Egal, stimmt beides
Beginnen wir diesen Text der Einfachheit halber in der Provinz Maine, wobei es im Grunde vollkommen egal ist, ob Ihnen hier die Gegend in Frankreich lieber ist, die sich direkt südlich der Bretagne und der Normandie befindet, oder ob Ihnen der US-Bundesstaat Maine besser gefällt, der im äußersten Nordosten der Vereinigten Staaten liegt. Es waren nämlich französische Siedler, die sich im frühen 17. Jahrhundert von Maine, der Bretagne und der Normandie aus auf den Weg machten, um sich so ungefähr in der Gegend des heutigen Nova Scotia (also in unmittelbarer Nachbarschaft zu Maine) niederzulassen, und so mehr oder weniger direkt im Grenzgebiet zwischen Kanada und den heutigen USA landeten.
Die ganzen politischen Wirren, die darauf folgten, können wir uns an dieser Stelle schenken. Viel wichtiger ist im Moment, dass die französischen Migranten nicht nur ihre Kochrezepte mitbrachten, sondern auch das eine oder andere Getreide, das mit weniger von der Natur begünstigten Lagen und Böden gut zurechtkam und gleichzeitig satt machte.
Baking the best out of it
Der damals noch sehr populäre Buchweizen war so eine Pflanze, zumindest, bis die Kartoffel ihren weltweiten Siegeszug antrat, und so machten sich die entsprechenden Bauern fleißig an seinen Anbau. Buchweizen besaß eigentlich nur den einen Nachteil, dass er kein Gluten ausbildete, was das Backen von Brot oder Kuchen ziemlich erschwerte – und die Siedler vor ein gewisses Problem bei seiner Zubereitung gestellt hätte, wenn sie zum einen nicht längst auf den Trichter gekommen wären, dass Buchweizen sich unheimlich gut in Suppen machte, und sie zweitens nicht diese kleinen, feinen, dünnen Pfannkuchen daraus zu backen verstanden hätten.
Noch heute findet man in gefühlt jedem zweiten amerikanischen Spielfilm, bei dem Familienleben eine Rolle spielt, die berühmte Szene, in der Pancakes bzw. Buckwheat Cakes gebacken werden (aus Eiern, Milch, Butter, Backpulver und Salz) und dann mit Ahornsirup übergossen – Kanada lässt grüßen! – zum Frühstück serviert werden. Buchweizen at its best, sozusagen.
Aber zurück nach Frankreich
Schon vor geraumer Zeit, wahrscheinlich so ab dem 14. Jahrhundert, nutzten sie in (Nordwest-)Frankreich ihren Buchweizen, sei es als Suppe, sei es für die Zubereitung kleiner, dünner Fladen, die auf einem flachen, heißen Stein ausgebacken wurden. Und weil die Menschen wirklich nichts verkommen lassen wollten, kippten sie sogar die Reste aus dem Suppentopf aus und benutzten das abgesetzte, gekochte Buchweizenmehl zum Backen ihrer „Galettes“.
Womit wir im Grunde schon beim Thema wären, denn während die nordfranzösischen Galettes eher herzhaft ausfielen (und heute noch ausfallen: In der Bretagne und in der Normandie werden sie oft mit Räucherfisch, Käse, Ei oder Schinken serviert) und am Rand viereckig oder sechseckig eingefaltet werden, sind Crêpes als sozusagen nationaler und internationaler Nachkomme der Galettes für ihre süßen Varianten bekannt und kommt eher als Rolle oder Tasche denn als eckige Teigscheibe auf den Tisch.
Flach is beautiful
Der im Vergleich mit unseren klassischen Pfannkuchen ziemlich helle, recht dünne und fast flüssige Crêpe-Teig besteht aus Weizen(!)mehl, Eiern, Butter, Salz und etwas Milch (manchmal auch etwas Puderzucker). Auch die Crêpes selbst sind sehr dünn und werden traditionell auf einer runden, gusseisernen Platte gebacken, der sogenannten Crêpière. Sehr oft werden die Flachkuchen mit süßen Zutaten serviert – das reicht vom einfachen Puderzucker über Nuss-Nougat-Cremes bis zu frischen Früchten oder auch Konfitüre.
Damit die Crêpes dünn und gleichmäßig werden, wird der Teig zumeist kreisrund und recht zügig mit einem speziellen Teigrechen verstrichen (der natürlich keine Zinken an seinem hölzernen, "T-Querstrich" hat, das Gerät heißt in der Fachsprache so). Bretonische Crêpes sind häufig brauner und dunkler, weil sie fast immer Zucker enthalten und entsprechend karamellisieren. Die Farbe der bretonischen Galettes dagegen rührt vom besagten Buchweizenmehl her, weswegen man beide Speisen besser nicht miteinander verwechseln sollte.
Feier mit Feuer
Das berühmteste Rezept ist wohl die Crêpe Suzette, die kleine Köstlichkeit mit ihren feinen Aromen von Orangen und dem recht spektakulären Flambieren mit Likör aus Bitterorangen und meistens auch einem Weinbrand oder Cognac.
Der Erzählung nach wurde die Crêpe Suzette übrigens durch einen Zufall erfunden: Die bekannteste Anekdote beschreibt, dass am 31. Januar 1896 der spätere britische König Edward VII. im legendären Café de Paris in Monte Carlo zu Gast war. Der damals 14-jährige Henri Charpentier machte dort seine Ausbildung zum Koch und sollte den hohen Herrschaften Pfannkuchen am Tisch zubereiten, doch während er mit der Soße hantierte, fing einer der Liköre plötzlich Feuer. Der Lehrling verzog keine Miene, probierte unauffällig, ob es gut schmeckte, tunkte die Crêpes in die brennende Marinade, gab noch mehr Likör und Zucker hinzu und erklärte dem erstaunten Prinzen, dass dies ein neues Rezept sei. Edward kostete und war begeistert.
Spontan hatte Charpentier wohl den Namen „Crêpes Princesse“ zu Ehren des damaligen Prince of Wales empfohlen, der aber geschmeichelt abwinkte. Stattdessen sollten die Crêpes den Namen seiner schönen Begleiterin tragen – und das war an diesem Tag eine gewisse Suzette. Charpentier arbeitete später in namhaften Hotels, lernte sogar beim Meisterkoch Auguste Escoffier – und avancierte später immerhin zum Leibkoch eines gewissen John D. Rockefeller in den USA.