Nichts ist so schlecht …
… dass es nicht auch etwas Gutes hätte. Zumindest im Rückblick kann man das oft sagen, denn während etwas Schlechtes geschieht, kann man der Situation meist nicht besonders viel Gutes abgewinnen. Es sei denn, man hat dieses eine, ganz besondere Talent …
Aber blicken wir zurück auf die 1920er- und 1930er-Jahre und begeben uns kurz in die damals noch recht jungen Vereinigten Staaten von Amerika. Die politisch-religiös-wirtschaftlich-kulturellen Details ersparen wir uns der Einfachheit halber an dieser Stelle und merken bloß an, dass dies die Zeit der berühmt-berüchtigten Prohibition in den Staaten war, während der der Konsum von alkoholischen Getränken zwar irgendwie erlaubt, der Verkauf dagegen strengstens untersagt war. Und als alkoholisch galt damals alles, was mehr als 0,5 Vol.-% Alkohol enthielt.
Dass die Kriminalitätsrate in die Höhe schoss und sich das über dieses Verbot nicht gerade entsetzte, aufstrebende organisierte Verbrechen genüsslich die Hände rieb, wissen wir ebenso, wie wir die Begriffe Moonshine (schwarzgebrannter Schnaps/Fusel), Flüsterkneipen (Speakeasys) oder auch Rum Row (Schnapsstraße) kennen. Am Ende steht für unsere Zwecke schlicht die Erkenntnis, dass jemand, der sich legal und ungestört einen hinter die Binde kippen wollte, besser ins benachbarte Ausland begab und lieber dort die Korken knallen ließ.
Gleich um die Ecke
Sehr praktisch war in diesem Zusammenhang (zumindest für die Bewohner des vergnügungsfreundlichen Kalifornien, das ja immerhin Hollywood enthält), dass man in Mexiko im Traum nicht daran dachte, den Leuten das Trinken zu verbieten – und so entwickelte sich im nahen Grenzgebiet eine florierende und durchaus weltoffene Bar-, Trink- und Kneipenkultur. Tijuana zum Beispiel: Im äußersten Nordwesten Mexikos lag (und liegt) die Grenzstadt nur ein paar Meilen von San Diego entfernt und selbst nach Los Angeles war (und ist) es nicht allzu weit, wenn man neben einem ordentlichen Besäufnis auch gleich noch ein paar Tage Strandurlaub einlegen wollte. Clark Gable wusste das Gesamtpaket zu schätzen, die zu dieser Zeit sehr berühmte Jean Harlow ebenfalls und auch eine ganz schön illustre Zahl anderer Promis und Hollywood-Größen setzten auf die mexikanische Gastfreundschaft.
Jetzt (also damals) kam es im Grunde nur darauf an, wie schlau und weitsichtig ein Gastronom war, wenn er von dieser herrlichen Marktlücke profitieren wollte – und einer von diesen ziemlich cleveren Köpfen war ein Herr namens Abelardo Cesare Cardini, ein Immigrant italienischer Abstammung, der sich in den frühen 20er-Jahren zusammen mit seinen zwei Brüdern zunächst einmal in Florida niederließ. Nun kann man nur vermuten, dass das dortige Klima dem Norditaliener, der in der Gegend um den Lago Maggiore das Licht der Welt erblickt hatte, doch ein bisschen zu tropisch war.
Einfach weiter gedacht
Viel wichtiger ist aber, dass er, nachdem er erfahren hatte, dass man in Mexiko ungehindert süffeln konnte, seine Siebensachen packte und kurzerhand von der tropischen Ostküste an die pazifische Westküste zog: und zwar genau nach Tijuana, wo er erst einmal einen kleineren Laden aufmachte. Ziemlich genau an der Grenze zu den USA führte er zunächst das Restaurant Caesar’s Place (nicht mit Caesar’s Palace verwechseln!), in dem dann, wie erwähnt, viele Schauspieler aus Hollywood verkehrten. 1927 erweiterte er den Betrieb und zog innerhalb der Stadt in sein neu gegründetes Hotel Caesar um.
Geschaffen am 4. Juli
Der Tag, der seinen weltweiten und unsterblichen Ruhm markieren sollte, lag noch ein paar Jahre davor und ist genau bekannt: Am 4. Juli 1924 nämlich waren anlässlich des amerikanischen Nationalfeiertages besonders viele durstige und feierwütige US-Bürger in seinem nur mittelgroßen Restaurant aufgetaucht und hatten sich nicht nur reichlich am „Schluck“ bedient, sondern bei der Gelegenheit auch die Speisevorräte mehr oder weniger vollkommen aufgebraucht. Natürlich wusste unser guter Cesare ganz genau, dass er den Laden so schnell nicht wieder so voll bekommen würde – und außerdem: Wer ließ schon gerne Umsatz liegen? Er sah sich kurz in dem Trümmerfeld um, das vorher einmal sein Vorratslager gewesen war, und kam mit jeder Menge Römersalat, ein bisschen Weißbrot, Olivenöl, Knoblauch, Parmesan, ein paar Dosen Sardellen und all dem, was man für ein anständiges und ölhaltiges (was sich zum Alkohol besser macht) Dressing benötigte, wieder heraus.
Der Rest ist Geschichte. Sein genialer Caesar Salad „ballerte“ die Gäste des Tages fast genauso weg, wie es die getrunkenen Spezialitäten bereits getan hatten; vor allem das Dressing war über jede Kritik erhaben: Eigelb wird mit Olivenöl, Zitronensaft, Worcestershiresoße, Salz, Pfeffer und etwas Dijonsenf zu einer Emulsion aufgeschlagen. Die Blätter des Römersalats werden mit dem Dressing vermischt und mit den in Knoblauchöl gerösteten Croûtons und Parmesanspänen bestreut.
Je nach Rezept kann ein Caesar Salad auch mit Avocado, Tomaten, Garnelen, gebratener Geflügelbrust, Frühstücksspeck und so weiter ergänzt werden, allerdings sollte man immer bedenken, dass Signore Cardini damals nicht aus einem gut gefüllten, sondern aus einem eher geplünderten Vorratsraum heraus gekocht haben wird.
Junge, Junge
Und dann? Vor dem, was dann kam, kann man tatsächlich nur den Hut ziehen: Nach dem Ende der Prohibition (1933, Sie erinnern sich) sah Cesare keine besonders rosige Zukunft mehr für seine Bargeschäfte in Mexiko und machte zwei überaus bemerkenswerte Schritte: Zunächst zog er ins wesentlich reichere und mondänere Los Angeles um (wo ihm und seinem Salat ein Ruf wie Donnerhall vorauseilte; er war quasi ein Promi in eigener Liga) und dann baute er ab Ende der 1930er-Jahre ein Unternehmen auf, das sich fortan ausschließlich der Entwicklung und Vermarktung von Salatsoßen widmete und das bis heute, zumindest in den USA, den von ihm damals etablierten Markennamen „Cardini’s“ trägt.
Der wusste ja wohl wirklich, wie man’s macht.