Was sie schon mal nicht sind
Im Grunde ist die Sache mit der ersten kleinen Köstlichkeit schnell erklärt – vor allem, wenn man sich ansieht, was auf ein Amuse-Gueule nicht zutrifft.
Ein Amuse-Gueule macht nicht satt.
Ein Amuse-Gueule kann nicht vom Gast bestellt werden.
Ein Amuse-Gueule kann auch recht bescheiden ausfallen.
Ein Amuse-Gueule erscheint niemals auf der Rechnung.
Ein Amuse-Gueule kommt immer in mundgerechten, kleinen Portionen.
Ein Amuse-Gueule enthält auf keinen Fall Hauptzutaten, die auch noch im folgenden Menü auftauchen.
Was es also ist
Der Name sagt es schon, obwohl sich die Franzosen (wahrscheinlich war es mal wieder der große Auguste Escoffier) da ein bisschen für die derbere Variante entschieden haben. Wir übersetzen den Begriff gerne mit „Gruß aus der Küche“, „Gaumenfreude“ oder „Appetithäppchen“ – direkt aus dem Französischen übertragen würde es aber eher „Freude des Mauls“ bedeuten, weswegen viele Gastronomen (außer in Frankreich) gerne die Formulierung „Amuse-Bouche“ verwenden, die dann etwas vornehmer „Freude des Mundes“ bedeutet. Inhaltlich ist mit beiden Formulierungen aber das exakt Gleiche gemeint. Also nicht verwirren lassen.
In der gehobenen Gastronomie schmeckt das Amuse-Gueule nicht nur gut zum eingangs servierten Champagner oder Sekt, es drückt auch die Kreativität, den Leistungsgedanken der Küche und den hohen Standard aus, auf den sich die Gäste freuen dürfen. Auch darum legt sich die Küche schon bei der Planung mächtig ins Zeug, weil ein Amuse-Gueule zwar auf kommende Genüsse vorbereiten soll, dabei aber gleichzeitig nicht vorwegnehmen darf, was bei den kommenden Gängen aufgetischt wird.
Das Wichtigste ist und bleibt: Ein gutes Amuse-Gueule steht immer für sich. Deshalb sind die Vorspeisenvariationen grundsätzlich die reine Schönheit voller filigraner Komponenten und bestechen durch ihren Facettenreichtum, auch weil ein Amuse-Gueule aus den verschiedensten Lebensmitteln zusammengesetzt werden darf.
Natürlich kann das eine Auster sein, Languste, Kaviar, Wachtel, Thunfisch oder Trüffel – es steht allerdings nirgendwo geschrieben, dass nicht auch besonders gutes Brot, Olivenöl, erstklassige Butter oder Schmalz, ein feines Sellerie-Süppchen oder eine erlesen zubereitete Wassermelone hervorragende Amuse-Gueules abgeben. Und natürlich sind kalte Speisen ebenso möglich wie warme, herzhafte so interessant wie süße, Fingerfood ist genauso denkbar wie Gaumenfreuden, für deren Genuss ein bisschen Besteck erforderlich ist.
Das klassische Amuse-Gueule aus der französischen Küche
Vegetarier kommen hier auf ihre Kosten (wenn der Koch das denn vorher weiß), Fischliebhaber natürlich ebenso und auch die Freunde erlesener Käse-, Fleisch-, Schinken- und Wurstwaren werden hier garantiert glücklich. In Frankreich reden wir übrigens so gut wie immer über Produkte aus dem gehobenen Preissegment, was die Raffinesse der Küchenwerker weiter betonen soll.
Darum sind Austern oder Kaviar typische Bestandteile eines Amuse-Gueule. Auch luftgetrockneter Schinken, Tatar oder auch Datteln im Speckmantel (wenn der Speck denn großartig ist und die Dattel Weltklasse) dürfen unter den Vorspeisen nicht fehlen. Als Alternative werden oft edle Käsespieße oder Pumpernickel mit diversen besonders feinen Aufstrichen gereicht.
Das herzhafte Amuse-Gueule
Für diejenigen, die intensivere Aromen bevorzugen, eignen sich Häppchen auf Basis von würzigen, pikanten Zutaten. Hier kommen auch eingelegte Gemüse, Paprika oder Tomaten zum Einsatz, die gerne mit geräucherter Salami oder Schinken auf kleinen Brotscheiben, an Focaccia mit Filetstreifen oder als Komposition aus vornehm gefüllten Tomaten zum Einsatz kommen. Die Möglichkeiten sind ebenso schier unendlich wie die Kreativität der Köche.
Das süße Amuse-Gueule
Das gehört doch immer an den Schluss? Nein, beim Amuse-Gueule gilt diese Regel eher nicht. Genau, wie es ein bisschen Käse sein darf, sind auch süße bzw. süßliche Appetithappen absolut möglich und erlaubt, wenn die Küche der Meinung ist, dass sie gut auf das einstimmen, was beim eigentlichen Menü serviert wird. Manche Kritiker behaupten sogar, dass ein Amuse-Gueule mit Nachspeisenvariationen die Königsklasse der Kochkunst ist.
Zu ihnen gehören ausgefuchste Fruchtpuddings oder delikate Gelees, ausgefallenes Konfekt, gebackene Früchte und die Kombination von ausdrücklich süßen Aromen mit herzhaften, sauren, bitteren oder auch scharfen.
Das „neue“ Amuse-Gueule
So schön anzusehen, so köstlich im Geschmack und so clever das Rezept – die kleinen Happen können schon ein bisschen tückisch sein, wenn man sie zu Beginn einer gelungenen Tischgesellschaft mit den Fingern oder kleinem Besteck in den Mund bugsieren will. Wer sich gleich als Erstes mit Austernsaft, Rahmsüppchen oder Speckmarmelade bekleckert, ist wohl in seiner Genießerfreude erst mal ein bisschen gebremst oder versucht, im Sanitärbereich die schlimmsten Folgen irgendwie wegzuimprovisieren.
Also wurde noch einmal scharf nachgedacht und das „Mise en Bouche“ erfunden, was nichts anderes ist als ein Amuse-Gueule, das in einem eigens für diesen Anlass geschaffenen Löffel serviert wird. Mise en Bouche könnte man mit „In-den-Mund-Legung“ übersetzen – damit ist eigentlich alles gesagt.
Der entsprechende Löffel ähnelt im Aussehen einem Esslöffel, ist allerdings meist etwas größer und hat einen sehr stark gebogenen Stiel, der dem „Probierlöffel“ eine besonders hohe Standfestigkeit verleiht. Dadurch lässt er sich recht unkompliziert und auch in größeren Mengen auf einem Tablett servieren.