crumbles dennoch nicht so richtig mitspielen wollen, dann kann es eigentlich nur drei Gründe hierfür geben:
- Die Streusel werden zu hart, wenn zu viel Zucker beigegeben wurde.
- Die Streusel verlaufen beim Backen, wenn zu viel Fett beigegeben wurde.
- Die Streusel krümeln bzw. zerfallen beim Schneiden, wenn zu viel Mehl beigegeben wurde.
Im Grunde ist das Rezept mit 1 Teil Zucker, 1 Teil Fett und 2 Teilen Mehl zwar einigermaßen narrensicher, wenn Sie aber mit Nüssen, Haferflocken, Rosinen oder auch Kekskrümeln experimentieren, dann können sich die Mehrheitsverhältnisse schnell verschieben. Hier müssen Sie sich in aller Ruhe rantasten – lecker sind aber garantiert auch härtere, verlaufende oder bröckelige Ergebnisse.