Lecker und einfach
Wenn man denn Zugriff auf einen heißen Ofen hatte, war die Idee durchaus bestechend: Alle Zutaten in eine feuerfeste Form schichten, ein bisschen Käse und/oder etwas geschlagenes Ei über das Ganze geben und in aller Ruhe darauf warten, dass die Hitze den ganzen Rest erledigt. Das häufigste Hindernis in unseren frühen Küchen – wir reden hier so um die Zeit um 1300 – war allerdings, dass es keineswegs üblich war, einen eigenen Backofen zu besitzen. Meist war die einzige Wärmequelle des Hauses ein offenes Feuer, auf dem man im Topf etwas kochen und über dem man allerbestenfalls hin und wieder ein größeres Stück Fleisch grillen konnte.
Lecker, aber selten
Zu dieser Zeit teilte sich ein Dorf einen einzigen, dafür aber umso größeren Ofen, der meist nur einmal pro Woche hochgeheizt wurde, um die Teiglinge, die jeder Haushalt für sich und nach eigenem Rezept vorbereitet hatte, unter großer Hitze auszubacken. War das Brot dann fertig, waren die Öfen meistens noch dermaßen heiß, dass es überhaupt keine Sache war, auch weitere Speisen darin aufzuknuspern. Leider allerdings eben nur einmal pro Woche.
Lecker und langsam
Dieser Mangel an Gelegenheit kann aber durchaus zu einer großen Vielfalt an Rezepten geführt haben, denn schließlich konnte man ja immer sechs Tage lang darüber nachdenken, was denn noch so alles gut schmecken würde, wenn man es überbackt. Kein Wunder also, dass die Menge der Auflaufrezepte in die Tausende geht.
Lecker mit Kruste
Grundsätzliches Erkennungsmerkmal eines Auflaufs ist, dass er ohne Deckel gegart wird und sich somit eine Kruste obendrauf bilden kann (darum ist die französische Ratatouille kein Auflauf, sondern ein Schmorgericht – sie gart mit geschlossenem Deckel) und dass die Speisen in einem hochwandigen und feuerfesten Gefäß in die Röhre kommen (darum ist die Pizza kein Auflauf, obwohl sie ebenfalls – zumindest, was das Backen angeht – sozusagen ein Abfallprodukt des Brotbackens ist, die Lasagne dagegen schon). Der Name „Auflauf“ rührt übrigens genau daher, dass die Zutaten aufeinandergelegt wurden, das Ganze in der Form also nach oben anstieg oder mittelhochdeutsch auflief.
Ursprünglich basierte ein Auflauf auf Reis- oder Getreidebrei (der durchaus auch süßlich sein konnte), auf den schichtweise Kohl- und Knollengemüse, Gewürze und vielleicht ein bisschen Speck gelegt wurden und auf den zum Abschluss noch verquirltes Ei gegeben wurde. (Der berühmte Kartoffelauflauf ließ übrigens noch bis mindestens Mitte des 18. Jahrhunderts auf sich warten – bis dahin galt die Kartoffel weitgehend als Zierpflanze und keineswegs als Nahrungsmittel.)
Der große, wenn nicht sogar der entscheidende Unterschied zwischen einem typischen Auflauf und einem Gratin besteht darin, dass beim Auflauf rohe Zutaten mit etwas Flüssigkeit in die Form kamen und durch die Ofenhitze durchgarten (darum auch der „Deckel“ aus Käse oder Ei, der recht effizient die Flüssigkeit in der Schale beließ), während ein Gratin lediglich dazu dient, bereits gegarte oder zumindest vorgegarte Zutaten zum Ende des Kochvorgangs mit einer schönen Käsekruste geschmacklich und optisch zu veredeln.
Auch lecker
Das berühmt-berüchtigte Soufflé hat mit dem Auflauf und dem Gratin nur gemein, dass es ebenfalls in einem hochwandigen, feuerfesten Gefäß gebacken wird – ansonsten ist es in Sachen Zutaten, Herstellungsweise, Konsistenz und Textur vollkommen anders.
Lecker in Rom
Ein absoluter Klassiker unter den Auflaufgerichten ist natürlich die Lasagne, deren Wurzeln wohl bis zu den Griechen zurückreichen. Zwar wurden die Nudeln erst durch die Römer Teil des Gerichts, und auf die Tomaten mussten sie ja bekanntlich auch noch ein paar Hundert Jahre lang warten, aber das Fleischragout nutzten sie ebenso mit Begeisterung wie einen schönen Deckel aus gebackenem und gebräuntem Käse obendrauf. Auf die Béchamelsoße verzichteten sie aber, weil sie Rinder eher als Lasttiere und Fleischlieferanten ansahen und Milch oder Butter ohnehin nur etwas für Barbaren waren …
Lecker, wann man will
Und weil ein typisches (also normales, also nicht adelig-privilegiertes) römisches Haus ohnehin über keine Kochstelle verfügte und die Bewohner sich ohnehin immer auswärts versorgen mussten, ist es durchaus möglich, dass sie in einer glücklicheren Lage waren als ihre nord- und westeuropäischen Nachfahren: Wo immer ein Ofen heiß war, konnte schließlich auch ein Auflauf überbacken werden. Und zwar nicht nur einmal pro Woche.