Jetzt aber!
Es ist aus heutiger Sicht vielleicht ein bisschen schwer vorstellbar, aber der Spargel hatte es ganz schön schwer, bevor er zu unserem liebsten Frühlingsgenuss wurde: Die Ägypter und Griechen kannten und schätzten ihn zwar, aber – soweit wir wissen – nur als Heilpflanze. Erst bei den Römern kam er als kulinarische Delikatesse zu ersten Ehren. Die Römer liebten ihn sogar dermaßen, dass sich Kaiser Diokletian im Jahr 301 dazu genötigt sah, eine Spargel-Höchstpreisverordnung in Kraft zu setzen, damit die Preise nicht durch die Decke gingen.
Mit dem Untergang des römischen Reiches ging den Feldern und Küchen dann auch der Spargel verloren, bevor er erst um 900 in St. Gallen wieder auftauchte – wieder nur als Heilpflanze. Kaum hatte er sich dann ungefähr 650 Jahre später endlich zum „Kaisergemüse“ gemausert (Ludwig XIV. ließ sich sogar Gewächshäuser bauen, damit er jederzeit welchen bekommen konnte), stand er zwar im Ruf, eine besondere Köstlichkeit zu sein, wurde aber kaum in nennenswerten Mengen angebaut, weil er als wenig nahrhaft galt. Zur Zeit der Weltkriege gab es ihn in Deutschland so gut wie gar nicht, einfach weil sein Brennwert so niedrig ist.
Seit den 50er-Jahren stieg seine Beliebtheit kontinuierlich an, nicht nur wegen seines einmaligen Geschmacks, sondern weil der Spargelesser gerne zeigen wollte, dass er sich das teure Edelgemüse auch leisten konnte. Bei unseren heutigen Preisen zieht dieses Argument zwar nicht mehr, aber in puncto Geschmack und Zartheit und nicht zuletzt als frühes Saisongemüse sucht Spargel weiterhin seinesgleichen; auch heute noch steigt die Zahl der Anbauflächen an.
Erst grün, dann weiß
Ob grün oder weiß, ist weniger eine Frage der Sorte als vielmehr eine des Erntezeitpunkts: Der bei uns so beliebte weiße Spargel (Bleichspargel) wird schon gestochen, wenn er sich gerade so anschickt, seinen Kopf aus der Erde zu stecken, er kommt also gar nicht erst dazu, Fotosynthese zu betreiben und Chlorophyll zu produzieren – er muss weiß bleiben. Grüner Spargel dagegen wächst in aller Ruhe bis zur Erntegröße aus der Erde heraus und wird erst dann gestochen. Hierin liegt auch ein guter Teil des Preisunterschieds begründet: Das arbeitsintensive Aufhäufen der typischen Erdwälle entfällt beim grünen Spargel, was Anbau und Ernte einfacher macht.
Typischer Spargel wurde über tausende Jahre grün gegessen. Weißen Spargel gibt es nämlich erst seit ungefähr 1760, nachdem ein Bauer per Zufall entdeckt hatte, dass die ganz jungen, unterirdischen Triebe wunderbar schmecken. Und um sich die Erntearbeit zu erleichtern, kam er auf die Idee mit dem aufgeschütteten Boden. So ändern sich die Zeiten: Er fand das mit den Wällen leichter …
Saisonal, regional, genial
Je nach Temperatur und Niederschlag beginnt die Spargelernte etwa Anfang April, sie kann aber auch deutlich früher oder später anfangen. Einen gewissen Einfluss können die Spargelanbauer über den Einsatz von Plastikfolien ausüben, dennoch ist und bleibt Spargel ein Naturprodukt, das nicht immer alles macht, was man will.
Wann auch immer die Saison anfängt – sicher ist, dass sie am 24. Juni endet, das ist am Johannistag. Da Spargel eine mehrjährige Pflanze ist, die erst nach drei Jahren zum ersten Mal geerntet werden kann, braucht er reichlich Zeit, um neue Kräfte bis zur nächsten Ernte zu sammeln.
Sein Geschmack ist stark von Sorte und Boden abhängig, seine Qualität dagegen steigt und fällt mit der Frische. Im Idealfall wird morgens gestochener Spargel schon am Mittag aufgetischt, was aber im Grunde nur realistisch ist, wenn man auf dem Land lebt oder selber welchen im Garten hat. Dennoch schaffen es die meisten Spargelhöfe, dass zwischen der morgendlichen Ernte und der Auslieferung in den Handel nur wenige Stunden vergehen.
Frischen Spargel zu erkennen, ist nicht wirklich schwer. Die Blüte sollte – zumindest beim weißen Spargel – noch geschlossen sein, die Schnittstelle ist idealerweise noch feucht und saftig und die Stange sollte sich fest anfühlen. Außerdem riecht frischer Spargel besonders intensiv und die Stangen quietschen, wenn man sie gegeneinanderreibt.
Die Handelsklasse dagegen gibt nur bedingt Auskunft über die Verzehrqualität, sie legt mehr Wert auf das Äußere des Spargels.
Beim grünen Spargel genügt es, wenn man nur das untere Drittel schält und ihn ein bis zwei Zentimeter oberhalb der Schnittkante abschneidet. Weißer Spargel dagegen muss der Länge nach geschält werden, weil seine Schale holzig und auch recht bitter ist. Je nach Dicke genügen zehn bis 15 Minuten in kochendem Wasser, deutlich darüber zerfallen vor allem die Köpfe zu Brei. Manche Köche schwören allerdings darauf, den Spargel nur kurz aufzukochen und dann bei schwacher Hitze zwölf bis 15 Minuten ziehen zu lassen.
Gut zu wissen: Weil die Spargelköpfe viel zarter sind als der Rest des Spargels, dürfen sie beim Garen nicht unter Wasser sein. Profis binden die Stangen lose zusammen und garen den Spargel erstens aufrecht stehend und zweitens so, dass die Köpfe aus dem Wasser ragen – sie werden also schonend gedämpft.