Der Meister und die Schweine
Handelshof: Herr Nennen, jetzt haben wir so viel über Rinder gesprochen…
Dirk Nennen: Na endlich!
HH: Ich habe doch noch gar nichts gesagt.
DN: …dass es höchste Zeit ist, endlich mal über Schweine zu reden.
HH: Das wäre tatsächlich mein Text gewesen.
DN: Wer sich um höchste Qualität und bestmögliches Tierwohl Gedanken macht, der kommt um die Schweine einfach nicht herum. Die konventionelle Schweinezucht in riesigen Mastbetrieben ist ja nicht gerade das Gelbe vom Ei. Weder im Sinne der Tiere noch im Sinne hoher Qualität.
HH: Ein gutes Beispiel für natürliche Aufzucht sind die berühmten Ibérico-Schweine.
DN: Das stimmt. Allerdings hat auch in Spanien die gestiegene Nachfrage dazu geführt, dass mittlerweile weder die Fläche noch die darauf stehenden Bäume ausreichen, die große Anzahl an Tieren satt zu machen, so dass sehr oft auch zugefüttert wird.
Aber es stimmt schon: Die laufen größtenteils frei in Eichenhainen herum und fressen, was sie finden. Im Herbst vor allem ihre Lieblingsspeise, Eicheln. Köstlich!
HH: Köstlich für die Schweine oder für den Genießer?
DN: Für beide. Die Eicheln schmecken dem Schwein und das Schwein schmeckt uns. So hat jeder was davon. Aber im Ernst: Fleisch von frei lebenden, extensiv gehaltenen Tieren ist mit Mastfleisch überhaupt nicht zu vergleichen. Weder, was die Muskeln angeht, noch bei der Fetteinlagerung, noch bei der Textur, noch beim Geschmack. Wer einmal „richtiges“ Schweinefleisch gegessen hat, der will nichts anderes mehr.
HH: Woher kommt dieser Unterschied?
DN: Stress, Schmutz, Lärm, Enge, schlechte Luft, billiges Kraftfutter, keine Bewegung, Hitze. Das tut niemandem gut. Auch Schweinen nicht.
HH: Sie werden gerade ein bisschen schmallippig.
DN: Ja. Weil ich finde, dass es auch anders geht. Klar haben wir hier weder den Platz noch die Eichenhaine, die das Ibérico so liebt, aber zwischen komplett extensiver Haltung und den Zuständen bei der konventionellen Mast liegen noch jede Menge Optionen.
Ein Schwein muss nicht zwingend wild im Garten leben, damit es sich wohl fühlt und gutes Fleisch aufbaut. Da gibt es noch andere Möglichkeiten, die eine sehr gute Schnittmenge zwischen Tierwohl und Nachhaltigkeit einerseits und Fleischproduktion im größeren Stil andererseits bilden. Ich weiß das, weil wir gerade ein solches Projekt mit verschiedenen engagierten Partnern auf die Beine gestellt haben.
HH: Ein Pilotprojekt?
DN: Ein Pilotprojekt mit Leuchtturm-Effekt. Seit wir hier erfolgreich sind, klopfen sogar unsere Mitbewerber an und fragen, ob sie die Erzeugnisse einkaufen können. Das will schon was heißen. So gut sind die Ergebnisse.
HH: Erzählen Sie mal genauer.
DN: Unser Ziel und Anspruch war es, das beste Schweinefleisch zu erzeugen, das ohne extensive Haltung möglich ist. Gleichzeitig wollten wir großen Wert auf das Wohl der Tiere legen, was Nahrung, Leben, soziale Bedürfnisse, Sauberkeit usw. angeht. Und dann war es wichtig, eine Rasse zu finden, die noch in der Lage ist, intramuskuläres Fett aufzubauen, was wichtig für den Geschmack und die Saftigkeit des Fleischs ist.
HH: Also von allem das Beste. Gar nicht so einfach.
DN: Genau. Was wir also am Anfang brauchten, war eine vielversprechende Rasse und jemanden, der sich wirklich gut mit Schweinen auskennt. Also, nicht mit der Mast, sondern mit den Schweinen selbst. So eine Art „Schweineflüsterer“, der uns kompetent mit Rat und Tat zur Seite stand.
Sie dürfen ja nicht vergessen, dass der Handelshof ja kein Erzeuger ist, sondern Händler. Weil wir aber in diesem Projekt tatsächlich selber zum Produzenten werden würden, mussten wir dringend sehr viel lernen. Nicht nur über die natürlichen Bedürfnisse oder das eigentliche Verhalten von Schweinen. Es geht ja immer auch um Geld, Richtlinien, Verordnungen usw.
HH: Und da hört der Spaß meistens auf.
DN: Nur, wenn man sich nicht ausreichend mit den Themen auskennt. Aber zum Glück konnten wir Dr. Kees Scheepens für unseren Ansatz interessieren. Er ist Tierarzt, wahrer Schweineexperte und züchtet selber eine alte Rasse.
HH: Danke für das Stichwort. Das wäre meine nächste Frage gewesen.
DN: Die Rasse? Ja. Es nützt schließlich nicht viel, wenn man ganz toll und tiergerecht eine Rasse aufzieht, die aus genetischen Gründen einfach kaum Fett ausbildet oder in den Muskeln einlagert. Und die meisten modernen Rassen sind nun mal darauf gezüchtet, möglichst mageres, schnell wachsendes Fleisch mit hoher Wassereinlagerung zu erzeugen. Also Fleisch, das im Grunde nach nichts schmeckt. Es ist interessant, dass alte Rassen oder solche, bei denen noch eine ordentliche genetische Portion Wildschwein vorhanden ist, viel Fett aufbauen.
Weil wir aber ja keine Wildschweine züchten wollten, musste eine alte Hausschweinrasse her und da traf es sich wirklich gut, dass Dr. Scheepens sich schon seit Jahren um eine sehr alte und seltene Rasse kümmerte: Das Berkshire-Schwein aus England. Von denen gibt es in England vielleicht noch 300 Exemplare, aber die Tiere brachten alles mit, wonach wir gesucht haben. Nicht zu groß, gutes soziales Verhalten, einen schönen Muskelaufbau, Robustheit und sehr viel Fett.
HH: Sehr viel oder zu viel?
DN: Zu viel um ehrlich zu sein. Weil aber alles andere so gut gepasst hat, haben wir das Berkshire mit einer Landrasse gekreuzt, die etwas magerer ist. Das Ergebnis ist einfach fantastisch.
Das ist wirklich eine tolle Kooperation und ein gewaltiger, partnerschaftlicher Wissenstransfer: Ein Projekt, das Dr. Scheepens bereits in Belgien durchführt, wurde zur Grundlage unseres deutschen Konzepts „The Duke of Berkshire“, also Herzog von Berkshire.
HH: Sehr vornehm.
DN: Und exklusiv. „Duke of Berkshire“ aus Deutschland, in einer so perfekt abgestimmten Haltungsform, bekommen Sie wirklich nur beim Handelshof. Das Fleisch ist absolute internationale Spitzenqualität und glauben Sie mir, dass ich weiß, wovon ich rede.
HH: Gut, jetzt haben wir das Schnitzel. Aber wie geht´s dem Schwein?
DN: Haha – schön gesagt. Sie meinen die Aufzucht und die Lebensumstände. In der sogenannten „Outdoor Sauenhaltung“ auf dem Hof Erchinger in Leer laufen die Schweine tatsächlich frei herum.
In großen Gruppen mit Sauen und Ebern oder in den so genannten Freiland-Abferkelabteilen, die jeweils rund 400m2 groß sind. Furchtbares Wort, aber so heißen die nun mal…
Wenn die Ferkel 10 Wochen alt sind, ziehen sie dann um.
HH: Ach ja? Wohin denn?
DN: Auf den Hof der Agrarwissenschaftler Dr. Katja Bodenkamo und Dr. Jens van Bebber.
In seinem speziell für unseren Ansatz konzipierten Maststall laufen sie dann nicht mehr draußen rum, aber das müssen sie auch gar nicht. Sie haben reichlich Platz in ihren Ställen, stehen auf frischem Stroh, sind mit ihren Geschwistern und Freunden zusammen, haben eine eigene Toilette, einen Gemeinschaftsbereich und eigene Ruhezonen.
Sie bekommen gutes, gesundes Futter und, ganz wichtig, leben in einem sogenannten Außenklimastall. Das bedeutet, dass sie Temperatur- und Wettereinflüsse mitbekommen und frische Außenluft atmen. Dieser Faktor ist extrem wichtig und wird in der konventionellen Mast komplett ignoriert.
HH: Zwei Zimmer, Küche, Bad, Balkon?
DN: Ja. Kann man so sagen.
HH: Ein Traum.
DN: Wie gesagt: Je besser das Schweineleben, umso besser das Fleisch.
HH: War es eigentlich schwer, den Handelshof im Vorfeld davon zu überzeugen, dass eine solche Initiative eine gute Sache sein kann? Hier wurde und wird ja sicherlich auch ganz schön investiert.
DN: Ich kann sehr hartnäckig sein, wenn ich von etwas restlos überzeugt bin (schmunzelt). Und das Ergebnis gibt uns ja Recht.
Interview und Redaktion: Joachim van Moll