Reisen bildet
Machen wir doch mal einen kleinen Tagesausflug und begeben wir uns aus mindestens zwei guten Gründen nach Nordhessen, genauer: in die Gegend in und um Kassel. Dabei kümmern wir uns zunächst einmal nicht um die Stadt Kassel selbst (das machen wir später), sondern besuchen das Städtchen Hofgeismar, das etwa 20 Kilometer nordwestlich liegt. Heute gibt es hier eigentlich nicht viel zu entdecken, wenn man den sagenumwobenen Reinhardswald beiseitelässt, aber das war bei Weitem nicht immer so.
Erst wild, dann romantisch
Im 30-jährigen Krieg zum Beispiel ging es hier hoch her und auch der legendäre Feldmarschall Tilly mischte Land und Leute ziemlich auf, um das mal so zu formulieren. Unter anderem machte er sich 1628 nach allen Regeln der Kriegskunst über die relativ kleine Sababurg her, besetzte sie und beschädigte sie stark – und überließ sie danach ihrem Schicksal. So verfiel die Anlage in den folgenden Jahrzehnten zusehends und verwandelte sich allmählich in eine verwunschene, wildromantisch bewachsene Burgruine. Der Volksmund sah nach Veröffentlichung der „Kinder- und Hausmärchen“ der berühmten Brüder Grimm ab 1812 darin denjenigen Ort, an dem sich die Geschichte vom Dornröschen zugetragen haben musste (also die von der ewig schlafenden Schönheit und den vielen Prinzen, die das Gebüsch nicht durchdringen konnten, bis es nach 100 Jahren doch einer schaffte, der jungen Frau einen Kuss auf die Lippen zu setzen).
Furchtbares Zeug
Neben der fantasievollen Zuordnung der Ruine zum Märchen, die sich im kollektiven Gedächtnis zumindest in dieser Gegend festgesetzt hatte, gibt es einen durchaus handfesten Grund für die Sache mit dem Dornröschen-Schloss: Als historisch erwiesen gilt es nämlich, dass die Sababurg noch ein paar Jahrzehnte vor ihrem Untergang von einer fünf Kilometer langen und bis zu drei Meter hohen Dornenhecke umgeben war, die zu diesen Zeiten „brām“ genannt wurde. Und die war kein bisschen romantisch und auch überhaupt kein Zufall: Mit ihrem schier undurchdringlichen Dornengestrüpp fungierte sie als erstklassiger natürlicher Gartenzaun, der die von ihr umgebenen Menschen, vor allem aber die hier gehaltenen Nutztiere zuverlässig vor Eindringlingen, Räubern, Störenfrieden und Beutegreifern schützte.
Märchenhaft
Jetzt haben wir also die romantische Burgruine und jede Menge Dornen; fehlen nur noch die entsprechende Geschichte und ihre Urheber. Und darum macht ein kleiner Abstecher nach Kassel Sinn, weil die bereits erwähnten Brüder Grimm hier lebten und arbeiteten und unter anderem auch das Märchen vom Dornröschen hier zu Papier brachten. Sie haben das zwar ein paar Jahrhunderte gemacht, nachdem Tilly und seine Truppen wieder im Nebel der Geschichte verschwunden waren, aber die umwucherte Sababurg lag quasi um die Ecke und das passte doch eigentlich ganz gut.
Die Sache mit dem „brām“
Und jetzt können wir unseren Abstecher in die Vergangenheit auch schon fast beenden, wir müssen uns nur die Dornen noch mal kurz genauer ansehen und uns fragen, warum auch die Brombeere eigentlich einen so seltsamen Namen trägt. Hier hilft ein kurzer Blick ins Wörterbuch weiter, denn im Alt- und auch im Mittelhochdeutschen bedeutet „brām“ schlicht Dornenstrauch, wie wir ja schon wissen, und „beri“ – wer hätte es gedacht – Beere.
Unser Dornröschen kann sich ziemlich glücklich schätzen, dass die Brüder Grimm so viel von der deutschen Sprache verstanden und eine recht moderne Fassung hiervon verwendeten. Hätten sie sich an die alte Bezeichnung gehalten, dann hätte unsere verwunschene Heldin „Bromröschen“ geheißen, und das klingt ja nun alles andere als attraktiv. Übrigens kann man diesen Gedanken auch auf die Spitze treiben: Weil Brombeeren botanisch gesehen keine Dornen besitzen, sondern Stacheln, müsste unsere Prinzessin eigentlich „Stachelröschen“ heißen – aber das geht beim besten Willen zu weit …
Und wenn Sie das auch noch wissen wollen: So ganz genau weiß man dann doch nicht wie die Brombeere zu ihrem Namen kam, denn ganz ursprünglich könnte mit „brāmberi“ auch der nicht minder gefürchtete Stechginster gemeint gewesen sein.
Jetzt aber zur Brombeere
Brombeeren also, manchmal auch Kratzbeeren, Brennbeeren oder Brummelbeeren genannt. Heute werden die allermeisten im Handel erhältlichen Früchte von Pflanzen gewonnen, denen die scheußlichen Dornen weggezüchtet worden sind und die sich somit entschieden leichter und angenehmer ernten lassen. Botanisch gesehen sind sie auch gar keine Beeren, sondern sogenannte Sammelsteinfrüchte – und zählen sozusagen über diesen kleinen Umweg zum Beerenobst –, was uns aber ein bisschen egal sein kann, weil wir ja schließlich alle wissen, was eine Brombeere ist.
Lecker ist sie nämlich, schwarz-violett-dunkelrot glänzend, saftig, süß und sauer. Sie eignet sich zum Frischverzehr, als Kuchenbelag und um Konfitüre, Gelee, Sorbet, Saft, Wein und Likör mit und aus ihr zu machen. Die frischen Früchte können außerdem ziemlich gut durch Tiefkühlen konserviert werden. Sie enthalten vergleichsweise wenig Kalorien, kaum Fett und mehr Vitamin C als zum Beispiel Äpfel. Ihr Vitamin E fungiert im Körper als aktiver Zellschützer, indem es aggressive Sauerstoffverbindungen, die freien Radikale, unschädlich macht. Ihr recht hoher Anteil an Betacarotin kommt noch dazu, weil unser Körper dieses in Vitamin A umwandeln kann, das unter anderem wichtig für Sehkraft, Haut und Schleimhäute ist.
Gut zu wissen
Die ersten Brombeeren reifen bei uns im Juli, die letzten werden dann je nach Wetterlage Mitte bis Ende Oktober geerntet. Beim Einkauf von Brombeeren lohnt sich genaues Hinsehen unbedingt, denn in Papp- oder Plastikschalen sitzt manchmal direkt unter der oberen Beerenlage eine Schicht Schimmel. Kaufen Sie darum Brombeeren am besten lose oder lassen Sie sich den Inhalt der Schälchen genau zeigen.
Falls Sie selbst Brombeeren sammeln möchten, tun Sie das möglichst weit weg von stark befahrenen Straßen oder Industrieanlagen, weil sich auf der unebenen und mit feinen Haaren besetzten Oberfläche leicht Schmutzpartikel aus der Luft festsetzen können. Außerdem sollten Sie nur Früchte pflücken, die mindestens 50 Zentimeter über dem Boden hängen. So vermeiden Sie, dass Sie Beeren erwischen, die mit dem Kot von Würmer übertragenden Tieren in Berührung gekommen sind.
Wilde Brombeeren sind zwar oft wesentlich kleiner als Brombeeren aus dem Anbau, dafür schmecken sie aromatischer. Wilde Früchte eignen sich darum besonders gut für alles, was mit der Weiterverarbeitung mit Alkohol zu tun hat, zum Beispiel für den klassischen Brombeerlikör „Kroatzbeere“ (sehen Sie, hier ist es wieder die Kratzbeere!) und zum Brennen von Brombeergeist. Weil sie so leicht schimmeln, ist Kühlen bei Brombeeren ein Muss, allerdings bleiben sie auch im Kühlschrank meistens nur maximal zwei Tage frisch. Besser, Sie verbrauchen sie möglichst bald nach dem Einkauf oder dem Sammeln.