Refik Kabakci im Interview: Obst und Gemüse

Fangen wir vorne an und gehen erst nochmal in die Schule. Was sind eigentlich Nutzpflanzen, was ist der Unterschied zwischen Obst und Gemüse? Lesen Sie, wie unberechenbar Ernten ausfallen können und was mit den Pilz-Statistiken einfach nicht stimmt. Und dann ist da noch die Sache mit den Handelshof-Klimazonen…

Ein Markt, 18 Märkte

Handelshof: Herr Kabakci, ich würde gerne ganz am Anfang anfangen.

Refik Kabakci: Das hört sich nach einer sehr guten Idee an. Wo fängt denn alles an?

HH: Bei den Nutzpflanzen.

RK: Das ist allerdings sehr weit vorne.

HH: Ich habe gelesen, welche Mengen jährlich geerntet werden, und bekam den Mund nicht mehr zu.

RK: Ja, so um die sieben Milliarden Tonnen sind das – (Schiebt einen Zettel rüber und schreibt.) Das schreibt sich in Kilo dann so: 7.000.000.000.000 kg.

HH: Aber das ist ja eine Tonne pro Jahr und Erdenbürger – da stimmt doch was nicht…

RK: Nur auf den ersten Blick stimmt da was nicht.

HH: Inwiefern?

RK: Sie müssen sich das anders vorstellen: Nicht jede Nutzpflanze ist ein Nahrungsmittel im klassischen Sinn. Zuckerrohr zum Beispiel wird ja nicht gegessen, sondern weiterverarbeitet. Und alleine der Anteil von Zuckerrohr beträgt schon knapp zwei Milliarden Tonnen im Jahr.

HH: Uff.

RK: Und nur zum Vergleich: Die wegen der Anbaumethoden viel gescholtete Sojabohne hat „nur“ einen Anteil von ungefähr 330 Millionen Tonnen, also weniger als die Kartoffel.

HH: Gibt es eine Priorisierung, was das Verhältnis Obst zu Gemüse angeht?

RK: Ja, eine ganz deutliche sogar. Wenn man zu den Nutzpflanzen auch das Getreide hinzuzählt – und das muss man natürlich –, dann taucht erst auf dem elften Platz das erste Obst auf: Wassermelonen. Die zehn Plätze davor sind Zucker- und Stärkelieferanten.

HH: Kamen da nicht vorher noch irgendwo auf Platz acht oder so die Tomaten?

RK: Ja, aber die sind kein Obst oder Gemüse. Die zählen zum Fruchtgemüse.

HH: Wird’s jetzt kompliziert, oder können wir einfach mal definieren, was eigentlich was ist? Paprika soll Obst sein, habe ich mal gehört…

RK: Da haben Sie etwas Halbrichtiges gehört. Eigentlich ist das Ganze aber ziemlich einfach.

HH: Dann los!

RK: Also, Obst wird meistens roh gegessen und – und das ist wichtig – ist meistens der Fruchtkörper der Pflanze, also Traube, Apfel, Kirsche, Birne, Nuss, Beere usw. Außerdem wächst es jedes Jahr oder jede Ernteperiode an derselben Mutterpflanze nach.

HH: Okay, alles klar. Und Gemüse?

RK: Nicht so hastig, ich bin ja schon dran! (Schmunzelt.) Beim Gemüse essen wir eher die Pflanze als ihre Früchte, oder zumindest große Teile der Pflanze: Kartoffeln, Kohl, Zwiebeln, Salat, Schoten usw. Ist das Gemüse geerntet, muss es meistens neu gepflanzt werden.

Steckbrief

Refik Kabakci, Jahrgang 1967, kam schon als kleiner Junge in direkten Kontakt mit Obst und Gemüse: Weil es Anfang der 1970er-Jahre noch ziemlich schwierig werden konnte, bestimmte frische Produkte und Waren zu finden – Auberginen oder Zucchini zum Beispiel – hatten sich seine Eltern einen ganz schön großen Nutzgarten angelegt. Und Söhnchen Refik? Musste fleißig mit anpacken und hat es gehasst! Seiner großen Leidenschaft für frisches Obst und Gemüse hat die Arbeit allerdings keinen Abbruch getan. Direkt nach der Schule hat er bei einem großen Supermarkt in der Obst- und Gemüseabteilung angefangen und kam über viele Stationen schließlich zum Handelshof, wo er seit 2013 der Herr über Obst und Gemüse ist. In 18 Filialen betreut er über 60 Mitarbeiter, die jeden Tag dafür sorgen, dass Vielfalt, Frische und Qualität zuverlässig an die Kunden gehen.

Dem begeisterten Badminton-Spieler scheint sein Beruf übrigens geradezu in die Wiege gelegt worden zu sein. Aus dem Türkischen übersetzt bedeutet sein Nachname: „Kürbis-Mann“ und das kann ja kein Zufall sein… Fragt man ihn nach seinen liebsten Produkten, dann sind das Kirschen, Quitten und natürlich die Aubergine.

HH: Okay, nicht schwer. Aber was ist denn jetzt mit der Tomate oder der Paprika?

RK: Die sind Fruchtgemüse, weil sie zwar von einjährigen Pflanzen stammen, aber hier wird eben der Fruchtkörper gegessen und nicht die Pflanze selbst. Auberginen, Kürbisse, Zucchini, Melonen oder auch Gurken: Alles Fruchtgemüse.

HH: Nach Pilzen frage ich jetzt lieber erst gar nicht…

RK: Warum nicht?

HH: Naja, die kommen ja nicht mal unter die TOP 20 – international gesehen. Und außerdem wissen ja wohl offensichtlich auch die Naturwissenschaftler nicht, was die eigentlich sind. Außer köstlich, meine ich. (Schmunzelt).

RK: Das mag sein, aber bei mir, also beim Handelshof, gehören Champignons und Pfifferlinge ganz klar zu den TOP 3 im Verkaufsrang. Das sind echte Bestseller.

HH: Okay, da kann man mal sehen…

RK: Was sehen?

HH: Dass Zahlen nicht alles sind... Aber jetzt nochmal zu diesen Millionen Tonnen Produktion: Auch Überproduktion?

RK: Ja, leider, aber das lässt sich nicht ganz vermeiden. Und damit meine ich nicht immer nur den Handel und die Wirtschaft und den Weltmarkt, sondern vor allem Mutter Natur. In manchen Jahren wächst einfach zu viel. Nicht, weil die Bauern zu viel angepflanzt haben, sondern einfach, weil das Jahr zu gut war. Stichwort Sommer 2018: All die Äpfel und Birnen, die da gewachsen sind, kann man kaum verwerten. Die müssen dann irgendwie weg.

HH: Ein bisschen Schwund ist immer – wie sieht das denn beim Handelshof aus? Ich meine, superfrische Ware ist ja auch superschnell nicht mehr superfrisch.

RK: Jetzt haben Sie aber einen Haken geschlagen von der Weltproduktion von Nutzpflanzen in die Frische-Abteilung vom Handelshof.

HH: Ich musste ja irgendwann mal die Kurve kriegen.

RK: Mir soll’s recht sein. (Schmunzelt.)

HH: Also?

RK: Wieso also? Achso! Ja, natürlich haben wir ein bisschen Schwund, das lässt sich überhaupt gar nicht vermeiden.

HH: Also? (Schmunzelt.)

RK: Ach so – Sie wollen Zahlen. So 1 bis 1,5%. Mehr ist das nicht.

HH: Das hätte ich jetzt nicht gedacht, echt nicht sehr viel. Wie schaffen Sie das?

RK: Das, was kein Betriebsgeheimnis ist, kann ich Ihnen gerne erzählen.

HH: Bitte sehr. Ohne Nähkästchen.

RK: Erstens kennen wir unsere Kunden natürlich gut, teilweise seit Jahrzehnten. Da wissen wir ziemlich genau, was sie in welchen Mengen zu welchen Zeiten nachfragen. Zweitens haben wir natürlich die Jahreszeiten und die jeweiligen Seasons im Blick. Im Winter verkaufen wir mehr Gemüse, im Sommer mehr Obst – das lässt sich eigentlich ganz gut abschätzen. Und wenn man es wirklich gut machen will, dann behält man auch die Wettervorhersage im Blick: irre, wie sich Wetter und Temperaturen auf den Frischwaren-Absatz auswirken.

HH: Klingt nach gesundem Menschenverstand…

RK: …plus ein bisschen Kühltechnik: Wir lagern Obst und Gemüse je nach Sorte und Art bei auf den Punkt genau perfekten Temperaturen. Insgesamt haben wir drei „Klimazonen“ in jedem Markt. So bekommen alle, was sie brauchen – Ware und Kunde…

HH: …und gute Umsätze beim Handelshof. Also gute Planung, Wetterhäuschen, richtige Lagerung.

RK: Und Kundenkenntnis. Und, ganz wichtig: Die richtige Auslage, also was ich wo und wie platziere.

HH: Da kommen wir später noch zu.

RK: Hoffentlich! Ich freue mich schon drauf.

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