Alles nicht so einfach
Es gibt ja diesen Satz, dass wir alle Kinder unserer Zeit seien. Das kann man nun so oder so sehen, weil hier natürlich einerseits eine Entschuldigung für so ziemlich alles lauert, was man falsch machen kann im Leben, andererseits aber auch ein Fünkchen Wahrheit enthalten ist, weil man ja ohne seine Zeit und deren Einflüsse nun mal auch nicht wirklich gut funktioniert.
Egal. Lassen wir die theoretische Betrachtung und wenden wir uns lieber einer Person zu, bei der die Sache mit der Zeit und ihren Kindern ganz praktisch greifbar wird.
Sein Vater war der Kantor, Komponist und Dichter Isaac Juda Eberst und seine Mutter, Marianne Rindskopf, die Tochter eines Geldwechslers und Lotterie-Unternehmers. Die Eltern mussten aus religiös-politischen Gründen ihre Stadt verlassen und siedelten sich in Köln an, wo sie sich – sicher ist sicher – den Nachnamen Offenbach zulegten (sie kamen schließlich gerade aus Offenbach) und wo der Vater als Kantor der Synagogengemeinde tätig wurde. Von den zehn Kindern, die aus der Ehe hervorgingen, waren drei musikalisch begabt, wobei sich Jakob mit seinem Talent für Cello und Violine hervortat.
Hochbegabt
Langer Rede kurzer Sinn: Der junge Jakob begann schnell eine musikalische Ausbildung, die er dann in Paris fortführte, und avancierte zu einem hochgeachteten Cellisten, der immerhin vor der englischen Königin Victoria und später auch vor Napoleon III. spielte und zusammen mit dem großen Franz Liszt musizierte. Er war wirklich richtig gut. In der Zwischenzeit hatte er natürlich auch seinen Vornamen angepasst und nannte sich fortan Jacques Offenbach, was ihm bei seiner Karriere in Frankreich sehr zugutekam –dass er dann später in die politischen Wirren des Deutsch-Französischen Krieges geriet, ist eine andere Sache.
(Nur ganz kurz: Als im Juli 1870 der erwähnte Krieg ausbrach, mochten die Franzosen Offenbach nicht mehr leiden, weil sie ihn, Nationalisten, die sie nun mal waren, als „Spion Bismarcks“ ansahen (weil er aus Deutschland kam), während die Deutschen in ihm – kein bisschen weniger nationalistisch – einen „Vaterlandsverräter“ erkannten (weil er in Frankreich lebte). So begann denn auch der Abstieg des einstmals gefeierten Künstlers, der 1880 verstarb.)
Buntes Treiben
Viel bekannter als all das sind aber seine kompositorischen Leistungen (immerhin verfasste er 75 Kompositionen für Violoncello und sagenhafte 102 Bühnenwerke), denn mit Operetten wie „Orpheus in der Unterwelt“, „Die beiden Blinden“, „Das Pariser Leben“ oder „Hoffmanns Erzählungen“ und nicht zuletzt einem Werk, das wie kein zweites die Welt der leichteren Bühnenunterhaltung aufmischte, um nicht zu sagen auf den Kopf stellte, schrieb er Musikgeschichte. Das letztgenannte Stück sah nämlich vor, dass die Hauptdarstellerin mehr oder weniger vollkommen unbekleidet auftrat, damit sich jeder Zuschauer mit eigenen Augen davon überzeugen konnte, dass hier tatsächlich die „schönste Frau der Welt“ vor ihnen stand: Helena.
Und ganz davon abgesehen, dass das Leitmotiv des Stückes der ziemlich lustvolle Ehebruch war, war auch die schiere Nacktheit der Dame die reine Sensation. Das Stück wurde ein grandioser Erfolg und auch in Wien und in München aufgeführt (hier allerdings waren die Damen wenigstens so etwas Ähnliches wie bekleidet, wenn auch nur ausgesprochen spärlich). Auf jeden Fall konnten sich Adel und Bürgertum mit bestem Gewissen und ohne gesellschaftlichen Schaden zu nehmen dem intensiven Studium des wahrhaft Weiblichen hingeben – schließlich handelte es sich ja um einen antiken Stoff, der auch noch als Parodie getarnt daherkam und als künstlerisch wertvoll galt. Praktisch …
Reich und schön und weltberühmt
So weit, so gut. Aber führen wir uns noch mal kurz vor Augen, dass Paris zu der Zeit als einer der ganz wenigen kulturellen Nabel der Welt galt, dass alles, was irgendwie Rang und Namen hatte, in der Stadt des Lichts logierte, wenn nicht gar wohnte, und dass die besten Köpfe und die berühmtesten Persönlichkeiten der Zeit sich hier zumindest regelmäßig blicken ließen. Und Hunger hatten sie natürlich ebenfalls alle. Auguste Escoffier, einer der berühmtesten und besten Köche der Welt wirkte zu dieser Zeit ebenfalls in Paris und hat, schlau, wie er war, immer wieder einmal seine kulinarischen Schöpfungen nach den Superpromis seiner Zeit benannt. Der berühmte Pfirsich Melba zum Beispiel ist nach der australischen Opernsängerin Nellie Melba benannt, die ein absoluter Weltstar war.
Und als dann Jacques Offenbach mit seiner „Schönen Helena“ dermaßen für Furore sorgte, machte er sich daran, auf dem hübschesten und sozusagen femininsten Obst, das er finden konnte, seine bis heute berühmte Nachspeisen-Kreation aufzubauen: die Birne Helene, französisch „Poire belle Hélène“.
So erzählt es zumindest die Legende – allerdings kam Escoffier erst 1865 nach Paris, also ein Jahr nach der Premiere der „Schönen Helena“. Nun können Sie sich aussuchen, ob der Meisterkoch das Dessert einfach ein bisschen später erfand oder ob er vielleicht eine frühere Version eines anderen, weniger bekannten Kochs hernahm, diese nur ein bisschen verfeinerte – und schlicht durch seinen Namen in den kulinarischen Adelstand erhob …
Ein Obst für alle Fälle
Birnen also: Sie zählen zum Kernobst, sind aber über ihre gemeinsame Zugehörigkeit über die Familie der Rosengewächse recht eng mit dem Steinobst verwandt und schon seit vielen Tausend Jahren Kulturbegleiter. In China wurde vor allem die Variante „Pyrus pyrifolia“ gezüchtet, die eher rund ist, und Kleinasien verdanken wir die „Pyrus communis“, die in unseren Breiten vorherrscht und eben die typische Form aufweist.
Birnen können roh verzehrt, getrocknet, als Zutat beim Kochen verwendet (zum Beispiel für Birnen, Bohnen und Speck) oder entsaftet werden. Sehr typisch ist auch die Verwendung der Früchte zur Herstellung von Birnenkraut oder Obstbränden (Williams-Christ-Obstbrand). Und obwohl es weltweit ziemlich viele Birnensorten gibt (man geht von um die 5.000 aus), kommen meist nur diejenigen Sorten in den Handel, die sich als besonders robust bei der Lagerung erwiesen haben: Der große Nachteil des Obstes ist nämlich seine Anfälligkeit für Fäulnis – einer der Gründe, warum es so viele Birnenbrände und so viele konservierende Methoden (Kompott, Einkochen, Entsaften) bei ihrer Verwendung gibt.
Edel, edel
Neben den köstlichen Früchten ist es aber auch das Holz, das wegen seiner Farbe, Dichte und guten Polierfähigkeit vor allem beim Möbelbau sehr oft zum Einsatz kommt, weil es hart, schwer, zäh und wenig elastisch ist. Es trocknet langsam und ohne große Rissbildung und ist in trockenem Zustand äußerst formstabil.
Über das Tischlern hinaus eignet sich Birnbaum trotz seiner Härte sehr gut auch zum Schnitzen feinster Details; es gibt (bzw. gab) sogar den „Mostbirnenschnitzer“, den Vertreter einer alten Handwerkskunst: Er schnitzte Backformen oder auch Druckstöcke oder Lettern aus dem Holz.
Schwarz gebeiztes Birnbaumholz wurde in der Kunsttischlerei auch sehr gerne als Ersatz für das seltenere und teure Ebenholz verwendet, da es sich, na ja, sehr gut beizen lässt. In dieser gefärbten Variante wurde und wird es auch gerne als „Deutsches Ebenholz“ bezeichnet.
Birnen in Tonnen
Bei der weltweiten Birnenproduktion schafft es Deutschland mit seinen schlappen 40.000 Tonnen pro Jahr auf den 32. Platz, Italien landet mit gut 600.000 Tonnen auf Platz zwei, und all das ist gar nichts, wenn man bedenkt, dass China unangefochten den ersten Platz belegt – mit 16 Millionen Tonnen.